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Seit vergangenem Herbst können die Potsdamer Muslime die Biosphäre für das Freitagsgebet nutzen.

© A. Klaer

Muslime in Potsdam - Ramadan und Moschee-Suche: Ein Monat Selbstdisziplin

Beim Verein der Muslime in Potsdam steht gerade das Ramadan-Fasten im Mittelpunkt. Gesucht wird weiterhin ein Standort für eine neue Moschee.

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Potsdam - El Mustapha Fayez hat seit Stunden keinen Schluck mehr getrunken. Doch der 53-Jährige sagt: „Für mich ist das ganz leicht. Man gewöhnt sich daran.“ Schließlich hat er schon fast sein ganzes Leben lang einen Monat pro Jahr gefastet – zum Ramadan, dem Fastenmonat der Muslime. Noch bis zum 24. Juni geht er in diesem Jahr.

Fayez ist der Vize-Vorsitzende des Vereins der Muslime in Potsdam, kam aus dem umkämpften Libanon 1992 mit seinen Eltern nach Deutschland, inzwischen ist er selbst dreifacher Familienvater. Seine Geschichte und sein Bild des Islam kann er erzählen, bevor das Freitagsgebet der Gemeinde im Orangerie-Saal der Biosphäre beginnt. Gerade rollen Vereinshelfer grüne und graue Teppichunterlagen auf dem Hallenboden aus, ab 12.45 Uhr finden sich im Rhythmus der haltenden Straßenbahnen vor der Biosphäre immer mehr Gläubige ein.

Worauf es im Ramadan ankommt

Währenddessen erklärt Fayez, worauf es im Ramadan ankommt – jener Monat, in dem nach Auffassung der Muslime der Koran herabgesandt wurde. So gilt für die Gläubigen, ausgenommen sind Schwangere, Kranke und Kinder, dass sie Speisen und Getränke nur zwischen Sonnenunter- und -aufgang verzehren dürfen. „Und man fastet auch mit Blicken und Sprache“, beschreibt Fayez das allgemeine Gebot der Enthaltsamkeit zu Ramadan. Es gehe auch darum, sich von schlechten Gewohnheiten zu reinigen. Ohnehin, so Fayez, sei der Islam eine friedliche Religion. Und Attentäter, etwa von der IS-Terrormiliz, die im Namen Allahs morden? In jedem Land gebe es gute, aber auch schlechte Menschen, sagt Fayez. Diese Fehler könne man nicht am Islam festmachen – Allah befehle vielmehr einen friedfertigen Umgang mit anderen Religionen. Und Fayez gibt ein Beispiel, wie barmherzig sich der Prophet Mohammed gegenüber jenen verhalten habe, die ihn verletzten. „Ein jüdischer Nachbar warf jeden Tag seinen Müll vor die Tür des Propheten. Als Mohammed aber eines Tages aus dem Haus ging und keinen Abfall vor seiner Tür vorfand, sorgte er sich um den Nachbarn und besuchte ihn.“

Inzwischen ist es 13.10 Uhr. Ein paar hundert Männer sind zum Freitagsgebet erschienen. Ein Vorbeter preist Allah mit klarem arabischem Gesang. Als das Gebet kurz darauf beginnt, sind die Teppichunterlagen voll belegt. Zunächst wird arabisch gepredigt, dann aber auch deutsch. Es geht natürlich um den „gesegneten Ramadan“ und den „Verzicht auf körperliche Bedürfnisse, um Wohlsinnen von Allah zu erreichen“, wie Imam Kamal Abdallah vorbetet. Mehrfach ging es in den vergangenen Wochen um den Ramadan und die damit verbundenen Pflichten. „Wer sich das Paradies wünscht, soll sich auch darauf vorbereiten und seine Zeit sinnvoll nutzen. Als erste Schritte gelten die sofortige Unterlassung aller schlechten Taten und die Selbstdisziplin“, hieß es in einer anderen Predigt. Die entsprechenden Übersetzungen veröffentlicht der Islam-Verein seit einigen Wochen wöchentlich auf seiner Internetseite.

Verein der Potsdamer Muslime streitet Vorwürfe ab

Anlass war ein von dem Journalisten Constantin Schreiber in seinem Bestseller „Inside Islam“ beschriebenes Freitagsgebet in der Biosphäre. Dieses war aus dessen Sicht für muslimische Flüchtlinge integrationshemmend. Es sei ein zu konservativer Islam vermittelt worden. Zu einer ähnlichen Einschätzung kam auch der Landesverfassungsschutz. Der Verein hatte die Vorwürfe hingegen bestritten. In einer aktuellen Stellungnahme erklärte Vereinssprecher Habib Weide, Schreiber habe mit seinem Buch „viel Unheil“ angerichtet, man prüfe auch rechtliche Schritte. So seien einige Dinge „komplett falsch dargestellt“. So hatte Schreiber einen Predigtteil so verstanden, dass Religion wichtiger sei als wirtschaftlicher Erfolg: Dies könnte ein Integrationshindernis sein. Weide sagte, gemeint gewesen sei eine Aufforderung an die Muslime, nicht illegal schwarz arbeiten zu gehen – sondern sich fortzubilden, eine ehrliche Arbeit zu suchen.

Gleichwohl wirken manche Verhaltensweisen, auch beim Gebet, zumindest erklärungsbedürftig. Ein Beispiel: 13.30 Uhr kommen noch Nachzügler zum Freitagsgebet, darunter ein kleines Mädchen mit seinem Vater. Während er zu den anderen Männern beten geht, bleibt das Mädchen zurück, allein vor dem Gebetsteppich blickt es von hinten über die inzwischen auf Knien betenden Männer. Später sagt der Mann aus Mazedonien, seine Tochter habe er eben nur zum Zuschauen mitgenommen. Ansonsten ist auch keine Frau zu sehen. Vereinssprecher Weide. ein zum Islam konvertierter Potsdamer, erklärt, in seiner Religion sei das Freitagsgebet nur für die Männer verpflichtend, für Frauen lediglich erwünscht. „Wenn sie zum Beispiel noch kleine Kinder haben, ist das Gebet am Freitag nicht so wichtig.“ Dies sei insofern auch eine Erleichterung: „Und im Islam geht es darum, den Menschen das Leben einfacher zu machen.“ Zudem seien die Räumlichkeiten auch in der Biosphäre beschränkt, für die Frauen „vermutlich ein weiterer Grund fern zu bleiben.“ Mit neuen Gebetsräumen werde sich das hoffentlich ändern.

Es wird weiter nach neuer Moschee in Potsdam gesucht

Bekanntlich suchen Rathausspitze und Gemeinde seit Monaten nach einem Standort für eine neue Moschee oder zumindest Gebetsräume. Denn die auf Vermittlung der Stadt seit vergangenem Herbst bereitgestellte Biosphäre stellt auch nur ein Übergangsquartier dar. Damals musste die im Zuge der Flüchtlingskrise immer größer gewordene Gemeinde zum Freitagsgebet schon vor ihre eigentliche Moschee in der Straße Am Kanal ausweichen, viele Gläubige beteten auf dem Gehweg, es gab AfD-Proteste vor Ort. Nun wird hinter den Kulissen nach neuen Standorten gesucht. „Aber in Potsdam ist es eben schon sehr eng“, sagt Weide zu den Erfahrungen bei der Suche.

Ein Problem sind auch die relativ geringen Mittel der Gemeinde. Diese finanziert sich vor allem durch Spenden, beim Freitagsgebet steht eine Kollekte im Eingangsbereich. Doch viele Mitglieder, gerade Flüchtlinge, könnten nur kleine Beträge geben, so Weide. Zuletzt hatte das Landeskulturministerium aber 30 000 Euro für die Unterbringung der Gemeinde in Aussicht gestellt – und die Stadt zahlt für die Gebete in der kommunalen Biosphäre jeweils 1500 Euro Miete pro Woche. Gegen 14 Uhr ist das Gebet dort beendet. Die Teppiche werden zusammengelegt, zurück in die Moschee Am Kanal gefahren.

Gute Beziehungen zu allen Menschen - nicht nur zu Glaubensbrüdern

Geblieben ist der Syrer Mounes Al Ani. Er gehört zu den vielen Flüchtlingen, die sich inzwischen im Verein organisieren. 2015 kam er mit seinen beiden Kindern bei dem in Potsdam lebenden damaligen „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann unter, zuvor war Al Anis Frau bei der Überfahrt übers Mittelmeer nach dem Kentern ihres Bootes ertrunken (PNN berichteten). Inzwischen hat Al Ani mit einer neuen Frau eine Wohnung: „Wir sind wieder eine zu 90 Prozent normale Familie – trotz aller Traurigkeit, die im Herz bleibt.“ Seiner Religion hat er sich verstärkt zugewendet, parallel zu einem Bauingenieursstudium gibt er Religionsunterricht und lässt sich per Internet-Fernstudium zum Vorbeter ausbilden. Al Ani spricht viel von den Wohltaten Allahs – die aber auch Muslime verpflichten würden, bestimmte Gebets- und Fastenzeiten einzuhalten. Ebenso sei man verpflichtet, zu allen Menschen gute Beziehungen zu unterhalten – nicht nur zu Glaubensbrüdern. Doch wird nicht im Namen des IS selbst im heiligen Ramadan gemordet? Al Ani: „Diese Leute haben nichts von den Werten des Islam verstanden.“

Dieser Text erschien im Rahmen der Serie "Glaube in Potsdam". Wir machen darin die Vielfalt der Religion in Potsdam sichtbar - jeden Dienstag und Freitag stellen wir dabei eine neue Gemeinde vor. Lesen Sie am 16. Juni in den PNN mehr über die Evangelische Kirchengemeinde Marquardt.

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