Landeshauptstadt: Ein polnisches Menschenschicksal
Ausstellung über die 1942 in Potsdam zum Tode verurteilte Zwangsarbeiterin Bronislawa Czubakowska
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Am 6. Juni wird im Potsdamer Landtag eine Ausstellung über eine junge Frau eröffnet, von der bis zum vergangenen Jahr kein Abbild existierte. Ihr Name sagte kaum jemanden etwas. Die Verwandten der Polin wussten nicht, was aus ihr geworden ist. Das Vermächtnis der Katholikin war unerfüllt, ihr Schicksal weithin unbekannt. Sie war eine von vielen. Ermordet, verbrannt, verscharrt, vergessen.
In einem Buch der Potsdamer Historikerin Almuth Püschel über „Zwangsarbeit in Brandenburg“ erfuhr der Berliner Klaus Leutner erstmals etwas über die junge Polin Bronislawa Czubakowska. Sie leistete während des zweiten Weltkriegs Zwangsarbeit in einem Feinjute-Betrieb in Brandenburg (Havel). Leutner erinnerte sich, dass seine Tante Jahre später in dem Betrieb arbeitete. Er begann zu forschen – und mit ihm Schüler des Evangelischen Gymnasium Hermannswerder in Potsdam, aber auch Schüler aus Berlin, aus Brandenburg (Havel) und aus dem zentralpolnischen Zgierz. Diese Städte wurden Stationen des kurzen Lebens von Bronislawa Czubakowska, der jungen Frau, von der die Schüler aus Polen und Deutschland nun alles wissen wollten – Dank des Anstoßes von Klaus Leutner und mit Hilfe der Historikerin Almuth Püschel und von Jörg Kwapis vom Potsdamer Verein zur Förderung der antimilitaristischen Tradition. Eine sollte der Anonymität entrissen werden, sollte aus der Vielzahl der namenlosen Opfer des Nazi- Terrors emportauchen, sollte eine Geschichte erhalten und sogar ein Gesicht – obwohl ein Foto von ihr nicht existiert.
Der Anklage zufolge habe sie in der Feinjute-Fabrik einen Brand gelegt. Er wird schnell gelöscht und richtete keinen Schaden an. Die Strafkammer des Landgerichts in Potsdam verurteilt die 26-Jährige am 13. Mai 1942 zum Tode. Am 15. August, zu Mariä Himmelfahrt, wird die Katholikin in Berlin-Plötzensee mit dem Fallbeil hingerichtet. „Nach vorheriger Entblößung der Schultern wurde sie ohne Widerstreben auf die Richtbank gelegt.“ Das notieren die Henker im Hinrichtungsprotokoll, das die Schüler in den Akten fanden. In ihrem Abschiedsbrief schreibt Bronislawa Czubakowska an ihre Verwandten, sie mögen sich darum kümmern, dass ihre Überreste in Zgierz bestattet werden. Doch das geschieht erst 63 Jahre später. Zunächst kommt ihre Leiche in die Pathologie. Bei seinen Recherchen stößt Leutner im Bestattungsbuch des Friedhofs Berlin-Altglienicke auf eine Notiz „Anatomie Charité“ für ein Grab mit 80 Urnen. Ob eine von ihnen die Asche der Ermordeten aus Zgierz enthält ist ungewiss und gegenstandslos: Die Totenruhe darf nicht gestört werden. Daher nahmen die deutschen Schüler Erde, nicht Asche, von der Grabstelle in zwei Urnen mit auf ihre Reise nach Zgierz. Am 11. September 2005 erfüllten sie das Vermächtnis der Toten. Eine Urne wurde dem Grab der Mutter beigegeben, eine in ihrer Taufkirche aufgestellt. Mit dabei hatten sie eine Phantomzeichnung, die eine Polizeispezialistin nach den Beschreibungen der Leute anfertigten, die sie noch kannten. Am selben Tag eröffnete die Schüler eine Ausstellung mit den Ergebnissen ihrer Forschungen zum Leben und Sterben von Bronislawa Czubakowska. Diese Ausstellung kommt nun auch nach Potsdam. Jörg Kwapis sagt, sie ist für den Besuch von Schulklassen sehr geeignet.
„Ein polnisches Menschenschicksal – Das Leben und Sterben von Bronislawa Czubakowska aus Zgierz“ ist im Landtag Brandenburg vom 6. Juni bis 15. Juli 2006 zu sehen. Für Schulklassen gibt es museumspädagogisch konzipierten Führungen mit Diskussion. Anmeldung bei Susanne Marok unter Tel.: (0331) 70 22 001.
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