Homepage: Ein Selbstläufer
Der Abschlussfilm „Preußisch Gangstar“ von HFF-Absolvent Bartosz Werner wurde gleich mehrfach preisgekrönt
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Eigentlich war alles Zufall. Dass Bartosz Werner gerade über die drei Jungs aus dem brandenburgischen Buckow einen Film gedreht hat, der die Welt der Heranwachsenden am Rande Berlins, am Rande Brandenburgs, am Rande Deutschlands, am Rande der Gesellschaft so ungewöhnlich nah eingefangen hat. Für einen Kurzfilm hatte der ehemalige HFF-Student die Jugendlichen eigentlich gecastet. „Als wir merkten, wie grandios die drei sind, wollten wir mehr mit ihnen machen“, erzählt der junge Filmregisseur der sein HFF-Studium 2006 mit Auszeichnung abgeschlossen hat.
Am Ende stand der Film „Preußisch Gangstar“, der von den drei Jungs in der brandenburgischen Provinz erzählt, ziemlich kaputt, sehr krass, HipHoper mit tief hängenden Hosen, einigen Vorstrafen, viel Drogen und locker sitzenden Fäusten. Man sitzt mitten drin im Leben der Jungs – so unangenehm laut, provokant, verroht und aussichtslos dieses Leben auch scheint. Jedes dritte Wort ist „Alter“ und „Ey Mann“. Die HipHop-Band, die dem Film ihren Namen gab, gibt es wirklich. Die Jungs haben sich selbst gespielt. Und am Ende waren sie besser als die Profi- Schauspieler am Set. Zu Recht hat der Film bereits viele Preise erhalten, unter anderem den New Berlin Film Award 2007, den Max-Ophüls-Preis Preis für die beste Filmmusik 2007 und den Studio Hamburg Nachwuchspreis 2007.
Ein Zufall ist es auch, dass Irma-Kinga Stelmach, die mit Werner Bartosz Regie bei „Preußisch Gangstar“ geführt hat, ebenso wie er in Polen geboren wurde. Doch seine polnischen Wurzeln hätten mit seinen Filmen nichts zu tun, erklärt Bartosz Werner. Vielleicht komme das später einmal, aber im Moment interessiere ihn sein Geburtsland ebenso wenig wie die deutsch-polnischen Beziehungen.
Bartosz Werner wurde 1979 im polnischen Katowice geboren, mit acht Jahren kam er mit seinen Eltern nach Kiel. In Deutschland hat er den größten Teil seines Lebens verbracht, hier hat er seine Freunde. „Hier interessieren mich die Geschichten einfach stärker“, stellt er fest. Den deutschen Namen hat der Regisseur von seinem oberschlesischen Urgroßvater, noch heute lebt die Hälfte der Familie dort. Doch auch wenn seine Beziehung nach Polen immer weniger werden, weiß er, dass seine Herkunft ihn noch einmal beschäftigen wird. „Das wird noch mal kommen, das wird es nicht gewesen sein.“
Zurück nach Buckow. „Preußisch Gangster“ war Bartosz Werners Abschlussfilm. Dass er dafür mit seiner Regie-Kollegin so viele Lorbeeren geerntet hat, lag sicher auch an der ungewöhnlichen Nähe, die er zu seinen Laiendarstellern Robert Ohde, Mario Knofe und Benjamin Succow aufgebaut hat. Nur so konnte das Vertrauen entstehen, dass nötig war, damit sich die drei vor der Kamera schrankenlos selbst darstellen konnten. Wie man das erreicht? Acht Monate haben die beiden Regisseure mit den Jungs gemeinsam verbracht, mal wohnte man bei ihnen in Buckow, mal lebten sie bei den beiden HFF-Absolventen in Berlin. Während der Stoffentwicklung führten die Regisseure zahlreiche Interviews mit Jugendlichen, Eltern, Betreuern und Lehrern. „Auf dieser Grundlage haben wir ein Treatment geschrieben mit der Intention, drei möglichst authentische Figuren zu entwickeln.“
Der Rest war kein Problem mehr. „Wir wussten, wir habe die drei Charaktere, der Rest läuft von selbst“. Das Vertrauen, dass sie in die Darsteller setzten zahlte sich schließlich aus. Wenn sie mit ihren Kumpels auf Streifzug durch die Partynacht gehen, wenn einer von ihnen trotzig zum Arbeitsamt trottet, wirkt nichts nachgestellt. Der Film lebt von seiner Authentizität. „Egal wie viel Mist die drei gebaut haben, wir haben sie nie bloß gestellt oder zensiert“, erinnert sich der Absolvent. Das Ziel der beiden jungen Regisseure war es, den Jungs in die Seele zu schauen. So sollten Momente entstehen, in denen sich auch die Zuschauer etwas in den rauen Kerlen wiederfinden können. Das ist gelungen. „Am Ende bleibt die Wut und die Sehnsucht nach menschlicher Nähe“, sagt Bartosz Werner. Was über die Selbstdarstellung hinaus auch in der HipHop-Musik seinen Ausdruck fand. „Das war das i-Tüpfelchen für den Film.“
Die drei Jungs aus der Provinz – im Film Tino, Oli und Nico – sind stolz auf das Ergebnis, auch wenn sie sich bis auf ihr Innerstes vor dem Zuschauer geöffnet haben. Bei den Auftritten auf Filmfestivals haben sie sich dann in ihrem jungen Ruhm gesonnt. „Die drei stehen total auf dem Film“, sagt Werner. Sie fühlen sich nicht vorgeführt, eher im Gegenteil geschmeichelt, weil ihr Alltag zum Filmstoff erhoben wurde. Der Film kommt völlig ohne moralischen Zeigefinger aus, Gewalt und Drogenkonsum werden ohne Abstriche gezeigt, ohne allerdings zu verherrlichen.
Der Film (jetzt auch als DVD erhältlich) wurde mittlerweile auch an Schulen gezeigt. „Dabei waren eher die Lehrer schockiert, als die Schüler“, erinnert sich Bartosz Werner. Zumindest an den Realschulen habe der Film den Nerv der Schüler getroffen. „Erschreckend nur, dass die Schüler so etwas schon normal finden.“ Bei einigen Vorführungen war der Darsteller Robert mit dabei. Er gab den Schülern mit auf den Weg, nicht „so einen Scheiß zu machen“ wie er, besser sei es, die Ausbildung fertig zu bringen. Den Nerv der Zeit traf „Preußisch Gangstar“ dann auch bei seiner Premiere in Locarno. „Die Leute waren total begeistert und haben festgestellt, dass bei ihnen das Gleiche mit den Jugendlichen passiert.“
Und was macht man nach so einem Film? Einen Liebesfilm natürlich. Etwas ganz unverfängliches im Stil einer Komödie schwebt Bartosz Werner vor. Doch ganz so unverfänglich wird es wohl nicht werden. Denn alles wird sich um eine peinliche Geschlechtskrankheit drehen. Bleibt abzuwarten, ob das dann wirklich so lustig wird.
Der Film im Internet:
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