Jüdisches Leben in Potsdam: Ein Stück Identität im Alter bewahren
In Drewitz soll demnächst Potsdams erste jüdische Wohngemeinschaft für Senioren eröffnet werden. Es ist ein wichtiger Schritt für Juden in Potsdam.
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Potsdam - Fast nichts unterscheidet die Räumlichkeiten im Erdgeschoss eines Plattenbaues in Drewitz von anderen modernisierten Plattenbauwohnungen. Nur die farbenfrohen und mit hebräischen Schriftzeichen versehenen Bilder im Flur weisen darauf hin, dass es sich trotzdem um eine Premiere handelt: Hier soll die erste jüdische Senioren-Wohngemeinschaft Potsdams eröffnen, am 30. November wird die Unterkunft mit elf Plätzen eingeweiht.
„Das ist bisher einmalig in Brandenburg“, sagt Dmitri Davidoff, der Vorstandschef der Potsdamer Mitzwa-Gemeinde und Initiator des Projekts. Mehr als ein Jahr Vorbereitung, Absprachen mit Behörden, dem Vermieter ProPotsdam, Handwerkern und Pflegediensten liegen hinter ihm. Jetzt ist der 40-jährige Unternehmer stolz auf das Erreichte. Zur Einweihung der jüdischen Wohngemeinschaft wird der Rabbiner Chaim Rozwaski die traditionelle Mesusa mit einem Tora-Spruch, die neben der Eingangstür hängen soll, segnen.
Es geht um Sprache, Küche und Kultur
Für betagte Juden ist die Situation in Potsdam und im Land schwierig, erklärt Davidoff: „Wer keine Familienmitglieder hat, landet oft in Krankenhäusern.“ Die Alternative seien reguläre Altenheime oder Einrichtungen in Berlin – beides sei nicht optimal: „Diese Menschen haben eine andere Mentalität und sie möchten auch im Alter ein Stück ihrer eigenen Identität bewahren.“ Das sei eine Frage der Sprache – viele der als Kontingentflüchtlinge aus der früheren Sowjetunion nach Brandenburg gekommenen Juden sprechen nur wenig Deutsch –, aber auch eine Frage der Küche oder eben des Glaubens.
Zwar könne vor Ort in Drewitz nicht koscher gekocht werden, es bestehe aber die Möglichkeit, koscheres Essen liefern zu lassen, sagt Davidoff. Der soziale Dienst der jüdischen Gemeinde komme auch beispielsweise zu Lesungen aus der Tora zu Besuch. Bei der Gestaltung des Zusammenlebens wolle man sich nach den Wünschen der Bewohner richten.
Mieten auf sozialverträglichem Niveau
Die neue Wohngemeinschaft sei auch offen für nichtreligiöse Bewohner, betont Davidoff, der selbst 1994 als Jugendlicher aus Odessa nach Potsdam kam und heute hier mit seiner Frau und zwei Kindern lebt. Wer in der Einrichtung wohnen wird, hänge auch davon ab, welche Krankheiten er hat und ob die Betreuung von einem Pflegedienst gewährleistet werden kann. Denn es handelt sich ausdrücklich nicht um ein Heim, sondern eine Wohngemeinschaft, die von einem Pflegedienst betreut werden soll. Die Miete liege auf sozialverträglichem Niveau, sagt Davidoff – auch dank der Unterstützung der ProPotsdam.
Geld vom Staat habe es für das Projekt nicht gegeben – die Investitionen von rund 210 000 Euro zum Umbau der früheren Kita-Räume habe der Pflegedienst Veritas übernommen. Mit den künftigen Nachbarn im Haus sei man im Gespräch: Sie seien sehr hilfsbereit, sagt Davidoff. Wie die Zimmer aussehen sollen, können die künftigen Bewohner mitentscheiden. Auch ältere Paare könnten aufgenommen werden, sagt Davidoff. Die Nachfrage sei groß: Es gebe eine Warteliste.
Die Mitzwa-Gemeinde will langfristig auch eine jüdische Schule und Kita für Potsdam
Für den Vorstandschef der Mitzwa-Gemeinde ist die jüdische Senioren-WG nur der erste Schritt: Ziel sei es, irgendwann auch einen jüdischen Kindergarten oder eine jüdische Schule in Potsdam zu eröffnen, sagt Davidoff – die auch für Kinder anderen Glaubens offen sein sollen. „Es besteht großer Bedarf“, sagt Davidoff.
Weil man etwas verändern wolle und das jüdische Leben in Potsdam stärken, habe man 2014 auch die Mitzwa-Gemeinde mit Sitz im Reiterweg gegründet. 86 Mitglieder gehörten ihr mittlerweile an. Die Synagogen-Frage, über die die anderen jüdischen Gemeinden in der Landeshauptstadt bekanntlich seit Jahren streiten, sieht Davidoff pragmatisch. „Mir ist völlig wurscht, wie sie aussieht und wie viele Räume sie hat“, sagt er: „Für mich gilt nur der Grundsatz: Es muss eine Synagoge geben.“
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