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Landeshauptstadt: Ein Superheld aus Groß Glienicke

Wie der Potsdamer Thomas Leopold einen internationalen Comic-Wettbewerb gewann, seinen Job kündigte und sich als Zeichner selbstständig machte

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Der „Counselor“ sticht schon optisch unter den Konkurrenten hervor: Geradezu unscheinbar nimmt er sich gegenüber den vielen muskelbepackten Männern in hautengen bunten Fantasiekostümen aus. Mit der hellen Jacke, einer Stoffhose und einer dunklen Umhängetasche könnte er der harmlose Nachbar sein, der Mann von nebenan – wäre da nicht die rote Stoffmaske, die sein Gesicht unkenntlich macht. Und das rote Buch unterm rechten Arm: Es enthält das gesammelte Wissen der Menschheit, lesbar nur für ihn, den „Berater“, wie die mysteriöse Figur auf Deutsch heißt. Als Superheld springt er weltweit Menschen in Not bei – allein mit der Kraft des Wissens.

Erfunden hat den „Counselor“ der Potsdamer Thomas Leopold. Ein gutes Jahr ist es her, dass der 38-Jährige sich damit beim internationalen Talentwettbewerb der renommierten Stan Lee Foundation gegen 1700 Mitbewerber durchsetzte. Der Award – eine Glasskulptur, die Leopold im Sommer von Marvel-Zeichner-Legende Stan Lee überreicht bekam – steht jetzt auf einer Kommode im zum Atelier umfunktionierten Dachgeschoss des Hauses in Groß Glienicke, das Leopold mit seiner Frau vor drei Jahren bezog. Nach dem Erfolg kündigte er seinen Job beim Software-Unternehmen Oracle und setzt nun alles auf eine Karte: Das Comiczeichnen.

„Wenn ich es jetzt nicht mache, dann nie“, sagt der gebürtige Berliner, der in Osterode am Harz aufgewachsen ist. Den Ausschlag für den Schritt in die Selbstständigkeit gab der Preis: „Das war wie ein Sechser im Lotto.“ Er verschaffte Leopold, der unter dem Namen Tomppa zeichnet, die nötigen Kontakte in die Branche – etwa mit der Einladung zur Comic-Messe im kalifornischen San Diego. Dort bewarb er sich mit seinem „Counselor“ bei US-Verlagen.

Mit Erfolg: Der Potsdamer, der bereits auf eigene Kosten drei Comic-Hefte um den Berliner Helden „Engel“ herausgegeben hat, kam mit dem Online-Verlag Arch Enemy ins Geschäft. Jetzt arbeitet er in Groß Glienicke am ersten Abenteuer, in dem es der „Berater“ mit einer Verschwörung gegen das Weiße Haus aufnimmt. Den Text schreibt Robert Heracles.

„Wir steigen gleich ganz oben ein“, sagt Thomas Leopold und lächelt. Dass man die zurückhaltenden Züge des „Beraters“ an ihm wiedererkennt, ist keine Einbildung: Denn Leopold nahm ein Foto von sich als Grundlage, wie er verrät. „Meine Freunde haben gesagt: Das bist doch du“, erzählt er. Ende Mai will er die fertigen Entwürfe dem Verlag schicken, bis zum Spätherbst sollen zwei weitere Hefte folgen. Parallel arbeitet er mit dem Autor Perrudja an „Sachswulf“, einem Comic, der den Leser ins 7. Jahrhundert mitnimmt. Es geht um eine Liebesgeschichte mit Fantasy-Elementen.

Seinem Jugendtraum näherte Leopold sich vor sechs Jahren mit einem Kurs in Berlin. „Gezeichnet habe ich schon immer gern“, sagt er. Aber aus dem Kunststudium wurde nichts, stattdessen studierte er Betriebswirtschaftslehre, begann eine Karriere bei Oracle. Als er auf den Comic-Kurs stößt, bleibt es zunächst ein Hobby: Thomas Leopold lernt ein Jahr lang jeden Samstag, wie man Geschichten mit Bildern erzählt. Im Kurs entsteht auch die Figur des „Engels“, den Leopold auf drei Abenteuer geschickt hat. „Meine Kollegen waren die ersten Abnehmer“, sagt er.

Etwa zwei Monate Arbeit stecken in einem Heft mit 22 Seiten: Leopold fertigt zuerst am Rechner Skizzen an, zerlegt die Handlung in einzelne Bilder. Bevor er die dann mit Bleistift und Gouache-Farben ins Reine zeichnet, sammelt er „Referenzen“: Spielt eine Szene zum Beispiel im Weißen Haus, sucht er im Internet nach Fotos zur Einrichtung. Für die Figuren fotografiert Leopold sich selbst, um die Posen lebensecht treffen zu können.

Der „Berater“ und „Sachswulf“ sind für den 38-Jährigen die Feuerprobe seiner Comic-Karriere: Wenn sich der Job bis Ende des Jahres auszahlt, will er weitermachen, sagt er. „Ansonsten suche ich mir wieder einen anderen Job.“

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