
© Maurizio Gambarini/dpa
Streit um Podiumsdebatte in Potsdam: „Ein Tiefpunkt für das demokratische Miteinander“
Die Absage der Podiumsdiskussion im Bildungsministerium in Potsdam sorgt weiter für kontroverse Debatten – auch innerhalb der Potsdamer Linken.
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Potsdam - Die Absage der Podiumsdiskussion des Landesschülerrats nach Drohungen aus der linken Szene Potsdams sorgt für kontroverse Reaktionen. „Für das demokratische Miteinander ist das ein absoluter Tiefpunkt“, erklärte am Mittwoch etwa der Vorsitzende des Bildungsausschusses der Stadtverordneten, Clemens Viehrig (CDU/ANW). „Eine Chance, Populisten gemeinsam zu entlarven, wurde damit vertan.“ Der Streit um die Podiumsdebatte hatte sich an der geplanten Teilnahme der Jugendorganisation der rechtspopulistischen AfD entzündet. Linke Gruppen wie die Emanzipatorische Antifa Potsdam hatten wegen der AfD-Beteiligung mit Störungen gedroht und wollten die Veranstaltung verhindern – nach den heftigen Ausschreitungen in Hamburg ausgerechnet unter dem Motto „G20-Aftershow“.
Bei dem Thema gehen bei der Potsdamer Linken die Positionen auseinander. Kritik an den Aufrufen aus der linken Szene, den Auftritt der AfD zu verhindern, äußerte Sascha Krämer, der bis vor Kurzem noch Potsdamer Linke-Kreischef war und zurzeit in Südafrika lebt. „Es ist besser, die AfD-Jugend inhaltlich zu stellen, als sie als selbsternannte Märtyrer rumrennen zu lassen“, sagte er den PNN. Bei der Veranstaltung hätten sich junge Erstwähler angesichts der Bundestagswahl im September über die verschiedenen Parteien informieren können.
Vorsitzender der AfD-Jugend spricht von "linken Staatsfeinden"
Krämers Nachfolgerin Kati Biesecke ist bei ihrer Positionierung längst nicht so deutlich. Sie halte Proteste gegen öffentliche Auftritte der AfD und ihrer Jugendorganisation für legitim und wichtig, sagte die Linke-Chefin. Denn menschenverachtende und faschistische Positionen in der AfD seien offenkundig, gerade der Landesverband habe sich hier mehrfach hervorgetan: „Toleranz findet da ihre Grenzen, wo sie Intoleranz und Menschenfeindlichkeit ein Podium schafft.“ Wo immer derartige Positionen in die Öffentlichkeit getragen würden, werde man dem entschlossen entgegentreten. Daher sei es auch problematisch, wenn AfD-Vertretern in Schulen und vor jungen Menschen ein Podium geboten werde. Darin werde eine „schleichende Verschiebung der öffentlichen Debatte“ deutlich, so Biesecke – schließlich habe es zum Beispiel Anfang der 2000’er Jahre einen Konsens gegeben, Positionen von NPD und DVU keinen Raum zu geben. Gleichwohl gehe es nicht darum, Veranstaltungen zu verhindern, so Biesecke. Es gehe aber darum „deutlich zu machen, dass es Positionen und Parteien gibt, die sich außerhalb des demokratischen Spektrums bewegen und die deshalb auf Podien, die die Demokratie stärken sollen, eigentlich nichts zu suchen haben.“
Das sieht die AfD-Jugend anders. Deren Landesvorsitzender, der Potsdamer Stadtverordnete Dennis Hohloch, teilte mit: „Ob Hamburg oder Potsdam – überall zeigen die linken Staatsfeinde ihr undemokratisches Verhalten und unterdrücken andere Meinungen, wo es ihnen möglich ist.“ Linke Extremisten würden die Werteordnung mit Füßen treten, so Hohloch. Zugleich stellte er eine kleine Anfrage an die Potsdamer Stadtverwaltung, welche in Potsdam ansässigen Organisationen und Vereine an den Demonstrationen rund um den G20-Gipfel teilgenommen hätten.
Verfassungsschutz sieht in Potsdam die größte autonome Szene in Brandenburg
Allerdings liegen laut einer Sprecherin der Staatsanwaltschaft Hamburg keine Erkenntnisse zur Beteiligung von Potsdamern an den Krawallen vor. Die Ermittlungen würden jedoch noch laufen. Eine beträchtliche Zahl der bei den heftigen Ausschreitungen festgenommenen Deutschen habe keinen festen Wohnsitz angegeben.
Gleichwohl ist von Potsdam aus auch auf martialische Weise zu dem Gipfel-Protesten mobilisiert worden. So heißt es auf der Seite der Emanzipatorischen Antifa eindeutig: „SmashG20“. Ohnehin gilt Potsdam seit Anfang der 1990er-Jahre als Hochburg der linken Szene. Auch im aktuellen Bericht des Verfassungsschutzes – allerdings für das Jahr 2015 – heißt es, die zahlenmäßig stärkste autonome Szene Brandenburgs existiere in Potsdam, mit 75 Personen. „Die Szene rekrutiert sich zum Teil aus der Studentenschaft, die fluktuationsbedingte Abgänge teilweise ausgleicht“, heißt es in der Einschätzung weiter. Damit sei auch ein Rückgang der Gewaltbereitschaft feststellbar gewesen. Die Szene konzentriere sich in Potsdam vor allem auf den „Kampf um Freiräume“ und die staatliche Subventionierung von „Wohn- und Kulturobjekten“. Landesweit gebe es 500 Linksextreme, hieß es am Mittwoch aus dem Innenministerium. Davon seien 210 Personen gewaltbereit.
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Lesen Sie weiter: Das Gezerre um eine eigentlich selbstverständliche Diskussion nützt der AfD-Jugend, denn sie kann nun ihre gewünschte Opferrolle einnehmen. Die Gesprächsblockade der Linken ist deshalb fehl am Platz, meint PNN-Autor Henri Kramer in seinem Kommentar.
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