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Potsdam verbunden. Der Zeitungswissenschaftler Hans Traub heiratete 1930 in der Garnisonkirche – später baute er die Ufa-Lehrschau in Babelsberg auf. Das Backsteingebäude, in dem die Ausstellung und das Archiv der Lehrschau untergebracht waren, steht noch heute. Traub starb am 18. Dezember 1943 42-jährig an den Spätfolgen einer Blutvergiftung. Zum Verbleib der Ufa-Lehrschau gibt es nur Gerüchte.

© Deutsches Filminstitut-DIF/Frankfurt (l.), Andreas Klaer

Vorreiter für moderne Filmarchive: Ein Vergessener

Hans Traub baute in Babelsberg die Ufa-Lehrschau auf – eine Art Vorreiter für moderne Filmarchive und -museen. Am heutigen Mittwoch jährt sich sein Todestag.

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Sein Name ist heute selbst Insidern kaum ein Begriff. Das war zu Lebzeiten von Hans Traub anders: Die von ihm gegründete Ufa-Lehrschau auf dem Babelsberger Filmgelände war in den 1930er-Jahren ein Prunkstück der Studios und Besuchermagnet, selbst Hollywood-Schauspieler Gary Cooper war dort zu Gast. Die Lehrschau – eine Art Mischung aus Filmmuseum, Filmarchiv und Filminstitut – kann als Vorreiter für moderne Filmarchive und -museen gelten, Traub selbst mit seinen theoretischen Arbeiten als einer der Pioniere der Filmwissenschaft. „Er ist ein Vergessener“, sagt Rolf Aurich, der als Lektor und Redakteur an der Kinemathek Berlin arbeitet, über den Filmmann aus Potsdam. Am heutigen Mittwoch jährt sich Traubs Todestag zum 70. Mal.

Bei seinen Arbeiten zur Geschichte der Kinemathek sei er in den vergangenen Jahren immer wieder auf den Namen Traub gestoßen, berichtet Aurich, selbst auch Potsdamer. Das Leben und Wirken von Traub sei bisher jedoch kaum erforscht. Im Archiv etwa der Kinemathek, die am Potsdamer Platz in Berlin sitzt, liegen die Tagebücher, von Traubs Sohn aus den USA erhielt die Kinemathek zudem fragmentarische Satzfahnen für ein „Wörterbuch des Films“, dessen Veröffentlichung nach 1941 aus unklaren Gründen scheiterte und das das erste Werk dieser Art überhaupt gewesen wäre.

Geboren wurde Hans Traub 1901 als Sohn eines evangelischen Pfarrers in Schwäbisch Hall. Sein Vater wurde später deutsch-nationaler Politiker und saß im Aufsichtsrat der Ufa – die familiären Verbindungen sollten Hans Traub bei seiner Karriere helfen. Mit der zunächst angestrebten wissenschaftlichen Laufbahn in der Zeitungskunde wollte es nicht klappen – dabei könnten auch die in der Weimarer Republik bereits aufkeimenden Ressentiments gegen Juden – Traub galt den Nazis mit einem jüdischen Großelternteil als „Vierteljude“, verlor deshalb 1937 schließlich seine Lehrbefugnis – eine Rolle gespielt haben, vermutet Aurich. Traub schrieb eine Doktorarbeit in seinem Fachgebiet und veröffentlichte als Assistent am Deutschen Institut für Zeitungskunde Berlin zahlreiche Aufsätze.

Schon in dieser Zeit muss er auch Verbindungen nach Potsdam gepflegt haben: Denn am 3. Juni 1930 heiratete er in der Garnisonkirche seine Frau Hedwig, eine gebürtige Breslauerin, wie Aurich entdeckte. Für die Ufa war Traub zu dieser Zeit noch nicht tätig.

Aurich geht davon aus, dass die Ufa-Lehrschau ab 1932 aufgebaut wurde. Den wissenschaftlichen Auftrag dafür bekam Traub gemeinsam mit dem Ufa-Mitarbeiter Oskar Kalbus vom damaligen Ufa-Generaldirektor Ludwig Klitzsch. Der Job sei für Traub „eine Art Lebensversicherung“ gewesen, meint Aurich. Bis zu zehn Mitarbeiter könnte es bei der Institution gegeben haben, so seine Schätzung. Untergebracht war sie in einem Backsteingebäude auf dem Studiogelände, das heute noch existiert.

Das Institut sollte der Ufa dazu dienen, das Filmen preiswerter zu machen, erklärt Aurich: Anhand aktueller Filmtechnik von der Kamera bis zur Kopiermaschine sollte die praktische und theoretische Ausbildung für die verschiedenen neuen Berufe im Filmbereich gesichert werden. Ein Filmarchiv sollte Filmmaterial katalogisieren und zur Wiedernutzung leicht auffindbar machen. „Beim Film ist Zeit Geld“, sagt Aurich.

Die Lehrschau wandte sich aber nicht nur an Fachleute, sondern auch an eine breite Öffentlichkeit. Bekannt ist etwa, dass Soldaten auf Heimaturlaub die Einrichtung besuchten – und eben Hollywood-Star Gary Cooper sich die Räume ansah. „Wie ein aufgeblättertes Lehrbuch des Films“ sei die Lehrschau aufgebaut gewesen, erklärt Aurich.

Von den Fotos aus einem rund 60-seitigen Ausstellungsführer weiß er, wie es dort ausgesehen hat: In den Vitrinen wurde aktuelle und historische Filmtechnik gezeigt, Schaubilder verdeutlichten Schritt für Schritt, wie ein Film entsteht. Komplettiert wurde das mit Szenenfotos aus Filmen der damaligen Zeit.

Auch eine Fachbibliothek mit Büchern und Fachliteratur aus Zeitschriften gehörte zur Lehrschau. Traub verfasste auch gemeinsam mit einem Fachkollegen eine „Bibliographie zum deutschen Filmschrifttum“. Aurich beschreibt Traub als „messerscharfen Denker“, der an klaren und überprüfbaren Definitionen für das Gebiet des Films arbeitete.

Dritter Teil der Lehrschau war das Archiv: Es umfasste ein gut katalogisiertes Produktionsarchiv mit Filmen, ein Fotoarchiv und ein Tonarchiv. „Ein Vorbild dafür gab es weltweit nicht“, sagt Rolf Aurich. Auch durch die Zensur herausgeschnittenes Filmmaterial wurde archiviert.

Was mit all dem Material passierte, gehört zu den ungelösten Fragen: „Das ist ein kleiner Krimi, viele suchten danach“, sagt Aurich. Die Bibliothek soll bei einem Luftangriff zerstört worden sein – dennoch finden sich heute deutschlandweit verteilt noch Bände mit dem Stempel. Zum Verbleib der Ausstellung und des Archivs gibt es nur Gerüchte: Angeblich soll das Material am Ende des Zweiten Weltkriegs mit Lkws aus Babelsberg weggeschafft und an verschiedene Orte gebracht worden sein, heißt es. Aurich selbst verfolgte eine Spur ins thüringische Heiligenstadt, wo Teile der Ufa-Lehrschau in einer Mühle versteckt worden sein sollten. „Im Stadtarchiv wusste man davon nichts“, sagt Aurich.

Der Lehrschau-Gründer starb am 18. Dezember 1943 an den Spätfolgen einer Blutvergiftung, die er sich beim landwirtschaftlichen Hilfsdienst während des Ersten Weltkriegs zugezogen hatte. Er hinterließ seine Frau und drei Kinder. Hedwig Traub starb 1996, die Kinder leben heute in den USA. Beigesetzt wurde Traub auf dem Zehlendorfer Friedhof in der Onkel-Tom-Straße.

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