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Homepage: „Eine Art innovativer Harakiri“ Kompetenzverlagerung stößt auf Kritik

Von Jan Kixmüller Im Kompetenzstreit zwischen der designierten Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) und dem zukünftigen Bundeswirtschaftsministerium war in dieser Woche eine Entscheidung gefallen. Demnach sollte die Raumfahrttechnik sowie vier Referate aus dem Bereich Neue Technologien – Nanotechnologie, optische Technologien, Mikrosystemtechnologie sowie Produktionssysteme und -technologien – ans Wirtschaftsressort gehen.

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Von Jan Kixmüller Im Kompetenzstreit zwischen der designierten Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) und dem zukünftigen Bundeswirtschaftsministerium war in dieser Woche eine Entscheidung gefallen. Demnach sollte die Raumfahrttechnik sowie vier Referate aus dem Bereich Neue Technologien – Nanotechnologie, optische Technologien, Mikrosystemtechnologie sowie Produktionssysteme und -technologien – ans Wirtschaftsressort gehen. Der Präsident der Leibniz-Gemeinschaft, Hans-Olaf Henkel, hatte zuvor schon die Idee, angewandte und Grundlagenforschung trennen zu wollen, als „reichlich wirklichkeitsfremd“ bezeichnet. Durch den Rückzug des designierten Wirtschaftsministers Edmund Stoiber (CSU) kommt nun wieder Bewegung in die Debatte. Der SPD-Forschungspolitiker Jörg Tauss forderte gestern, die Verlagerung zu überprüfen. Das Kompetenzengerangel hatte auch an den Potsdamer Forschungsinstituten für Unmut gesorgt. „Eine Kompetenzseparation von Grundlagen- und angewandter Forschung wäre eine Art innovativer Harakiri“, äußerte Prof. Klaus G. Strassmeier, Direktor am Astrophysikalischen Institut Potsdam (AIP) gegenüber den PNN. „Die Fragestellungen und Anforderungen der Grundlagenforschung seien andere als die des Marktes. „Sie sind nicht vom Konsumverhalten beeinflusst und zielen auf die Beantwortung einer konkreten wissenschaftlichen Fragestellung“, betont der Astrophysiker. Dabei komme es manchmal zu technologischen Entwicklungen, die vorerst scheinbar nicht „verwertet“ werden können und erst wesentlich später „wiedererfunden“ werden. Da es allerdings in vielen Bereichen auch ohne Technologieentwicklung kein Weiterkommen gäbe, plädiert Strassmeier für eine enge Verzahnung von Grundlagenforschung mit Technologieentwicklung. Beispielhaft dafür seien das europäische Kernphysik-Labor CERN oder die Europäische Südsternwarte ESO. Das AIP unternehme Anstrengungen um astrophysikalische Grundlagenforschung mit der Entwicklung etwa neuer optischer Technologien zu verbinden. „Was wirklich nötig wäre, wäre ein höherer Stellenwert der Wissenschaft und Forschung in der deutschen Gesellschaft“, ergänzte Strassmeier. Dafür sei die Politik zuständig. „Die Kompetenzcluster sind hier ein Weg in die richtige Richtung: aber bitte gemeinsam, nicht gegeneinander.“ Eine Verlagerung der vorgesehenen Forschungsfelder ins Wirtschaftsministerium würde sich nachteilig auf die Hochschulforschung auswirken, meint auch der kaufmännische Direktor des Hasso Plattner Instituts (HPI), Prof. Justus Woydt. Der Einfluss der industriellen Forschung würde sich dadurch weiter verstärken, so wie seit Jahren schon auf europäischer Ebene. Eine Trennung zwischen Grundlagenforschung und angewandter Forschung hält Woydt für nicht sachgerecht: „Dies gilt vor allem für die Ingenieurwissenschaften.“ Auch am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Golm sieht man den „Bedeutungsverlust“ des Bundesforschungsministerium mit Sorge. „Gerade auf dem Gebiet der Nanowissenschaften, wo zur Entwicklung einer Technologie noch viel Grundlagenforschung erforderlich ist, kann eine Aufteilung der Kompetenzen auf zwei Ministerien nur schädlich sein“, sagte Prof. Helmuth Möhwald, Direktor am Max-Planck-Institut. Ähnlich kritisch äußerte sich der geschäftsführende Direktor des Max- Planck-Instituts für Molekulare Pflanzenphysiologie, Prof. Mark Stitt. Bisher sei ihm nicht klar geworden warum es notwendig ist, Grundlagenforschung und Angewandte Forschung voneinander zu trennen und die Verantwortlichkeiten auf zwei Ministerien aufzuteilen. „Bei einer Aufteilung könnten Probleme bei der Koordination und Bewertung von Programmen und Projekten entstehen“, befürchtet Stitt. Auch könnten Überschneidungen und Doppelungen bei Programmen und mehr Bürokratie die Folge sein.

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