
© A. Klaer
Von Henri Kramer: Eine fehlte
Die Potsdamer Bundestagskandidaten diskutierten im Club 18 – die große Spannung blieb aus
Stand:
Die Atomkraft und ihre Zukunft holen Katherina Reiche auch in Potsdam ein. Denn in der CDU-Bundestagsfraktion ist die 36-Jährige für Energiepolitik zuständig – und die Debatte über Endlager und Sicherheitsrisiken hat sie am Mittwochabend eine Diskussion von Potsdamer Bundeskandidaten im Club 18 im Wohngebiet Stern verpassen lassen. Reiche musste zu einer Talk-Show unter dem Motto „Strahlende Zukunft – Können wir auf Atomkraft verzichten?“ nach Berlin zum Fernsehsender Phoenix fahren. Ein Vertreter aus der Potsdamer CDU-Spitzenriege als Ersatz fand sich nicht.
Die Absage der Christdemokraten führte zu einem ersten Grummeln bei den rund 50 Gästen, die in den Flachbau in der Pietschkerstraße gekommen waren. Und so blieb es an dem in Potsdam weithin unbekannten FDP-Kandidaten Jan Syre hängen, für die Zeit nach dem 27. September um eine schwarz-gelbe Koalition zu werben. Es war kein einfaches Unterfangen gegen mit Potsdam vertraute Politiker wie Cornelia Behm von den Grünen, SPD-Bundestagsabgeordnete Andrea Wicklein oder Linke-Zugpferd Rolf Kutzmutz – denn Thema der Runde war vor allem, wie sich Bundespolitiker für die Landeshauptstadt und die Region einsetzen können. Syre fiel da wenig ein. „Ich will aber dieser Region auch nach der Wahl erhalten bleiben und mich für sie einsetzen“, so der 46-jährige Syre.
Konkreter konnte da die 51-jährige Wicklein werden, die schilderte, dass 27 Potsdamer Schulen vom Ganztagsprogramm der rot-grünen Regierung profitieren konnten – und dass es Bundespolitikern unbenommen sei, regionale Unternehmen auf neue staatliche Förderinstrumente hinzuweisen. Der 62-jährige Kutzmutz und die 57-jährige Behm verwiesen etwa auf den Widerstand gegen den Ausbau des Sacrow-Paretzer-Kanals, ebenso auf den Einsatz für ein Moratorium, um den Verkauf von Binnengewässern an private Eigentümer zu verhindern – in Potsdam hat dies zum Beispiel den Fahrländer See vor dem Verkauf bewahrt.
Angesichts der Selbstdarstellung blieb die Diskussion zunächst konfliktarm – bis zum Thema Mindestlohn. Auch hier blieb Syre isoliert mit seinem Satz, er vertraue lieber auf „das freie Spiel der Kräfte“. Die anderen Politiker geißelten diese Meinung, es müsse eine Grenze geben, wie niedrig ein Lohn sein dürfe. Kutzmutz sieht diese bei acht Euro, Wicklein und Behm wollen bei dieser Festlegung auf eine Kommission vertrauen.
Einigkeit unter den Politikern herrschte dagegen bei der Frage, ob nach dem mutmaßlichen S-Bahn-Mord von München das Strafrecht für Jugendliche verschärft werden müsse: Hier stritten sie sich gar mit dem Publikum. „Warum gibt es maximal nur zehn Jahre für einen Mord?“, fragte ein junger Mann hörbar empört. Direkt antwortete keiner darauf. Doch alle Politiker gaben sich überzeugt, dass das aktuelle Jugendstrafrecht ausreiche – dass aber die Zeitspanne, bis gerade junge Leute nach einer Straftat verurteilt werden, noch viel zu lang bemessen sei. „Da müssen wir für genügend Ausstattung bei der Justiz sorgen“, so Wicklein. Auch dies weckte Widerspruch. Ein Mann im Publikum erinnerte sich an Einsparungen bei der Polizei in Brandenburg: „Das war doch die SPD.“ Wicklein konterte, sie sei Bundespolitikerin. Sie könne den Kollegen in den Ländern nur Tipps geben, gerade bei der Polizei nicht weiter zu sparen und Polizisten gut sichtbar zu platzieren. Diese Präsenz sei für mehr Sicherheit wichtig, waren sich die Politiker einig. Wieder grummelte es, wieder ein Mann: „Wenn ich Polizisten sehe, dann sind die mit Blitzern beschäftigt.“ Manchmal sind die Stadt Potsdam und der Bundestag mehr als nur 25 Kilometer voneinander entfernt.
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