Potsdam: Eine Frage der Gewaltenteilung
FDP-Fraktionschef von der Osten-Sacken verlässt Hauptausschuss – wegen rechtlicher Bedenken
Stand:
Potsdam - Über Monate hinweg hat ein Mitglied des Potsdamer Hauptausschusses formal gegen das Prinzip der Gewaltenteilung verstoßen – und keinem ist es aufgefallen. Es geht um FDP-Fraktionschef Johannes Baron von der Osten-Sacken, der nicht nur Stadtverordneter, sondern auch Richter am Landgericht ist. Diese Doppelfunktion ist genau das Problem: Zwar könne ein Richter in einer Kommunalvertretung wie der Stadtverordnetenversammlung einfaches Mitglied sein, sagte die Sprecherin des brandenburgischen Justizministeriums Christiane Weis auf PNN-Anfrage. Regelmäßig als unzulässig erachtet werde aber die Zugehörigkeit in bestimmten herausgehobenen Kommunalorganen – wie dem Hauptausschuss, der etwa auch über Finanzangelegenheiten jenseits der breiter besetzten Stadtverordnetenversammlung entscheidet.
Inzwischen ist der Verstoß behoben. Von der Osten-Sacken kündigte gegenüber den PNN an, er werde seinen Sitz im Hauptausschuss aufgeben. Am Montag werde er mit seiner Fraktion über die Nachfolge sprechen. Sein Dienstherr habe rechtliche Bedenken geäußert, so der Politiker. Beim zuständigen Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg war am Wochenende kurzfristig niemand zu dem Fall zu erreichen. Von der Osten-Sacken sitzt seit rund einem Jahr im Hauptausschuss. Er war Nachfolger der früheren FDP-Fraktionschefin Martina Engel-Fürstberger, die das Stadtparlament auf eigenen Wunsch verlassen hatte.
Auslöser für von der Osten-Sackens Rücktritt war seinen Worten nach auch eine vor zwei Wochen gestellte Anfrage der PNN an das Landesjustizministerium zur Vereinbarkeit eines Richteramts mit einem Mandat in der Stadtverordnetenversammlung. Danach habe sich sein Dienstherr an ihn gewandt und seine Bedenken geäußert, so von der Osten-Sacken: „Dem füge ich mich.“ Gleichwohl sei er anderer Auffassung, so der FDP-Mann. Überrascht über die rechtliche Wertung zeigte sich auch Stadtpräsident Peter Schüler (Grüne), der bei von der Osten-Sackens Berufung geprüft hatte, ob sich das Richteramt und die Mitgliedschaft im Hauptausschuss miteinander vertragen. Für ihn seien die Gründe für den Rückzug nicht nachvollziehbar, sagte Schüler am Samstag den PNN.
Dagegen hatte das Verwaltungsgericht Cottbus 2008 geurteilt, dass in Brandenburg kein Richter Mitglied eines Kreisausschusses sein dürfe – dieses Gremium ist in den Landkreisen dasselbe wie der Hauptausschuss in Städten. So müsse der bloße Anschein mangelnder Distanz und Neutralität der Richterschaft vermieden werden, heißt es in dem Urteil, bei dem es um einen Amtsrichter ging, der Vize-Kreistagsvorsitzender werden wollte. Das Gericht beruft sich auf das Richtergesetz, wonach Richter im Interesse ihrer Unabhängigkeit keine Aufgaben der rechtssprechenden und der gesetzgebenden oder vollziehenden Gewalt wahrnehmen dürfen.
Ministeriumssprecherin Weis sagte, nicht untersucht habe das Gericht die Frage, ob ein Richter überhaupt in einem Kommunalparlament tätig sein dürfe. Das sei umstritten – und eine höchstrichterliche Klärung dieser Frage fehle. Doch gebe es in der Rechtssprechung Zweifel an der Vereinbarkeit eines Richteramtes mit einem Mandat, räumte Weis unter Verweis auf ein weiteres Urteil des Aachener Verwaltungsgerichts ein. In Brandenburg und auch anderen Bundesländern werde diese Doppelfunktion aber regelmäßig nicht beanstandet. Denn ausdrücklich habe der Gesetzgeber die Wählbarkeit von Richtern in Kommunalvertretungen nicht beschränkt – denn dabei gehe es vorwiegend um politische Gestaltung, nicht aber die Verwaltung. Anders wiederum sei die Mitgliedschaft in Ausschüssen mit Verwaltungsaufgaben zu bewerten – also eben der Hauptausschuss.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: