Analyse: Potsdam nach der Wahl: Eine Gewinnerin, viele Verlierer
Nach der Wahl beginnen die Parteien in Potsdam mit der Analyse. Nur die CDU hat wahren Grund zur Freude.
- Henri Kramer
- Katharina Wiechers
Stand:
Als die Stimmenanteile für die CDU in ihrem traditionell roten Wahlkreis immer weiter anstiegen, glaubte Potsdams Statistik-Chefin Heike Gumz zunächst, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. „Wir dachten erst an einen Systemfehler“, erzählte sie am Morgen nach der Wahl. Doch die Zahlen stimmten: Zum ersten Mal seit der Wende hat der traditionell sozialdemokratisch dominierte Potsdamer Wahlkreis 61 mehrheitlich die CDU gewählt. Dass Andrea Wicklein (SPD) in der Landeshauptstadt selbst dennoch vorn lag, ist nur ein Detail eines erstaunlichen Wahlabends. In den Parteien hat die Ursachensuche begonnen – schon im kommenden Jahr stehen in Potsdam Kommunal-, Landtags- und Europawahlen an.
Die CDU
Der CDU ist ein historischer Sieg gelungen, auch in Potsdam. Das Ergebnis war laut Statistikerin Gumz so gut wie noch nie, in 18 von 29 Stadtteilen holte die Union die Mehrheit. Die meisten Zweitstimmen holte die CDU mit 40,6 dabei in Uetz-Paaren, die wenigsten am Schlaatz (19,2). Als Direktkandidatin war Katherina Reiche angetreten (siehe Interview).
Die SPD
Bei den Zweitstimmen hat die SPD 0,6 Prozentpunkte verloren – und zugleich mit Bornim, Bornstedt, Babelsberg- Nord, Eiche und Jägervorstadt fünf Stadtteile an die Union. Die meisten Wähler hatte die SPD mit 31 Prozent in der Waldstadt I, unter 20 Prozent waren es hingegen in Uetz-Paaren und Satzkorn. Einen Trost zog SPD-Kandidatin Wicklein aus ihrem Erststimmen-Ergebnis, das 7,3 Prozentpunkte über dem Zweitstimmenergebnis ihrer Partei lag. Zudem kreuzten für Wicklein 5500 Potsdamer mehr an als noch 2009. Doch das reichte nicht, weil Konkurrentin Reiche 8000 Stimmen hinzugewann. „Dieses desaströse Ergebnis müssen wir ernst nehmen“, sagte Wicklein. Sie bleibt im Bundestag.
Die Linke
Die Linke hat in ihrer einstigen Hochburg Potsdam starke Verluste von knapp fünf Prozentpunkten hinnehmen müssen. Hatte die Partei 2009 noch in 17 Stadtteilen vorn gelegen, holte sie jetzt die meisten Stimmen nur in Drewitz, Am Stern, in der Waldstadt II, am Schlaatz, in der südlichen Innenstadt und in Potsdam-West. Allerdings: Auch in diesen Stadtteilen verbuchte die Linke zum Teil bis zu 13 Prozentpunkte weniger als noch 2009, als sie mit Spitzenkandidat Rolf Kutzmutz den Sieg im Wahlkreis um nur 201 Stimmen verpasste. Diesmal war die Linke mit dem zuvor weithin unbekannten Lehramtsstudenten Norbert Müller ins Rennen gegangen. Kreischef Sascha Krämer verteidigte die Entscheidung: „Für den Generationswechsel in der Partei braucht es Gelduld.“ Aus dem Ergebnis ließen sich keine Rückschlüsse für die Wahlen im nächsten Jahr ableiten: „Dann gibt es keinen Merkel-Faktor.“ Müller wird nach PNN-Informationen nun als Nachrücker für einen frei werdenden Sitz im Brandenburger Landtag gehandelt.
Die Grünen
Die Grünen haben in Potsdam 1,6 Prozentpunkte bei den Zweitstimmen verloren. „Wir sind nicht so heftig abgestraft worden wie anderswo“, sagte Kreischef Uwe Fröhlich. Die Hochburg der Grünen bleibt die Brandenburger Vorstadt, in der 17,9 Prozent für die Partei stimmten. In Drewitz entschieden sich dagegen nur 3,7 Prozent der Wähler für die Grünen. Als Direktkandidatin erreichte Landesvorsitzende Annalena Baerbock in Potsdam 8,2 Prozent, ihre Vorgängerin Cornelia Behm bekam vor vier Jahren noch 10,6 Prozent. Baerbock zieht über die Landesliste der Partei in den Bundestag.
Die FDP
Die Liberalen haben in Potsdam katastrophal abgeschnitten, verloren mehr als sechs Prozentpunkte. Bei den Erststimmen für die innerparteilich umstrittene Direktkandidatin Jacqueline Krüger kamen sie nicht über 1,6, bei den Zweitstimmen nicht über 2,7 Prozent. Noch am besten schnitten die Liberalen mit 5,7 Prozent der Zweitstimmen in der Nauener Vorstadt ab, am schlechtesten in Grube (0,9 Prozent). Aus Sicht von Fraktionschef Johannes von der Osten-Sacken lag dies am bundesweiten Negativ-Trend. Bis zur kommenden Kommunalwahl will er mit Themen wie der Attraktivität der Stadt als Gewerbestandort sowie Bildungsthemen punkten. Kandidatin Krüger war am Montag nicht zu erreichen, wird sich wohl aber wieder auf ihre Casting-Agentur konzentrieren.
Die sonstigen Parteien
4283 Potsdamer haben die Euro-kritische Alternative für Deutschland (AfD) gewählt, das entspricht 5,2 Prozent. Ihre höchsten Stimmenanteile erhielt die neu gegründete Partei dabei in Fahrland mit 9,4, Satzkorn mit 8,2 und Waldstadt II mit 7,9 Prozent. Einen Direktkandidaten hatte die AfD nicht aufgestellt. Gegen den schlechten Bundestrend konnten die Piraten auch in Potsdam nicht bestehen: Sie kamen auf 3,2 Prozent – einzig am Schlaatz kam die Partei mit 4,7 Prozent in die Nähe der Fünf-Prozent-Hürde. Ohne Chance blieb die rechtsextreme NPD, die ein Prozent in Potsdam erhielt – oder 944 Wähler.
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