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Ein Königreich für ein Schaukelpferd: Christian Scholz bestaunt das plüschige Mitbringsel der SPD-Bundestagsabgeordneten Andrea Wicklein (r.). Seine Eltern Mandy und Eberhard haben noch sechs weitere Kinder.

© Andreas Klaer

Von Peer Straube: Eine Urkunde vom Ex-Präsidenten

Christian Scholz aus Groß Glienicke hat einen besonderen Paten: Horst Köhler

Von Peer Straube

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Gross Glienicke - Christian Scholz’ Patenonkel ist seit drei Tagen politische Historie. Auf dem Tisch im Wohnzimmer liegt noch die Urkunde: „Hiermit übernehme ich die Ehrenpatenschaft“, steht da. Unterzeichnet von Horst Köhler, Bundespräsident, am 3. März 2010. Köhler ist bekanntlich zurückgetreten.

Dem quicklebendigen kleinen Kerl auf dem Schoß von Mutter Mandy ist das egal. Vergnügt strampelt er mit den Beinchen, die großen Kulleraugen fest auf das Schaukelpferd aus Plüsch gerichtet, das ihm die SPD-Bundestagsabgeordnete Andrea Wicklein mitgebracht hat. Der fast neun Monate alte Säugling ist das siebente Kind von Mandy Scholz, 33, und Eberhard Scholz, 63. Und das siebente Kind ist ein Anwärter für die Patenschaft des Bundespräsidenten. Auf Antrag. Christians Eltern haben das Formular ausgefüllt, 500 Euro gab’s einmalig und die Urkunde. Ansonsten hat die Patenschaft eher symbolischen Wert. Und sie ist übertragbar. Das nächste Staatsoberhaupt, wer auch immer es ist, wird sie erben. Gut 74 000 Kinder sind seit der Gründung der Bundesrepublik 1949 vom Bundespräsidenten so „adoptiert“ worden.

Familie Scholz lebt in einem Reihenhaus in Groß Glienicke, die Eltern, drei Mädchen, vier Jungen – die älteren sind drei bis zwölf Jahre alt. Auch die geistig behinderte Schwester von Mandy Scholz wohnt hier. Komplettiert wird die Familie von Aron, einem Malamut-Schlittenhund. Es ist nicht einfach für die Scholzens, allein schon, was die Logistik angeht. Beim morgendlichen Frühstück versammele sich die Familie komplett im Wohnzimmer, erzählt Mandy Scholz. Das Abendbrot werde „gestaffelt“. Sie alle leben in einer Bedarfsgemeinschaft von Hartz IV. Mandy Scholz ist gelernte Verkäuferin, in ihrem Beruf gearbeitet hat sie nie. Als die Ausbildung beendet war, kam das erste Baby. „Bei sieben Kindern kann ich nicht arbeiten gehen“, sagt sie. „Und wer nimmt schon so eine Frau“, fragt sie. Vor vier Jahren wurde auch Eberhard Scholz arbeitslos, davor hat er beim Wachschutz in Teltow sein Brot verdient.

Mit der staatlichen Unterstützung kommen sie über die Runden, viel mehr ist aber auch nicht drin. „Ein Kino-, Zirkus- oder ein Tierparkbesuch für alle Kinder – das geht nicht“, sagt Mandy Scholz. Ohnehin finden Ausflüge kaum in voller Besetzung statt. Dafür ist das Auto zu klein. „Ein Kind und mein Mann müssen hierbleiben“, erklärt sie. Beim Angebot Wickleins, mal einen Besuch im Deutschen Bundestag inklusive Führung und Teilnahme an der Parlamentssitzung zu organisieren, winken beide ab. Der Aufwand wäre viel zu groß. Doch Eberhard Scholz gibt der Sozialdemokratin noch einen Auftrag mit. Sie solle doch diejenigen Politiker, die in diesen Zeiten der Krise eine Kürzung von Hartz IV fordern, den Rücktritt nahelegen.

Bei der Frage, wer künftig die Ehrenpatenschaft für den kleinen Christian übernehmen soll, sind die Eltern uneins. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU), deren Aussichten für die Köhler-Nachfolge nicht die schlechtesten sind, wollen beide nicht. Mandy Scholz wünscht sich Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU). Eberhard Scholz’ Favorit ist dagegen ein Sozialdemokrat – der frühere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück. Ein Bundespräsident, argumentiert er, müsse eine „gewisse Erscheinung“ haben.

Christian Scholz’ glänzende Laune ist inzwischen verflogen, er weint. Es ist Zeit für das Vormittagsschläfchen.

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