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Engagierte Mitstreiterin. Das Geiger-Kolleg ehrt Annette Schavan dafür, dass sie sich für die Gleichberechtigung der jüdischen mit der christlichen Theologie und dem Islam eingesetzt hat. Geiger-Rektor Walter Homolka empfing Schavan am Dienstagabend im Nikolaisaal.

© Manfred Thomas

Jüdische Theologie in Potsdam: Einzigartig in Europa

Mit einem Festkonzert wurde am Dienstagabend die neu gegründete Rabbinerschule im Potsdamer Nikolaisaal gefeiert. Der früheren Bildungsministerin Annette Schavan wurde in dem Zusammenhang der Abraham-Geiger-Preis verliehen. Noch fehlt der jüdischen Theologie noch ein eigenes Dach über dem Kopf.

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Mit der Gründung der „School of Jewish Theology“ innerhalb der Philosophischen Fakultät wird die Jüdische Theologie zum kommenden Wintersemester an der Universität Potsdam fest verankert. Offizielle Eröffnung soll im November dieses Jahres sein, bereits zum Semesteranfang im Oktober werden die ersten Rabbinerstudenten ihr Studium aufnehmen. Das erklärte der Dekan der Philosophischen Fakultät, Johann E. Hafner, den PNN im Vorfeld eines Festkonzertes zur Institutionalsierung der Jüdischen Theologie, das am Dienstagabend im Potsdamer Nikolaisaal stattfand. Bei dem Festakt wurde am Abend auch der ehemaligen Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) der Abraham-Geiger-Preis verliehen.

Mit dem Preis würdigte das an der Rabbinerausbildung beteiligte liberale Abraham-Geiger-Kolleg das Engagement von Schavan. Ihr sei es ganz wesentlich zu verdanken, dass die Jüdische Theologie nach fast zweihundert Jahren als Fach an einer deutschen Universität etabliert werden könne, so die Jury des Kollegs. Damit habe sie die Gleichberechtigung der Jüdischen Theologie mit den christlichen Theologien und dem Islam hergestellt, wie es sich der Namensgeber Rabbiner Abraham Geiger schon Anfang des 19. Jahrhunderts gewünscht hatte. Schavans Laudator, der ehemalige Präsident der Berliner Humboldt-Uni Christoph Markschies, sagte, dass ohne Schavans Initiative im notorisch unterfinanzierten deutschen Universitätssystem nicht daran zu denken gewesen wäre, Jüdische Theologie überhaupt in irgendeiner deutschen Universität zu etablieren.

Annette Schavan sagte angesichts ihrer Ehrung: „Ich bin davon überzeugt, dass die Theologien der drei großen Weltreligionen – des Judentums, des Islams und des Christentums – im Haus der Wissenschaft wichtig sind und bin froh darüber, dass entsprechende Initiativen erfolgreich waren.“ Das Preisgeld in Höhe von 10 000 Euro wird traditionell zur Finanzierung von Stipendien für Rabbiner-Studenten genutzt. Dass Schavan wegen Plagiatsvorwürfen im Februar zurückgetreten ist, sei für die Vergabe des Preises unerheblich gewesen, sagte der Rektor des Geiger-Kollegs Walter Homolka. „Dankbarkeit ist unabhängig vom aktuellen Amt zu sehen“, sagte er den PNN. Der Preis sei ganz bewusst an Frau Schavan vergeben worden.

Die Universität Potsdam plant derzeit eine Einrichtung für jüdische Theologie mit sechs Professuren. Der Wissenschaftsrat von Bund und Ländern hatte 2010 unter anderem die Gleichstellung der jüdischen mit den christlichen Theologien empfohlen. Das Abraham-Geiger-Kolleg wurde 1999 gegründet und bildet seit 2001 in Kooperation mit der Universität Potsdam liberale Rabbiner aus. Neben der Ausbildung von liberalen und konservativen Rabbinern soll das Lehrangebot auch für andere Studiengänge geöffnet sein. Darüber hinaus wird ein „Kolleg für interreligiöse Studien“ die zentrale Plattform für die gesamte religionsbezogene Lehre und Forschung an der Universität Potsdam bilden. Nach ihrem Bachelor- und Masterstudium dürften dann ab 2018 die ersten fertig ausgebildeten Rabbiner die Uni Potsdam verlassen. Bereits jetzt befinden sich erste Bewerber in der Eignungsprüfung, erklärte der Dekan Hafner.

Mittlerweile ist auch die Finanzierung der Professuren geklärt. Insgesamt soll das Fach mit fünf regulären Professuren und einer Stiftungsprofessur ausgestattet werden (s. Kasten). Damit hätte die Universität die sechs Professuren, die sie für das Funktionieren des Fachs als Bedingung genannt hatte. Diese Ausstattung werde an Größe und Differenziertheit in Europa einzigartig sein, so Hafner.

Erste Räume seien vorläufig am Philosophicum der Potsdamer Uni eingerichtet worden. Allerdings gebe es noch keinen zentralen Ort für das neue Fach. Das Nordtorgebäude am Neuen Palais hält Hafner für einen idealen Platz, es müsste für den Zweck aber komplett saniert werden. Vorerst müsse der Unterricht also in Räumen stattfinden, die über den Campus Neues Palais verteilt sind. „Wir haben noch ein Raumproblem“, so Hafner.

Der Rektor des Abraham-Geiger-Kollegs, Walter Homolka, brachte indes einen weiteren, sehr exponierten Standort ins Gespräch. Das Gelände neben der in Planung befindlichen Synagoge in der Schlossstraße. Weil das Nordtorgebäude am Neuen Palais wegen Auflagen des Denkmalschutzes nicht ausreichend Platz biete, schlägt der Rabbiner einen Neubau vor. „Bevor man ein denkmalgeschütztes Gebäude für fünf Millionen Euro saniert, kann man auch gleich ein neues Gebäude errichten.“ Im Nordtor wären nur rund 480 Quadratmeter verfügbar. Allein das Geiger-Kolleg, das immer noch in Berlin sitzt, bräuchte aber über 730 Quadratmeter. Zusammen mit der neuen „School for Jewish Theology“ und seinen Lehrstühlen steige der Raumbedarf weiter auf über 1000 Quadratmeter.

Homolka schwebt daher ein jüdisches Schwerpunktzentrum am zukünftigen Steubenplatz am Schloss vor: im wieder entstehenden Zentrum Potsdams, unweit der neuen Synagoge und des Moses Mendelssohn Zentrums. Die Immobilie am Nordtor sei zudem noch gar nicht verfügbar, da eine Mieterin dort gegen ihre Kündigung geklagt habe. Mittlerweile gab es zu dem Thema eine Fragestunde im Landtag, die Vorschläge gingen an das zuständige Wissenschaftsministerium. Von dort hat Homolka seit Montag nach eigenen Angaben ein klares Signal: Die Problematik sei erkannt, man wolle sich um eine gute Lösung bemühen.

Eine letzte Hürde ist in dieser Woche noch zu nehmen: Eine Änderung des Landeshochschulgesetzes für die konfessionsgebundenen Professuren steht noch aus, der Entwurf soll am Mittwoch im Landtag beschlossen werden. Bisher haben Brandenburgs Hochschulen keine theologische Ausbildung angeboten. Und wer weiß, eines Tages könnte vielleicht sogar eine jüdisch-theologische Fakultät entstehen.

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