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Zauberhaft. Udo Bausch in der Kulisse für die Seeoper Wannsee.

© Kitty Kleist-Heinrich

Landeshauptstadt: Eisenflügel für die Königin der Nacht

In Berlin-Zehlendorf entsteht derzeit das Bühnenbild für die Seeoper Wannsee – Anwohnerproteste wie in Potsdam gibt es nicht

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Berlin-Zehlendorf - Die drei Damen proben schon: „Tamino, dir ist Tod geschworen“ singen sie, während hinter ihnen die Felsen aus Holz in die Höhe ragen, die bei den Seefestspielen in Berlin-Wannsee die Kulissen bilden werden. Vergessen der Streit um den ursprünglichen Austragungsort in Potsdam, wo das Freiluft-Festival auf der Halbinsel Hermannswerder stattfinden sollte.

„Die Kulissen haben wir mit zehn Mann drei Tage lang zusammengeschraubt“, sagt Dreizehn. Eigentlich heißt er Udo Bausch, aber das „UB“, mit dem er immer unterschrieb, sah irgendwann aus wie eine 13. Das gefiel ihm. „Und jetzt heiße ich eben so.“ Dreizehn gehört zum Techniker-Team, das dafür sorgt, dass ab 11. August die „Zauberflöte“ im Strandbad Wannsee über die Bühne gehen wird. Im Moment haben sie gut zu tun in der Onkel-Tom-Halle in Zehlendorf: Dort ist die Probebühne aufgebaut.

Dreizehn zeigt auf ein enormes eisernes Kleid: „Das wird die Königin der Nacht tragen.“ Die Sängerin, Chelsey Schill aus Kanada, wird mit einem Hubsteiger – die kommen sonst bei der Reparatur von Straßenlaternen zum Einsatz – in die Höhe gehoben. Dreizehns Aufgabe ist es, die Flügel aus Eisen zu bauen. Sie dürfen nicht zu schwer sein, höchstens 20 Kilo. Da nützt ihm seine Erfahrung beim Bau von Gletscherfahrrädern.

Von was? Ja, Dreizehn baut superleichte Hochgeschwindigkeitsfahrräder, mit denen er Gletscher in den französischen Alpen hinuntersaust. Und das ist nicht das einzige Außergewöhnliche an seinem Leben: Vor der Halle steht ein selbstgebauter Wohnwagen aus Holz. Dreizehn lebt in ihm. Einen festen Wohnsitz hat er nicht. „Ich bin Handwerker, Schreiner, Schlosser – oder Hofnarr, suchen Sie sich was aus“, sagt er. Das war schon ein langer Satz. Meistens sehen seine Antworten so aus: „Warum leben Sie im Wohnwagen?“ – „Warum nicht?“

Dreizehn entstammt einer Schreiner-Familie aus Bad Cannstadt. Er hat in Südeuropa einen Wanderzirkus betrieben und am Bodensee einen Pferdehof. Aber das sesshafte Leben war nichts für ihn. Vor einigen Jahren entschied er sich für die Straße. „Da hat man keine Nachbarn.“ Sein Wohnwagen wird von einem Traktor, Baujahr 1964, gezogen, er hat ein Bett und einen – natürlich selbstgebauten – Ofen mit Schamotte: „Drei Briketts, und nach zehn Stunden hat’s immer noch Glut.“ Der Strom für den Kühlschrank kommt von einer Solaranlage.

Und so zieht Dreizehn mit 20 Stundenkilometern durch die Lande und bleibt, wo er einen Auftrag bekommt. Er hat Solar- oder Biogasanlagen und Kulissen für Videos der Fantastischen Vier und der Toten Hosen gebaut, er hat Tische, Schränke und ein DJ-Pult entworfen. Und jetzt hilft er eben bei der Zauberflöte. Von Papageno hat er zwar schon mal gehört, aber mit Oper hatte er bisher nichts am Hut. „Mein Part ist die Technik. Es könnte auch Kino oder Kabarett sein – es muss funktionieren.“ In der Kunstszene hat er sich nie wohlgefühlt, er nimmt kein Blatt vor den Mund: „Da tummeln sich viele Schwätzer. Die pfuschen irgendwas und nennen es Kunst. Ich lege Wert auf Funktion. Gute Technik sieht gut aus.“

Gut dürfte auch die von Momme Röhrbein entworfene schwimmende Seebühne aussehen, wenn sie endlich fertig ist. Die geplante Pyramide ist zu groß für die Onkel-Tom-Halle, die kommt später. Ab 18. Juli wird alles auf über 100 Pontons in Gatow zusammengeschraubt und am 27. Juli mit dem Schiff über den Wannsee in den südlichen Teil des Strandbads geschippert, wo 4700 Sitzplätze aufgebaut werden. Anwohnerproteste wie in Potsdam gibt es laut Intendant Christoph Dammann nicht – bis auf einen einzigen negativen Brief.

Bis Ende August werden die Seefestspiele laufen. Wenn alles vorbei ist, zieht auch Dreizehn weiter und trifft neue Leute – wie jenen Polizisten in der Nähe von Hannover, der ihn vor einigen Wochen angehalten hat: „Ich könnte Ihr Fahrzeug stilllegen“, hatte der gesagt, „aber das lasse ich sein, weil Sie das tun, was ich gerne machen würde.“ Udo Badelt

Tickets zum Preis von 40 bis 79 Euro gibt es im PNN-Shop im Karstadt in der Brandenburger Straße, Tel: (0331) 60 123 17, oder im Netz unter www.pnn.de/shop.

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