
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: Eltern verboten
Am Schlaatz wird in den Sommerferien wieder die Stadt der Kinder gebaut. Bis zu 180 sind vor Ort
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Schlaatz - Verhungern wird keiner: Schon heute wurde eingekauft für die Stadt der Kinder, das zweiwöchige Ferienprojekt, das am 20. Juli beginnt. 60 Kilogramm Kartoffeln, 40 Kilogramm Spaghetti und 20 Kilogramm Reis hat Katrin Binschus-Wiedemann, Leiterin des Friedrich-Reinsch-Hauses, besorgt. Zusammen mit Anne Broswitz vom Bürgerhaus am Schlaatz leitet sie das erfolgreiche Gemeinschaftsprojekt vieler Helfer und Sponsoren, das aus dem Potsdamer Ferienplan nicht mehr wegzudenken ist.
„Die erste Stadt wurde auf dem Parkplatz vor der Schule hier im Wohngebiet erbaut“, sagt Binschus-Wiedemann. Dort war man jedoch ungeschützt der Sonne ausgesetzt und zog Konsequenzen. Bereits ein Jahr später wanderte die Stadt ins Nuthewäldchen zwischen Wohnblocks und Flussufer. Hier entstehen jedes Jahr zehn bis 15 Hütten, eine Stadt, gebaut von Potsdamer Kindern und ausschließlich nach ihren Ideen. „Mal ist ein Kino dabei, mal exklusive Doppelhäuser. Was den Kindern eben so einfällt. Einmal wurde eine Kirche gebaut, der Turm wurde immer höher“, erinnert sich Binschus-Wiedemann. „Knast und Räuberhöhle müssen aber immer sein“, sagt sie.
Von Anfang an waren Potsdams Kinder begeistert. Bis zu 180 – mehr dürften es nicht werden – kommen jeden Tag auf die Stadt-Baustelle. Anmelden muss sich niemand, wer kommt, der ist für den Tag mit dabei. „Wir mussten noch niemanden wegschicken“, sagt Mitorganisatorin Broswitz. Lediglich eine Erlaubnis der Eltern ist notwendig – ein Formular, das man im Internet findet oder bei der Anmeldung direkt vor Ort unterschreiben kann. Außerdem wichtig: „Feste Schuhe, also zumindest bedeckte Zehen, und Kleidung, die kaputtgehen darf“, sagt Binschus-Wiedemann. Denn spätestens am vierten Tag, wenn die Farbe verteilt wird, bleibt nichts mehr sauber. In diesem Jahr kommen erstmals natürliche, umweltverträgliche Pigmentfarben zum Einsatz.
Ansonsten ist alles wie immer: Zwar gibt es gut 60 professionelle und vor allem ehrenamtliche Helfer, das Sagen haben aber die Kinder – Eltern sind verboten. Die Hausbauer sind sechs bis zwölf Jahre alt und entwickeln in Eigenregie erstaunliche Ideen: sowohl zu den Häusern als auch zur Verwaltung ihrer Stadt. In der Regel wird eine Art Stadtrat gewählt, einen Bürgermeister gibt es aber nicht immer, manchmal wollen es die Kinder ganz basisdemokratisch belassen.
In der zweiten Woche steht Alltag auf dem Programm. Es wird Radio gemacht, manchmal eine Stadt-Zeitung herausgegeben, die die Kinder komplett selbst gestalten. Die Bank arbeitet, das Café auch. Und es gibt Ausflüge: In diesem Jahr sind die Stadtwerke nicht nur Sponsor, sondern auch Partner und ermöglichen einen Besuch des leeren Schwimmbads am Brauhausberg. Die Kinder dürfen dann hinter die Kulissen und die Technik anschauen. Außerdem wird Potsdams größte Solaranlage auf dem Dach des Tramdepots besichtigt.
Bis zum 20. Juli muss jetzt noch das Baumaterial besorgt werden. Der Baustoffhandel Brun und Böhm liefert zum Einkaufspreis 600 Quadratmeter Bretter, 500 Quadratmeter Latten und Leisten und 150 Kilogramm Nägel. Die Kinder, die das verbauen werden, kommen mittlerweile aus dem ganzen Stadtgebiet, viele aus Potsdams Norden und sogar aus dem Umland wie Stahnsdorf und Teltow. „Das Projekt verbindet Potsdams Kinder“, sagt Anne Broswitz.
Die Stadt unterstützt die Kinderstadt mit 20 000 Euro, aus Lottomitteln der MBS, von der Pro Potsdam und den Stadtwerken kommen jeweils kleinere vierstellige Beträge. Das Netzwerk der Unterstützer sei in den letzten Jahren gewachsen, sagt Binschus-Wiedemann, darunter sind die Kubus GmbH, der Stadtjugendring, der Verein Soziale Stadt, das Werkhaus Potsdam und die Kirche im Kiez. Das Familienzentrum des Evangelischen Jugend- und Fürsorgewerks stellt sanitäre Anlagen und die Küche zu Verfügung, hier wird das Mittagessen gekocht.
Wenn die zwei Wochen zu Ende gehen, bekommen die Potsdamer auch etwas von den Kindern zurück. Am 30. Juli werden die bunten Häuser versteigert. „Sie eignen sich hervorragend als Gartenlauben und sind ausbaufähig“, sagt Binschus-Wiedemann.
Infos und tägliche Updates zum Baufortschritt unter: www.stadtderkinder-potsdam.de
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