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Neue Energie. Raps, Mais oder Sonnenblumen bauen Landwirte mittlerweile auch an, um daraus Biodiesel zu gewinnen. In Zukunft könnten die heimischen Bauern noch stärker von der Energiewende profitieren, meinen Forscher des Instituts für Agrartechnik. So könnte etwa Gülle zu Biogas verarbeitet werden.

© dapd

Homepage: Energie aus Sonnenblumen

Am Agrarinstitut wird diskutiert, wie Bauern von der Energiewende profitieren

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Bei der Entwicklung der Techniken zur Nutzung von Wind, Wasser und Biogas liegt Deutschland weltweit vorn. Darin sind sich nicht nur die Wissenschaftler des Leibniz Instituts für Agrartechnik in Potsdam Bornim (ATB) einig. Vom Potsdamer Forschungsnetzwerk „Pearls“ eingeladen zu einem „Science Lounge Special“ machten sich Wissenschaftler Gedanken zu neuen Energiequellen und den Stand der Forschung in der Landeshauptstadt. Dabei blickten sie auch noch einmal zurück auf die Atom-Katastrophen von Tschernobyl und Fukushima.

Mit einem Wachstum von durchschnittlich acht Prozent im Jahr werde der Markt für „grüne Technologien“ bis 2030 wachsen, mutmaßt eine Studie des Hamburgischen Weltwirtschafsinstituts. Das sei durchschnittlich doppelt so schnell wie die Weltwirtschaft. Rund zwei Millionen Beschäftigte arbeiteten demnach bereits jetzt im Bereich der Umwelttechnologien.

Die Wissenschaftler des ATB basteln daran, dass die Perspektive einer kompletten Energieversorgung aus erneuerbaren Rohstoffen vielleicht eines Tages Wirklichkeit wird. Denn das könnte auch eine Perspektive für die Bauern im Land sein: Mehr als 50 Prozent der Landwirtschaft würden künftig der Energiegewinnung dienen, schätzt der Deutsche Bauerntag. Auf gut 1,6 Millionen Hektar Ackerfläche bauten die Landwirte bereits 2007 Energiepflanzen wie Raps, Mais oder Sonnenblumen an, die als Biodiesel oder Bioethanol im Viertaktmotor verbrannt werden, wie Reiner Brunsch, der Direktor des Agrarinstituts, weiß.

Aber er kennt auch die Schattenseiten dieser Entwicklung in anderen Ländern: So werden in Asien teilweise Urwälder abgeholzt, um dem Palmölanbau für Sprit für europäische Karossen zu weichen. Eine Konkurrenz von Nahrungsmittelanbau und der Nutzung der Flächen für die Energiegewinnung müsse vermieden werden, betont der ATB-Direktor.

Deutschland könnte seine Möglichkeiten jedoch noch besser nutzen, wie ATB-Forscher Jan Mumme meint: „Wir sind Weltmarktführer beim Biogas und trotzdem kann das Potential noch um den Faktor 90 gesteigert werden.“ Mumme beschäftigt sich mit der Verwertung von Biomasse. Dabei geht es ihm um die Effizienzsteigerung bei der Biogaserzeugung und die Verbesserung des Einsatzes von Energiepflanzen. „Nur 20 Prozent der Gülle, die in der Landwirtschaft entsteht, wird bisher energetisch genutzt“, sagt der Wissenschaftler. Das stinke nicht nur buchstäblich zum Himmel, wenn die Flüssigkeiten auf die Felder gelangen würden, sondern ließe sich sicherlich auch effizienter arrangieren. Schon mit den derzeit bundesweit existierenden Biogasanlagen könnten aber immerhin zwei Kernkraftwerke ersetzt werden.

In großen Glaskolben stehen in Mummes Labor orangefarbene Flüssigkeiten. Pumpen und Messaggregate sind zu komplizierten Versuchsaufbauten zusammen geschraubt, darin blubbert und gärt es. Mumme forscht über die „Vergärung nachwachsender Rohstoffe im Aufstromverfahren“, so der Titel seiner Doktorarbeit, deren Forschungsgegenstand ihn auch beim ATB beschäftigt. Sein Verfahren benötigt besonders wenig Ausgangsenergie, ist aber trotzdem in der Lage, auch Stoffe zu vergären, die faseriger sind, als es bei anderen Biogasanlagen der Fall ist. Methan und Biokohle soll aus den Gärrückständen entstehen, die Mumme mit seinem 16-köpfigen Team verarbeitet. Diese Biokohle kann als Dünger zur Verbesserung des Bodens dienen.

Neben Gas und Kohle interessieren die Wissenschaftler des ATB auch Verbesserungsmöglichkeiten bei Anbau von Raps und Erbsen, Weizen und Roggen. Bei dem Projekt „Mosaik in Lüttewitz“ haben sie buchstäblich ein buntes Mosaik aus quadratförmigen Flächen mit verschiedenen Düngervarianten angelegt. Der unterschiedliche Wasserhaushalt der Fläche, die Sonneneinstrahlung und die Reaktionen der Pflanzen auf eine differenzierte Versorgung mit Dünger sind Forschungsgegenstände.

Neueste technische Gerätschaften sollen die Nutzung des heimischen Bodens weiter effektivieren. Mit einer Multispektralkamera, die an einen Traktor geschraubt ist, untersucht ein Forschungsteam Pilzinfektionen im Getreidefeld. Die Informationen darüber, wo und wann welche Pflanzen am besten ausgesät werden können und wie sie dann am besten zu düngen sind, sollen künftig Drohnen liefern, die das Land scannen. Als „Adler der Zukunft“ sollen sie nach dem Willen der Forscher kreisen und Luftbildkarten mit den entsprechenden Informationen liefern.

Auch die Landeshauptstadt selbst sieht der Leiter der Koordinierungsstelle Klimaschutz, Klaus-Peter Linke, auf einem guten Weg bei der Erreichung Klimaziele, die Potsdam sich gesetzt hat. Bei der Gebäudesanierung und bei Neubauten würde die Stadt auf deren Klimaverträglichkeit achten, 60 Prozent der Haushalte seien an das lokale Heizsystem anzuschließen und die Stadt hoffe, den Kohlendioxydausstoß bis 2020 um 20 Prozent zu senken.

Einen anderen Blick auf die Notwendigkeit weiterer Forschung zur Steigerung der Nutzung von nachwachsenden Energie- und Nahrungsquellen wirft die Geschichtswissenschaftlerin Melanie Arndt vom Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF). Nicht zuletzt die Atom-Katastrophen in den Kernkraftwerken von Tschernobyl und Fukushima hätten deutlich gemacht, dass Staaten nur begrenzt in der Lage sind, ihre Bürger vor den unerwünschten Folgen moderner Technologien zu schützen.

Richard Rabensaat

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