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Homepage: Entscheidung in diesem Jahr

Brandenburg kündigt im Tauziehen um Jüdische Fakultät ausreichend Mittel für sechs Professuren an

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Die entscheidende Frage sei die Finanzierung. „Ohne Professoren lässt sich keine Fakultät errichten“, sagt Walter Homolka, der Direktor des Abraham-Geiger-Kollegs, das an der Universität Potsdam Rabbiner ausbildet. Seit längerer Zeit verhandelt er mit dem Land Brandenburg über die Gründung einer Fakultät für jüdische Theologie an der Universität Potsdam. Die Einrichtung wäre ein Novum, eine eigenständige jüdische Fakultät hat es bis heute an einer deutschen Hochschule noch nicht gegeben. Die Überraschung war groß, als nun kurz vor dem Jahreswechsel Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) dem Geiger-Kolleg für eine solche Fakultät an der Uni Erfurt den roten Teppich ausrollte.

Nun ist der Druck auf Brandenburgs Landesregierung groß, das Vorhaben nicht scheitern zu lassen. Homolka führt an, im Dezember vom Ministerium erfahren zu haben, dass aufgrund der Haushaltslage der Hochschulen eine Finanzierung der Professuren aus dem allgemeinen Hochschulbudget grundsätzlich nicht in Betracht komme. Es müssten alternative Finanzierungsquellen gefunden werden. Zwar gebe es noch keine Verabredung zur Finanzierung einer jüdisch-theologischen Fakultät, räumte Brandenburgs Wissenschaftsministerin Sabine Kunst nun gegenüber den PNN ein. Sie kündigte aber an, dass ihr Ressort den entsprechenden Mehrbedarf in Höhe von 1,5 Millionen Euro für sechs Professuren für die Haushaltsaufstellung 2013/14 anmelden werde. „Vorausgesetzt, dass Herr Homolka wirklich daran interessiert ist, in Brandenburg zu bleiben“, sagte Kunst. Mit einer Entscheidung über die Einrichtung einer jüdisch-theologischen Fakultät sei noch in diesem Jahr zu rechnen.

Das Geiger-Kolleg hatte laut Homolka angesichts der bislang unklaren Finanzierung begonnen, auch andere Alternativen auszuloten. Dazu führt das Kolleg seit einigen Wochen in mehreren Bundesländern Sondierungsgespräche. „Die Universität Potsdam bleibt als Option selbstverständlich erhalten, aber wir sondieren ergebnisoffen in verschiedene andere Richtungen, beispielsweise auch in Bayern mit der Universität Erlangen“, erklärte Homolka.

Man habe sich durch die lange Verhandlungszeit in Brandenburg zum Handeln gezwungen gesehen, so Homolka. „Es wäre ein schwerer Schaden für das Bild Deutschlands im Ausland, wenn die einzige akademische Rabbinerausbildung in Kontinentaleuropa offen mit der Bettelschale durch die deutschen Landschaften irren müsste“, sagt Rabbiner Homolka. Und er erinnert daran, dass Wolfgang Schäuble die Potsdamer Rabbinerausbildung einmal als „Wunder von Potsdam“ bezeichnet hatte.

„Nach zwei Jahren zähester Verhandlungen in Brandenburg ist es ungemein wohltuend, wenn die thüringische Ministerpräsidentin nun die Ansiedlung der jüdischen Theologie in ihrem Bundesland zur Chefsache erklärt und die finanziellen Fragen für lösbar hält“, konstatiert Homolka, der selbst Rabbiner ist. „ Das entstandene Vertrauen ist uns Verpflichtung bei den Verhandlungen“, sagt er im Hinblick auf die Gespräche in Thüringen. Ein erster Termin war bereits am 5. Januar, in der kommenden Woche sollen die Verhandlungen fortgesetzt werden. „Mit mehreren Terminen auf verschiedenen Ebenen, auch mit einem vertiefenden Gespräch bei der Ministerpräsidentin“, so Homolka. Weitere Gespräche mit Brandenburg über die Fakultät sollen am 30. Januar beginnen.

Wissenschaftsministerin Kunst zeigt sich nun verwundert über die parallelen Verhandlungen des Geiger-Kollegs. „Ich hätte mir hier einen offeneren Umgang miteinander gewünscht“, sagte sie dieser Zeitung. Bislang habe Homolka der Landesregierung gegenüber in keiner Weise signalisiert, dass ihm die Entwicklung in Brandenburg nicht schnell genug vorankommt oder unrealistisch erscheint.

Ministerin Kunst führt an, dass die Weichen hin zur Einrichtung einer jüdisch-theologischen Fakultät von Ministerpräsident Matthias Platzeck und ihr während eines Besuchs einer Delegation der World Union for Progressive Judaism am 27. September 2011 gestellt wurden. Brandenburg habe inzwischen alle erforderlichen Schritte zur Einrichtung der jüdisch-theologischen Fakultät eingeleitet. So sei der Entwurf zur Änderung des Brandenburgischen Hochschulgesetzes auf den Weg gebracht worden, um die Ausbildung von Geistlichen an staatlichen Hochschulen im Land Brandenburg zu ermöglichen. Dies bilde die rechtliche Grundlage für eine jüdisch-theologische Fakultät, da die Kernfachprofessuren bekenntnisgebunden besetzt werden sollen.

Weil der Rechtsakt der Gründung einer Fakultät in die Zuständigkeit der Hochschule fällt, habe im Dezember 2011 parallel zum Gesetzesänderungsverfahren an der Universität Potsdam ein Arbeitskreis seine Arbeit aufgenommen. Die Universität begrüßte bislang die Idee der Fakultät, nicht aber mit eigenen Bordmitteln. Geplant ist nun unter anderem in Zusammenarbeit mit dem Abraham-Geiger-Kolleg ein zum Rabbinerberuf führendes Masterprogramm. Die ersten Studierenden könnten voraussichtlich im Sommersemester 2013 beginnen.

Andererseits wäre der Standort Erfurt für das Geiger Kolleg nicht unbedingt die zweite Wahl. Mit einem Schwerpunkt christlicher Religion an der Universität und jahrhundertelanger deutsch-jüdischer Geschichte würde die Stadt ein passendes Umfeld für die Rabbinerausbildung bieten. Homolka rechnet dem Standort auch an, dass die Kantorenausbildung aktuell an der Musikhochschule Weimar angesiedelt wird. „Weil Brandenburg die Verstetigung der vom Bund geförderten Professur für Jüdische Musik nicht gewährleisten wollte“, ergänzt er. Vor allem aber werde der finanzielle Aufwand für die Kernfächerabdeckung nicht gescheut, wie sie der Wissenschaftsrat empfohlen habe. „Insofern sehen wir den Sondierungen mit Thüringen sehr gespannt und mit großer Freude entgegen.“

Den Wert einer Fakultät für jüdische Theologie hat in Thüringen auch die Opposition entdeckt. „Hinsichtlich seiner einmaligen Zeugnisse mittelalterlicher jüdischer Kultur und im Spannungsbogen zwischen dem neu errichteten NS-Gedenkort Topf & Söhne und der alten Synagoge, in der der jüdische Schatz seit diesem Jahr gezeigt wird, bettet sich eine Fakultät der jüdischen Lehre sehr gut in diese Entwicklung ein“, erklärte der Fraktionsvorsitzende der Thüringer Linken, Bodo Ramelow. Erfurt würde mit der Fakultät zu einem zentralen Ort des religiösen Dialogs, sagte Ramelow, der selbst Mitglied des Stiftungsrates der Leo Baeck Foundation ist und damit Vertreter des Abraham-Geiger-Kollegs.

Ministerin Kunst hielt dem entgegen, dass das Geiger-Kolleg und die Universität Potsdam auf eine über zehnjährige erfolgreiche Zusammenarbeit zurückblicken können, die auch vom Wissenschaftsrat gewürdigt worden sei. „Und die jüdische Geschichte im Raum Berlin-Brandenburg braucht sich wahrlich nicht hinter der Thüringischen zu verstecken“, sagte sie. Zudem gebe es gerade in der Region Potsdam-Berlin eine bundesweit einmalige Konzentration an wissenschaftlichen Einrichtungen, die ihre Kompetenzen auf dem Gebiet der jüdischen Studien in einem gemeinsamen Zentrum bündeln wollen. Ein entsprechender Antrag sei beim Bundesforschungsministerium gestellt.

Die Fakultätspläne des Geiger-Kollegs stoßen indes aber auf anderer Seite auf Widerstand. Die Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg (HfJS) hält sie für überflüssig. Eine Einrichtung, um die Gemeinden mit gut ausgebildetem Personal für Rabbinat, Gemeindedienst und Schulen zu versorgen, bestünden bereits in Heidelberg, so der Leiter Jüdische Studien in Heidelberg (HfJS) Johannes Heil. Homolka hält dem entgegen, dass das Geiger-Kolleg sich der Ausbildung liberaler Rabbiner widmen wolle, während die orthodoxe Ausbildung von der Uni Heidelberg betrieben werde.

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