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Etwas HELLA: Es lebe Muse Thalia

Ab dem heutigen Freitag werden alle, na ja fast alle, nur noch über Fußball reden und dann geht es um europäische Spitzenklasse. Die Babelsberg Null Dreier dürfen natürlich auch dabei sein, beim Reden, beim Spiel nicht, da fehlt ihnen leider die Spitze an der Klasse.

Stand:

Ab dem heutigen Freitag werden alle, na ja fast alle, nur noch über Fußball reden und dann geht es um europäische Spitzenklasse. Die Babelsberg Null Dreier dürfen natürlich auch dabei sein, beim Reden, beim Spiel nicht, da fehlt ihnen leider die Spitze an der Klasse. Für Thomas Bastian ist es deshalb gut, dass er nicht nur Chef des Fußballvereins ist, der ihm bestimmt schon einige graue Haare beschert hätte, wenn das möglich wäre. Erstens sind seine Haare nämlich schon grau und zweitens erschwert ihre Kürze die Farbbestimmung erheblich. Doch Bastian ist ja auch noch Chef des Arthouse-Kinos Thalia und das ist seit Jahren nun wirklich Spitzenklasse, bekam gerade wieder den Filmprogrammpreis von Medienboard Berlin-Brandenburg und so muss ich bei meiner Lobpreisung nicht einmal über das Runde reden, dass blödsinnigerweise immerfort ins Eckige soll.

Stattdessen rede ich mal lieber übers Kino, das ich viel mehr in mein Herz geschlossen habe als den Fußball. Sollte das Thalia – wie erst gerade wieder – im nächsten Jahr erneut einen Preis für die Programmgestaltung bekommen, kann es seine 15. Auszeichnung in Folge feiern. Ich habe meine 50 Jahre Kino schon längst abgesessen und einen Treuebonus in Form eines Glases Rotwein redlich verdient. Denn das Kino und ich – wir haben eine Menge mitgemacht. Während ich noch jung und knusprig war, sah es ziemlich abgewrackt aus. Jetzt hat es sich herausgemacht und ich – natürlich auch. Was haben Sie denn gedacht?

Ich habe trotz des Kinosterbens die Wiederauferstehung des Thalias als moderne Spielstätte miterlebt, habe dort bei Filmen wie „Brot und Tulpen“ oder „Ziemlich beste Freunde“ gelacht und bei „Melancholia“ ein bisschen ins Taschentuch geschnieft, als es gar zu traurig wurde. Ich habe Schlange gestanden, wenn der Film den Nerv der Zeit traf, und das Kino ganz für mich allein gehabt, wenn es eine Nachmittagsvorstellung war. Die „Spur der Steine“ habe ich zu DDR-Zeiten noch als eine der letzten Kinobesucherinnen verfolgt. Dann wurde der Film verboten und verschwand jahrzehntelang in der Versenkung.Nur manchmal bin ich fremd gegangen und habe das Uzi (UCI) – wie wir Potsdamer so schön urdeutsch sagen – in den Bahnhofspassagen angepeilt, weil ich unbedingt den fliegenden Schwanz und die spitzen Ohren des „Avatar“ in 3 D sehen wollte. Doch dann bin ich wieder ins Thalia zurückgekehrt, um mit Andreas Dresen auf Wolke 9 zu schweben.

Wem das alles aber noch nicht genug menschliche Nähe ist, dem empfehle ich einen Besuch im Konsum. Es ist der einzige, der nach der Wende überlebt hat. Dieser Kino-Konsum ist eine Kneipe und in der kann man jeden Film ausgiebig durchhecheln. Man darf auch bei viel blauem Dunst seine Gesundheit ruinieren, die Toleranz geht so weit, dass fremdgekauftes Essen hinuntergeschmatzt werden darf ohne dass die Raucher sich aufregen. Bei so viel Nostalgie, dicker Luft und herbeigesehntem Wohlbefinden habe ich nur ein Problem: Hat vielleicht mal jemand ein sauberes Taschentuch?

An dieser Stelle schreibt alle zwei Wochen Hella Dittfeld über Dinge, die sie erfreuten oder ärgerten und hofft, dass dadurch Potsdam etwas heller wird.

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