Von Michael Meyer: Europa-Premiere in Potsdam
Internationales Schwimm-Trainingslager vereint derzeit Asse von drei Kontinenten im Luftschiffhafen
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„Hoffi“ kannte kein Erbarmen. „Jetzt nur alle zehn Armzüge Luft holen“, forderte Potsdams Schwimmtrainer Jörg Hoffmann gestern Nachmittag in der Schwimmhalle des Luftschiffhafens. Sprach’s und marschierte am Beckenrand mit, um die exakte Ausführung seiner Vorgabe zu überprüfen. Insgesamt 32 Mittel- und Langstreckler aus Deutschland (22), Südafrika (4), Australien, Italien (je 2), Spanien und den Färöer-Inseln bestreiten seit Montag in Potsdam ein zweiwöchiges internationales Schwimm-Trainingslager. „So etwas wie hier gab es in Europa noch nie“, sagt Bundestrainer Dirk Lange, der künftig auf ein härteres Training der deutschen Schwimmer setzt. „Hier haben wir deutlichen Nachholebedarf.“ Lange versteht die Premiere in Potsdam als eine Antwort auf das US-amerikanische College-System, in dem auch europäische Spitzenschwimmer mitmischen, will ein solches internationales Camp auf dem Weg zu Olympia 2012 in London jährlich wiederholen und setzt dabei auch stark auf Jörg Hoffmann (siehe Interview).
„Die Deutschen können sich hier mit der internationalen Konkurrenz vertraut machen und Selbstvertrauen sammeln. Einige hatten bisher bei großen Wettkämpfen im Vorstartraum schon die Hosen voll“, sagt Hoffmann. Der frühere 1500- Meter-Weltmeister hat mit Jaana Ehmcke, Felix Wolf und Jörn Malich drei Asse seines eigenen Vereins PSV Potsdam im internationalen Pulk dabei, die aber unter verschiedenen Vorzeichen trainieren. Während Freiwasserspezialist Malich richtig Gas geben kann, muss Ehmcke drei Wochen nach ihrer Mandeloperation einen hohen Puls vermeiden, da sie nach ihrem ersten Training am Montag Fieber bekam. „Deshalb mache ich in der ersten Woche hauptsächlich Kraft und schwimme nebenbei meine Bahnen – vielleicht klappt es in der nächsten Woche besser“, so die 23-Jährige. Felix Wolf laborierte seit Weihnachten an einer Knöchelverletzung und plagt sich seit gestern mit einer Entzündung im linken Ellenbogen. „Jetzt muss ich einfach durchhalten“, erklärte der Rückenspezialist, ehe er zum zweistündigen Programm über insgesamt 7,1 Kilometer ins Wasser sprang.
Das internationale Team – darunter mit Doppel-Weltmeister Paul Biedermann (Halle/Saale), Angela Maurer (Mainz) und dem achtfachen Freiwasser-Weltmeister Thomas Lurz (Würzburg) drei von vier „Europas Schwimmern des Jahres 2009“ – hat in Potsdam ein hartes Programm zu bestehen. Nach dem Frühstück früh um sechs warten täglich drei Einheiten im Becken; in der ersten Woche über insgesamt 102 Kilometer. Dazu tägliches Krafttraining und abendliche Einzel- und Teamgespräche. „Das ist schon ziemlich heftig hier, das Trainingsniveau ist unheimlich hoch“, so „Deutschlands Sportler des Jahres 2009“ Paul Biedermann. Das gefällt Robert Hurley, mit Australiens Freistilstaffel 2009 in Rom WM-Dritter und in diesem Winter Weltcup-Sieger über die 1500 Meter Freistil in Singapur, der in Potsdam noch ein besonderes Erlebnis hat: „Ich sehe hier erstmals Schnee – das ist sehr interessant“, so der 21-Jährige.
„Hoffi“ hatte dagegen gestern keine Augen für das Weiß im Luftschiffhafen, sondern nur für das Treiben auf den sieben Bahnen. Schließlich haben er und Freiwasser-Coach Thomas Lurz das Trainingsprogramm der ersten Woche für alle 32 Asse geschrieben. Wie das ankommt, schilderte er gestern so: „Nach unseren 5000 Metern Kraul heute Vormittag waren unsere Leute platt, während ein Südafrikaner sagte: Das war so geil, das machen wir heute Nachmittag nochmal“
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