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Faire Löhne. Zu der Kundgebung unter dem Motto „Das ist das Mindeste: Faire Löhne, gute Arbeit, soziale Sicherheit“ kamen in Potsdam 2000 Menschen. Thematisiert wurde auch die Öffnung des Arbeitsmarktes für Unternehmen aus osteuropäischen EU-Ländern.

© M. Thomas

1. Mai in Potsdam: Faire Löhne gefordert

Wicklein für Sonntagsöffnungszeiten im Holländischen Viertel / Gewerkschaften fordern Chancengleichheit

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Innenstadt - „Papa, warum musst du zum Sozialamt, du arbeitest doch den ganzen Tag?“ steht auf einem von vielen weißen Pappkartons, die auf dem Luisenplatz wie Ziegel übereinander geschichtet liegen, rundherum stehen Baustellenschilder, die vor Lohndumping warnen. Dass war nur eine der zahllosen Baustellen, um die es bei der gestrigen 1. Mai-Veranstaltung unter dem Motto „Das ist das Mindeste – Faire Löhne, Gute Arbeit, Soziale Sicherheit!“ auf dem Luisenplatz in Potsdam ging. 2000 Menschen haben an der Demonstration teilgenommen, sagte ein Sprecher des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB). Die Gewerkschaften fordern von der Bundesregierung die Einführung eines einheitlichen Mindestlohns.

Jugendarbeitslosigkeit ist eine dieser Baustellen: „Wer Fachkräfte haben und halten will, soll sie auch ordentlich bezahlen!“, fordert Doro Zinke, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Bezirk Berlin-Brandenburg, und verwies dabei auf zahlreiche Hotel- und Gastronomiebetriebe in Brandenburg, die teilweise mit 30 Prozent Auszubildenden wirtschaften würden. „Viele Jugendliche wandern nach Westdeutschland ab, weil ihre Chancen hier nicht gut sind“, sagt auch Lehrerin Danka Losansky aus eigener Erfahrung.

Der Wunsch nach mehr Bürgerbeteiligung, der viele der rund 400 Besucher bewegte, wurde sowohl von Hans-Jürgen Scharfenberg (Linke) als auch Andrea Wicklein (SPD) bei einer Podiumsdiskussion begrüßt. Auch in vielen anderen Fragen traten beide Politiker fast geschlossen auf, etwa in der Ladenschlussdebatte im Holländerviertel: „Wir reden ja hier nicht vom Stern-Center“, sagt Wicklein in Bezug auf den Arbeitnehmerschutz vor verkaufsoffenen Sonntagen. „Wer diese kleinen Läden kennt, weiß, dass dort meist die Inhaber selbst hinter dem Ladentisch stehen.“ Daher müssten bei solchen Geschäften die Spielräume verkaufsoffener Feiertage ausgeschöpft werden, „um ihnen das Überleben zu sichern“, so Wicklein. „Potsdam ist eine Touristenstadt“, stimmt Scharfenberg dem zu und fügt an: „Dazu gehört auch, dass im Park Sanssouci kein Eintritt verlangt wird!“ Hoffnungsvoll bewerteten beide auch das Potsdamer Vergabegesetz, das die Vergabe öffentlicher Aufträge an einen Mindestlohn bindet.

Im Potsdamer Klinikum Ernst von Bergmann hingegen werde kein fairer Tarif gezahlt, mahnt die Wählergruppe „Die Andere“ an und fordert, dass ein kommunales Unternehmen in der Lohnpolitik mit gutem Beispiel vorangehen solle. Das Krankenhaus ist seit 2006 innerhalb des Kommunalen Arbeitgeberverbandes (KAV) in die Mitgliedschaft ohne Tarifbindung gewechselt, was zu einem Lohngefälle und Anstieg befristeter Arbeitsverhältnisse in dem Klinikum geführt habe, hieß es von Seiten der Wählergruppe. Am 4. Mai wird in der Stadtverordnetenversammlung auf Antrag von „Die Andere“ darüber abgestimmt, ob das Krankenhaus in die Mitgliedschaft mit Tarifbindung zurückkehren solle.

Die am 1. Mai in Kraft tretende Freizügigkeit für osteuropäische Arbeitnehmer nahmen die Besucher der Mai-Feierlichkeiten gelassen auf: „Ich kann das nur begrüßen - das tut uns in Deutschland gut“, meint etwa der Potsdamer Eduard Goedecke (78), und Danka Losansky sagt optimistisch: „Konkurrenz belebt das Geschäft!“ Vielleicht waren die behutsamen Worte von Grzegorz Adamczyk, Mitglied der polnischen Gewerkschaft Solidarnosc, daher gar nicht nötig, als er den Versammelten sagte: „Wir Polen wollen keine unehrliche Konkurrenz sein. Wir verstehen eure Befürchtungen, aber hoffen, dass durch die Freizügigkeit die Machthaber und Arbeitgeber gezwungen sind, die Arbeitsbedingungen beider Länder zu verbessern.“ Für Polen war dieser 1. Mai noch in einer ganz anderen Hinsicht etwas besonderes, denn nicht zufällig wurde heute Papst Johannes Paul II. in Rom seliggesprochen. „Dank ihm ist Solidarnosc entstanden“, betont Adamczyk.

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