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Von Jana Haase: Falsches Szenario

Katte e.V. wirbt mit dramatischem HIV-Szenario für Unterstützung – Experten halten das für überzogen

Stand:

Experten kritisieren das dramatische HIV-Szenario, das der Verein Katte e.V. für Potsdam zeichnet. Auch wenn die unheilbare Immunschwächekrankheit Aids weltweit als Epidemie gilt, könne von einer „Explosion der diagnostizierten HIV-Neudiagnosen in Potsdam“ keine Rede sein, betonte Wolfgang Güthoff, Leiter der Infektionsabteilung am Klinikum „Ernst von Bergmann“ gegenüber den PNN. Güthoff widersprach damit der Darstellung von Katte e.V. (Kommunale Arbeitsgemeinschaft Tolerantes Brandenburg), die gestern in einer Potsdamer Tageszeitung veröffentlicht wurde.

Hintergrund ist ein Brief mit der Bitte um finanzielle Unterstützung für Präventionsarbeit, den der Katte-Verein zur Gleichstellung von Lesben und Schwulen an die Stadt geschickt hatte. Unter der Überschrift „HIV greift Potsdam an“ heißt es darin, dass in den ersten beiden Monaten des Jahres 2009 bei neun Potsdamern Immunschwäche neu diagnostiziert worden sei. Potsdam habe damit „schon jetzt das Jahresmittel erreicht“.

Güthoff bezeichnete dieses Szenario gestern als „überzogen“. Tatsächlich sei das tödliche Virus seit Januar 2009 bei einem Potsdamer neu diagnostiziert worden. Insgesamt habe es am Bergmann-Klinikum, das die brandenburgweit einzige HIV-Schwerpunktambulanz betreibt, in dieser Zeit sechs Neudiagnosen gegeben. Beim Gesundheitsamt der Stadt, das kostenlose HIV-Tests anbietet, habe es 2009 eine Neudiagnose gegeben, sagte Stadtsprecherin Rita Haack auf Anfrage. Insgesamt seien dort 109 Leute zum Test gekommen. „Einen Anstieg können wir nicht feststellen“, sagte Sabine Kaschubowski vom Potsdamer Aidshilfe-Verein.

Susanne Glasmacher, Sprecherin des Robert-Koch-Instituts (RKI), warnte gleichzeitig davor, aus den relativ geringen Potsdamer Fallzahlen Tendenzen abzuleiten. Beim RKI muss jede Neuinfektion anonymisiert gemeldet werden. 2008 habe es in Potsdam vier Neudiagnosen gegeben, 2007 zwei, 2006 vier, 2005 sieben und 2005 acht. „Die Zahlen sind auf hohem Niveau stagniert“, folgert Glasmacher. Für eine Epidemie müsse die Krankheit „gehäuft in einem begrenzten Bereich“ auftreten, erklärt Güthoff. Das sei etwa in einigen afrikanischen Ländern der Fall, wo die HIV-Quote zehn Prozent und mehr betrage.

Anlass zur Sorge gebe es jedoch auch in Deutschland: Denn seit 2001 steigen die HIV-Neudiagnosen bundesweit kontinuierlich leicht an, erklärte der Infektiologe. Betroffen seien meist homosexuelle Männer: „Wir müssen besonders in dieser Gruppe aktiv werden“, warnt Güthoff.

An die Gruppe schwuler Männer wendet sich auch das Angebot des Katte e.V.: Seit Mitte 2008 gebe es die HIV-Schnelltests von Schwulen für Schwule, sagte Jirka Witschak von Katte den PNN. Der Test kostet 10 Euro und muss bei positivem Ergebnis durch einen Arzt bestätigt werden. Etwa 40 Männer hätten ihn bisher genutzt. Der Verein bittet die Stadt jetzt um 850 Euro Unterstützung, um die Tests für Jugendliche bis 25 Jahre kostenlos anbieten zu können.

Bei der Stadt werde die Anfrage derzeit geprüft, sagte Stadtsprecherin Rita Haack. Der besagte Schnelltest könne seit Januar 2009 auch beim Gesundheitsamt gemacht werden - kostenlos. Für Witschak ist das jedoch keine Alternative: „Wir brauchen schwule Berater“, erklärte er. Denn bei jungen Männern gebe es zum Beispiel Unsicherheiten, mit Frauen über Sexualpraktiken zu sprechen. Er hält den Schnelltest für eine wirksame Aids-Prävention: „Wenn man diesen Test einmal durchgestanden hat, dann wird das Risikoverhalten geringer.“

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