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Studium in Brandenburg: Flüchtlinge an den Unis willkommen
In Berlin dürfen Flüchtlinge nicht studieren. In Brandenburg ist es grundsätzlich möglich, wenn die entsprechende Eignung vorliegt. Bislang hat sich aber noch kein studierwilliger Flüchtling gemeldet.
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Potsdam - Eigentlich würde Azeb Berhane gerne weiter studieren. Die 27-jährige Wirtschaftsstudentin aus Eritrea ist als Asylbewerberin nach Potsdam gekommen, ihr Studium musste sie daher einfach abbrechen. Nun lebt sie im Staudenhof und sucht erst einmal einen Job. Für ihre Studienpläne sieht es hier gar nicht mal so schlecht aus. Denn im Gegensatz zum benachbarten Berlin, wo bislang ein Studium für Flüchtlinge nicht möglich war, ist es im Land Brandenburg theoretisch erlaubt. Vom Wissenschaftsministerium hieß es, dass studierwillige Flüchtlinge willkommen sind.
Fachkräftebedarf in Brandenburg: Ausländische Studierende willkommen
„Wir stehen dem Hochschulzugang für Asylberechtigte, die über eine entsprechende Qualifizierung verfügen, grundsätzlich positiv gegenüber“, sagte Wissenschaftsministerin Sabine Kunst (SPD) den PNN. Auch sehe das brandenburgische Hochschulgesetz keine entsprechenden Restriktionen vor. Das Landeshochschulrecht setze insgesamt auf einen breiten Hochschulzugang auch für ausländische Studierende, betonte Kunst. „Ein wichtiges Ziel ist dabei, den Fachkräftebedarf in unserer Region in den kommenden Jahren zu decken.“
In Berlin sieht es nach einem Schlagabtausch zwischen dem Bildungs- und Innenressort nun zumindest nach einer Lockerung der Beschränkung aus. Nun will man aber mit einer neuen Formulierung im Berliner Flüchtlingskonzept Geflüchteten doch noch die Hochschulen öffnen. Das Bildungsressort geht davon aus, dass die bislang restriktive Praxis der Innenverwaltung geändert werde. Bisher schrieben die Ausländerbehörde den Asylbewerbern „Studium nicht gestattet“ in die Papiere.
Unterschiedliche Zugänge in den Bundesländern
Bundesweit sieht die Praxis schon ganz anders aus, in vielen Bundesländern geht man eigene Wege. Die niedersächsische Landesregierung hat ein „Bildungspaket“ für Flüchtlinge aufgelegt. Wenn sie einen Aufnahmetest am Studienkolleg überdurchschnittlich gut bestehen und gute Deutschkenntnisse haben, können Asylbewerber dort auch ohne Zeugnisnachweise regulär studieren. In Nordrhein-Westfalen können Flüchtlinge ab dem Wintersemester als Gasthörer studieren – und zwar anders als üblich gebührenfrei, was die Schwelle für die oft mittellose Flüchtlinge erheblich senkt. Nur wenige Tage, nachdem die Uni das Programm vorgestellt hatte, seien bereits 15 Anfragen von Flüchtlingen eingegangen, so die Ruhr-Universität Bochum. Quer durchs Land – auch in Lüneburg, Greifswald, Duisburg, Bremen, Hildesheim und an der Uni Erlangen-Nürnberg – können Flüchtlinge Vorlesungen besuchen.
In der Regel können Gasthörer keine Hausarbeiten schreiben oder an Prüfungen teilnehmen und so Studienpunkte für ein Bachelor- oder Masterprogramm erwerben. Auch die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) macht sich nun für eine Studium für Flüchtlinge stark: Sie hat jetzt ihre Mitglieder bundesweit aufgefordert, „alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um Flüchtlingen ein Studium zu ermöglichen“.
Studium in Brandenburg ist grundsätzlich erlaubt
Das brandenburgische Hochschulgesetz setzt dem keine Schranken. Demnach sind ausländische Studienbewerber – einschließlich Asylbewerber – unter anderem dann zum Studium berechtigt, wenn sie im Ausland einen Bildungsnachweis erworben haben, der einer in Deutschland erworbenen Hochschulzugangsberechtigung gleichwertig ist, und über die für das Studium erforderlichen Sprachkenntnisse verfügen. Sofern sie nicht über die entsprechende ausländische Bildung verfügen, eröffnet das Gesetz auch die Möglichkeit, eine Zugangsprüfung an einer Hochschule zu absolvieren. Spezialregelungen, insbesondere den Hochschulzugang einschränkende Regelungen für Asylbewerber enthält das Gesetz nicht. Auch das Innenministerium bestätigte, dass das Studium Asylbewerbern in Brandenburg grundsätzlich erlaubt ist, wenn die hochschulrechtlichen Voraussetzungen gegeben sind. Allerdings könne die Ausländerbehörde nach eigenem Ermessen ein Studium im Einzelfall nicht gestatten, beispielsweise wenn der Betroffenen die Verzögerung einer Abschiebung selbst zu verantworten hat.
Gebrauch gemacht von der allgemeinen Studienmöglichkeit haben in Brandenburg allerdings noch keine Flüchtlinge. Zumindest an den großen Hochschulen des Landes gab es bislang noch keine Anfragen von Asylbewerbern für Studienplätze, auch nicht an der Universität Potsdam. Engagement in dieser Richtung gebe es allerdings auch an der Alma Mater, wie Uni-Sprecherin Silke Engel den PNN sagte. In Potsdam haben Studierende mit „Refugees welcome Brandenburg“ ein breit angelegtes Hilfsprojekt ins Leben gerufen, um Flüchtlinge zu betreuen, Sprachkurse anzubieten oder ihnen über Bildung die Integration zu erleichtern. So bieten Studierende im Rahmen des Projekts an, Grundlagen der Flüchtlings-Zusammenarbeit zu bündeln, Didaktik-Kurse zu geben und interkulturelle Kompetenz zu vermitteln. „Der Kreis der engagierten Studierenden wächst“, so Engel.
Hochschulen Potsdam: Arbeit an hochschulübergreifender Lösung
Wie sich die Uni Potsdam darüber hinaus einbringen kann, dazu sei für September eine interne Brainstorming-Runde mit allen Beteiligten der Hochschule geplant. Dabei sollen auch Vorschläge erarbeitet werden, wie die Universität Potsdam in der Angelegenheit mit der Landesregierung zusammen arbeiten kann. An der Filmuniversität Babelsberg misst man dem Thema ebenfalls hohe Relevanz bei. „Damit müssen wir uns beschäftigen und dafür sollte eine Regelung gefunden werden – idealerweise jedoch keine Insellösung, sondern eine hochschulübergreifende“, hieß es von der Filmuni, die als Kunsthochschule allerdings weniger breit zugänglich ist als andere Hochschulen.
An der Potsdamer Fachhochschule hat sich wie auch an den anderen Hochschulen bislang noch kein studierwilliger Flüchtling gemeldet. Im Falle einer Anfrage würde die Fachhochschule aber, in direkter Absprache mit dem jeweiligen Studiengang, beraten und Einzelfallentscheidungen treffen, erklärte FH-Sprecherin Jutta Neumann. Auch an der FH hat sich mittlerweile eine studentische Gruppe zusammengefunden, die Asylbewerbern generell helfen will. Das Team von vier Studenten der Kulturarbeit mit dem Namen ref.connect vermittelt Sprachmittler, die Flüchtlingen bei ihren Behördengängen, Arztbesuchen und sonstigen Terminen begleiten und unterstützen sollen.
Die Studierenden hatten im Rahmen des Studiums die Idee, einen Beitrag zur Willkommenskultur von Flüchtlingen zu leisten. „Wir sprachen mit Flüchtlingseinrichtungen, um herauszufinden, wo Bedarf besteht“, so das Team. So habe man erfahren, dass vor allem anfängliche Sprachbarrieren problematisch sind. „Deswegen wollten wir eine Plattform erstellen, auf der sich Sprachmittler registrieren können, um bei nicht zertifizierten Übersetzungstätigkeiten die Kommunikation des Geflüchteten zu verbessern.“
Deutschunterricht für Asylbewerber
Die Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) hält das Thema ebenfalls für wichtig. Daher prüfe man aktuell, inwieweit die Hochschule Teile ihres Studienangebotes für Asylbewerber öffnen kann – es wird über einen der Gasthörerschaft ähnlichen Status nachgedacht. Abgesehen vom Studium oder der Seminarteilnahme an unserer Universität unterstütze die Viadrina und ihre Studierenden jedoch bereits jetzt die Asylsuchenden in der Region. Die Hochschule suche aktiv den Dialog, erklärte Ulrike Polley von der Viadrina. Auch hier gibt es eine Gruppe Studierender, die sich um Asylbewerber kümmert. Die „Initiative Deutschunterricht für AsylbewerberInnen“ gibt zusammen mit dem Sprachenzentrum der Hochschule ehrenamtlich Deutschunterricht für Geflüchtete. Ein wichtiger Schritt in Richtung Studium, sind doch gerade die Deutschkenntnisse für eine Zulassung besonders wichtig. In einem anderen Projekt begleiten zwei Studierende unter Anleitung einer Dozentin die Entstehung eines selbstverwalteten Bewohnerbeirates in einer Flüchtlingsunterkunft in Frankfurt (Oder), aus den Ergebnissen sollen wissenschaftlich Seminar- und Masterarbeiten entstehen.
Auch an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde Eberswalde (HNE) engagieren sich die Studierenden, die Hochschule unterstützt die von Studierenden unserer Hochschule ins Leben gerufene Initiative Solidarität für Asylbewerber/innen. Der Eberswalder Förderverein für Studium und Lehre verlieh ihnen in diesem Jahr den Engagementpreis. „Generell spricht für die HNE Eberswalde nichts gegen eine Öffnung der stattfindenden Vorlesungen für Flüchtlinge, etwa als Gasthörer“, so HNE-Sprecherin Stefanie Schulze.
Keine Zeugnisse mehr
Letztlich bleiben natürlich auch in Brandenburg die Probleme der Anerkennung der Zeugnisse und die Tatsache, dass Deutschkenntnisse und teilweise auch der Besuch des Studienkollegs Voraussetzung für ein Studium von nichtdeutschen Bewerbern sind und Fragen der Finanzierung eines Studiums. Fraglich bleibt etwa, wie sich die Studierfähigkeit nachweisen lässt, wenn die Zeugnisse etwa auf dem langen Weg aus einem Kriegsgebiet nach Europa verloren gegangen sind. Zumindest sind hier von der zuständige Service-Agentur Uni-Assist kulante Regelungen in Aussicht gestellt worden.
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