Von Henri Kramer: Fragen an den Minister
Betrugsvorwürfe gegen Educon: Hätte Bildungsministerium Unregelmäßigkeiten früher erkennen müssen?
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Potsdam/ Berlin/ Cottbus/ Leuna - Hatte das brandenburgische Bildungsministerium schon früher als bisher bekannt Hinweise auf Unregelmäßigkeiten bei dem mit Betrugsvorwürfen konfrontierten Bildungsdienstleister Educon? Dieser Frage will die Grünen-Landtagsabgeordnete Marie-Luise von Halem aus Potsdam mit einer parlamentarischen Anfrage an die Landesregierung nachgehen. Nächste Woche soll der Fragenkatalog an Bildungsminister Holger Rupprecht (SPD) abgeschickt werden, sagte sie gestern. Von Halem hat den Verdacht, dass öffentlich geförderte Anbieter im privaten Bildungsbereich vom Bildungsministerium nicht scharf genug kontrolliert werden.
Im Fall Educon existieren dafür Indizien. Bereits Anfang Juni hat der Rundfunk Berlin-Brandenburg von einer früheren Schulleiterin der Educon-Gruppe in Cottbus berichtet, die schon 2006 das Ministerium über die aus ihrer Sicht dubiose Geschäftspraxis des Unternehmens informiert haben will. Sie habe bereits damals den Eindruck gehabt, dass in ihrer Schule weniger Schüler lernten als tatsächlich gemeldet und abgerechnet waren, sagte Anja Gertz, heute tätig beim Deutschen Erwachsenen-Bildungswerk des Landes Brandenburg. Und sie habe den Eindruck gehabt, dass ihre Hinweise nicht konsequent verfolgt würden.
Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft Potsdam gegen Personen aus der früheren und jetzigen Spitze der Educon-Gruppe wegen des Verdachts des Subventionsbetrugs. Es geht um Vorgänge, die bis in die Jahre 2005, 2006 zurückreichen. Nach einer Razzia der Ermittler Ende April hatte das Bildungsministerium einen Monat später drei staatlich geförderte Berufsfachschulen der Educon geschlossen und erklärt, Schülerzahlen seien gefälscht worden, um Zuschüsse zu erschleichen. Educon bestreitet alle Vorwürfe und droht mit Schadenersatzklagen. Doch Eilanträge der Educon gegen die Schulschließungen scheiterten vor dem Potsdamer Verwaltungsgericht. Inzwischen hat Educon dagegen Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingereicht.
Genauso unnachgiebig gibt sich nun das Ministerium. Erst kürzlich lehnte es weitere Anträge der Educon zur Erweiterung von Bildungsgängen ihrer Ersatzschulen sowie zur Errichtung von zwei Grundschulen ab – mit der Begründung, dass die „fachliche Eignung und Zuverlässigkeit des Schulträgers nicht mehr gegeben“ sei. Zugleich bestreitet das Ministerium, zu spät gehandelt zu haben.
Inzwischen geht die Behörde ausführlich auf die Umstände der Entdeckung des mutmaßlichen Betrugsfalls ein. Zu lesen ist dies in einer jetzt veröffentlichten Antwort des Ministeriums auf eine weitere parlamentarische Anfrage der Grünen im Landtag. So habe eine Educon-Tochter, die Akzent gGmbh, im Juni 2009 für ihre Berufsfachschule höhere Schülerzahlen und damit höhere Zuschüsse beantragt, so die Behörde – laut einer Statistik aus dem Ministerium stieg die Zahl der Schüler damals von null auf 246. Diese Angaben seien nicht „unmittelbar plausibel“ gewesen. Auch ein Teil der vorgelegten Schulverträge sei vom Ministerium nicht akzeptiert worden. Danach übergab die Educon noch einen weiteren Datenträger mit Schulverträgen. Die Behörde zahlte weiter Förderung.
Zahlte sie zu lange? „Dass die gescannten Schulverträge nicht mit den Originalverträgen übereinstimmten, stellte sich erst in jüngster Zeit heraus“, so das Ministerium rückblickend. Man habe im April Schüler der Akzent gGmbH angeschrieben mit Bitte um Auskunft über das Schulverhältnis. „Die Rückmeldungen verdeutlichten, dass die angegebenen Schülerzahlen nicht vollständig belastbar waren.“ Nach der Razzia der Staatsanwaltschaft habe man weitere Erkenntnisse erlangt. Von 871 gemeldeten Schülern hätten nur 313 nachgewiesen werden können, heißt es inzwischen beim Ministerium.
Zugleich räumt das Ministerium aber ein, dass bereits „seit einigen Monaten bekannt sei“, dass die Staatsanwaltschaft nach Strafanzeigen gegen die Educon ermittle. „Doch es lagen keine Informationen vor, ob es sich dabei auch um betrügerisches Vorgehen handelte – und allein die Information über staatsanwaltschaftliche Ermittlungen genügt nicht für ein Verfahren zur Aufhebung der Schulgenehmigung.“ Das stimmt nur halb: Erstmals hatten die PNN bereits im Februar über die Strafanzeigen wegen Betrugs und des Verdachts zweifelhaften Geschäftsgebarens der Educon-Führungsspitze berichtet.
Unklar bleibt zugleich, wie viel finanzieller Schaden dem Land Brandenburg entstanden ist, sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten. Derzeit prüft das Ministerium die von Educon angegebenen Schülerzahlen für 2008 / 2009, in denen das Unternehmen 4,37 Millionen Euro für 980 gemeldete Schüler bekam. Und seit 2006 / 2007 haben Educon-Schulen aus dem Haushalt des Landes weit mehr als zehn Millionen Euro erhalten.
Unterdessen mehren sich die Anzeichen, dass das Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten steckt, die PNN und mehrere Zeitungen berichteten darüber. Im vergangenen Jahr war dies noch anders. Da war die Educon-Tochter Akzent gGmbh sogar noch der Trikotsponsor der Handballer des VFL Potsdam. Zuvor war es die Educon-Gruppe selbst. Pikant: Präsident des VFL ist Brandenburgs Bildungsminister Holger Rupprecht. Auch dazu will von Halem eine Frage stellen.
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