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Sport: Freigepaddelt aus Tantes Fahrwasser

Fanny Fischer aus Potsdam will bei der Kanu-WM etwas von der sportlichen Erblast abtragen

Stand:

Die Gene verpflichten sie gleichsam zum Erfolg. Fanny Fischer vom Kanu-Club Potsdam, gerade mal 20 Jahre alt, hat, wenn man alles zusammen zählt, soviel sportliche Erbmasse vom Feinsten wie wohl kaum jemand sonst auf dem Planeten. Dafür steht nicht allein ihre Tante Birgit, die mit acht Olympiasiegen Deutschlands erfolgreichste Starterin unter den fünf Ringen ist. Auch Vater Frank hat es Anfang der 80er Jahre zu zwei WM-Titeln und diversen Medaillen im Zweier-Kajak gebracht und Mutter Sarina, in den Sportannalen unterm Mädchennamen Hülsenbeck geführt, war 1980 in Moskau Schwimm-Olympiasiegerin mit der 4mal- 100-m-Freistilstaffel der DDR.

Permanente Vergleiche wird die junge Paddlerin da so schnell nicht los. Für sie ist das mehr Last als Lust. „Das ist total schlimm. Ich will ganz schnell heiraten, damit mich keiner mehr damit in Verbindung bringt“, hat sie mal gesagt, als sie vor zwei Jahren mit der Tante im Boot saß, und dieses auch ohne Siege von der Öffentlichkeit angezogen wurde wie die Motte vom Licht. Aus Sicht der nicht eben medienverwöhnten Sportart freilich war das ein Glücksfall und Kanu-Legende Birgit Fischer wusste die Klaviatur durchaus gut zu bedienen. Sie sprach sogar davon, dass man sich angesichts der laschen Vermarktung der Athleten durch den Verband eben selbst darum bemühen müsse, sich „so gut wie möglich zu verkaufen“. Zwei Fischer in einem Boot, wie bei den EM und WM 2005, das kam da gerade recht. Fanny aber hat sich auf dem Schild „Ich trage einen großen Namen“ nie ausgeruht, sondern von Beginn an immer mit Leistung zurück gezahlt.

Nachdem sie 2004 bei den Junioren mit dem K4 EM-Gold gewann, holte sie sich nun Anfang Juli bei den Europameisterschaften im spanischen Pontevedra im 200-Meter-Zweier mit Nicole Reinhardt (Lampertheim) auch ihren ersten Titel bei den „Großen“. Überhaupt ist Fanny Fischer der Übergang von den Junioren zur Elite überzeugend gelungen. Von keinem Championat seitdem ist sie ohne Medaille zurückgekehrt. Bronze bei EM und WM 2005 (beides mit Tante Birgit), zweimal Silber bei der EM sowie Silber und Bronze bei der WM 2006 (mit Klubkameradin Katrin Wagner-Augustin und Gesine Ruge) und nun Gold und Silber mit Nicole Reinhardt – eine frappante Bilanz für eine 20-jährige, die, so sagt sie selbst, „erst am Anfang steht und noch jede Menge lernen kann und muss“.

Was Selbstbewusstsein vor dem Saisonhöhepunkt mit der Weltmeisterschaft in dieser Woche in Duisburg nicht ausschließt. Immerhin hat sie mit Reinhardt bei den beiden Weltcups der Saison auf den olympischen 500 Metern Platz 1 und 2 belegt. „Gold bei der Heim-WM, das wäre ein Traum“, verriet sie jetzt. Ganz gegenwärtig gemeint ist das, denn Fanny Motto lautet: „Träume nicht dein Leben, sondern lebe deine Träume.“ Als „sehr zurückhaltend“ beschreibt sie sich. Ein für Beobachter eher überraschendes Selbstbild. Denn sie ist aufgeweckt, klug, locker, schlagfertig, offen. Und sie kann über die eigenen Schwächen lachen. Die kennt sie ziemlich genau, zum Beispiel, wenn sie sagt „Faulheit? Oh ja, darüber könnte ich Romane schreiben ...“ Aber sie weiß auch, wie sie die Schwächen in den Griff bekommt – „Durchhalten ist die Devise!“

Mit zehn Jahren hat sie angefangen, im Verein zu paddeln, im Boot gesessen freilich hat sie viel früher. Die Urlaube der Familie, meist gemeinsam mit Tante Birgit und deren etwa gleichaltrigen zwei Kindern Ole und Ulla, fanden meist am Wasser statt. Urlaub war gestern, Training ist heute. Das forderte von der eher zierlichen Fanny des öfteren Tribut. Rückenprobleme schienen 1999/2000 sogar ihre Karriere zu beenden, ehe sie richtig begonnen hatte. Doch sie biss sich mit erstaunlicher Zähigkeit durch, 2003 stand sie bei der JWM erstmals auf den Podest. Was jetzt kommen soll, ist ihr nicht nur in sportlicher Hinsicht schon relativ klar. „Erstmal Duisburg, und dann ist Peking das Ziel. Wenn mich das nicht stimulieren würde, dann hätte ich im Spitzensport nichts zu suchen“, sagt sie.

Der aktuelle Zweier mit Reinhardt läuft sehr gut, auch wenn Fanny Fischer in den letzten Tagen mit einem leichten Sommer-Infekt zu kämpfen hatte, und auf der Position der Schlagfrau fühlt sich die Potsdamerin ausgesprochen wohl. Damals, mit der Über-Tante im Boot, da saß sie hinten und lernte mit jedem Schlag. Vergleichen will sie ihre bisherigen Partnerinnen deshalb auch nicht. „Ich habe überall was mitgenommen, war mit allen erfolgreich. Dass es jetzt so richtig rutscht, spricht ja nicht gegen die anderen. Aber vielleicht für mich.“ Die immer wiederkehrende Frage der Medien, ob es denn noch einmal zwei Fischer in einem Boot geben werde, treibt sie offenbar weit weniger um als die Journalisten. „Wenn Birgit Olympia angeht und bei den Qualifikationen sehr gute Einer-Leistungen bringt, ist sie dabei. Und dann wird man sehen, welches Boot dabei entsteht.“ Für den Kader der Athleten, die bei der NADA registriert sein müssen, wenn sie für die Spiele in Peking in Frage kommen wollen, hat sich die 45-jährige Ausnahme-Kanutin jedenfalls schon mal angemeldet.

45 wird Fanny Fischer im Jahre 2031, im Jahr darauf finden Olympische Sommerspiele statt. Dass sie dann noch paddeln wird, schließt sie nicht aus:„Aber bestimmt nicht als Leistungssportlerin.“ 2006 hat sie, mit einiger Mühe, erfolgreich ihr Abi „gebaut“, seit 1. September ist sie Sportsoldatin, einstweilen im Range einer Obergefreitin. Zwei, drei Jahre noch könne sie sich das vorstellen, sagt sie, „dann muss man was für den Geist tun, nur Profi, das geht nicht“. 40 Jahre alt und General, nein, das braucht sie nicht. „Da muss was für den Kopf her.“

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