Pumphaus oder Gotteshaus?: Freundliche Übernahme
Das Pumphaus an der Havelbucht sieht aus wie eine Moschee – manchmal wird hier wohl auch gebetet. Potsdamer Muslime sind das jedoch nicht.
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Es ist Potsdams skurrilstes Gebäude, das am Ufer der Neustädter Havelbucht steht. Das Dampfmaschinenhaus, das König Friedrich Wilhelms IV. von 1841 bis 1843 dort errichten ließ, sieht von außen täuschend echt wie eine Moschee aus. Und wird offensichtlich bisweilen auch für eine solche gehalten. Kürzlich wurden dort Muslime gesehen, die vor dem Gebäude beteten.
Ja, er habe auch schon gehört, dass dort hin und wieder gebetet wird, sagt dazu der Vorsitzende des Vereins der Muslime in Potsdam, Kamal Mohamad Abdallah. „Muslime können überall beten, die ganze Welt ist für uns eine Moschee.“ Vermutlich handelt es sich dabei um Neu-Potsdamer, auch Touristen und Potsdam-Besucher aus Westdeutschland oder Berlin, die kurzfristig im Internet nach einer Moschee suchen und dann an die Havelbucht kommen. „Die sagen uns dann später, die Moschee war geschlossen, also haben wir draußen gebetet.“
Flüchtlinge seien das vermutlich weniger. „In der Regel gehen wir auf neue Potsdamer, die einen Gebetsraum suchen, zu, kümmern uns auch um Flüchtlinge, bieten Beratung und Hilfe an“, sagt der Vorsitzende. Im Flüchtlingsheim am Staudenhof hat man von dieser Verwechslung noch nicht gehört. „Von unseren Heimbewohnern fahren viele in eine Moschee nach Berlin“, sagte eine Mitarbeiterin. Auch die Bewohner der Haeckelstraße wissen, dass das hübsche Gebäude an der Havelbucht nur Attrappe ist. Wo man tatsächlich beten kann, das teilen sich die Heimbewohner in der Regel untereinander schnell mit, so Friederike Hoffmann, Teamleiterin für Flüchtlingsunterkünfte vom Internationalen Bund.
Bei der Schlösserstiftung, der das historische Gebäude des Architekten Ludwig Persius gehört, ist man über diese sporadische Fremdnutzung als Gebetsort überrascht. „So etwas ist uns nicht bekannt“ , sagte Stiftungssprecher Frank Kallensee. Verboten sei es jedenfalls nicht, das Gelände drumherum ist öffentlicher Straßenraum. Doch auch wenn das Äußere einem maurischen Gebetshaus nachempfunden ist, weil es im 18. Jahrhundert durchaus als schick galt, fremde Baustile zu kopieren und es dem König gar nicht exotisch genug sein konnte, so sei es im Inneren völlig für seinen Zweck als Pumpstation eingerichtet. „Das ist zum Beten ein wenig attraktiver Ort – mit der lauten Wasserpumpe, die für Besucher angestellt wird, den diversen Antriebswellen und Riemen“, sagt Kallensee.
Heute ist das merkwürdige Pumphäuschen ein technisches Denkmal. Zunächst sollte nach Fertigstellung Mitte des 19. Jahrhunderts von dort mittels Windpumpen Havelwasser in das Hochbecken auf dem Ruinenberg gepumpt werden, um dann die große Fontäne unterhalb von Schloss Sanssouci zu speisen. Das aber funktionierte nicht. Erst nachdem 60 Jahre später eine Zweizylinder-Dampfmaschine der Borsigwerke, Baujahr 1842, in der „Moschee“ aufgestellt wurde, klappte die Wasserversorgung der Fontänenanlage im Park Sanssouci und des Botanischen Gartens. Die Kohle dazu wurde aus Schlesien auf dem Wasserweg herangeschafft – ein Riesenaufwand. Die Kohleverbrennung mit einem Wirkungsgrad von 0,3 Prozent lieferte immerhin 82 PS – und ließ die Fontäne 38 Meter hoch sprudeln. Heute wird die historische Pumpe von einem Elektromotor angetrieben. Während der Öffnungszeiten und Führungen ist diese in Betrieb zu erleben.
Potsdams Muslime beten in einem Gebetsraum Am Kanal. An manchen Tagen treffen sich dort mehr als 150 Gläubige. Wie viele Muslime in Brandenburgs Landeshauptstadt leben, kann Abdallah nicht sagen. Der Raum, den der Verein vor fünf Jahren für die Gläubigen herrichtete, ist jedoch mittlerweile zu klein. Zum wichtigsten Gebet der Woche Freitagabend ist kaum für alle Platz. „Wer nicht in den Raum passt, betet von draußen auf der Straße mit“, sagt Kamal Mohamad Abdallah. Weil das Freitagsgebet für Männer jedoch Pflicht ist, für Frauen optional, wurde bereits der Frauengebetsraum aufgelöst und der Raum den Männern zugesprochen. Gern würde der Verein neu bauen – doch für so ein Projekt fehlt derzeit das Geld.
Auch eine freundliche Übernahme der Persius-Moschee komme selbstverständlich nicht infrage, sagt Kamal Mohamad Abdallah. Natürlich könne man jeden Raum, der gewisse Bedingungen wie Sauberkeit erfüllt, zu einem Gebetsraum gestalten, indem man Teppiche auslegt. Aber das Dampfmaschinenhäuschen gehöre schließlich der Stiftung.
Von der Stiftung heißt es dazu: Sollte sich während der Öffnungszeiten ein Muslim in der Moschee zum Gebet niederlassen, werde man ihn freundlichst auf die Besucherordnung, wie sie in sämtlichen Schlössern gilt, hinweisen. „Dazu gehört auch Rücksichtnahme auf andere Besucher“, sagt Kallensee.
Geöffnet ab 1. Mai, Samstag und Sonntag 10 bis 18 Uhr.
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