Von Guido Berg: Frühchen-Klinik überfüllt
Neues Perinatalzentrum des Bergmann-Klinikums bereits zu klein / Chefarzt: Auslastung von 120 Prozent
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Innenstadt - Frühchen-Andrang im Klinikum: Obwohl erst 2008 eingeweiht, erweist sich das Perinatalzentrum des Potsdamer Klinikums „Ernst von Bergmann“ bereits jetzt als zu klein. „Wir haben in der Neonatologie, der Frühgeborenenstation, derzeit eine Auslastung von 120 Prozent“, erklärte Michael Radke, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, gestern bei einem Besuch von Gesundheitsministerin Anita Tack (Linke). Eine 70-prozentige Auslastung wäre „optimal“, so der Chefarzt. Erst in der Nacht zum Mittwoch sei im Klinikum das sechste Kind in diesem Jahr zur Welt gekommen, das bei der Geburt weniger als 1250 Gramm wog. Normal sind rund 3400 Gramm.
Als Grund für Vollbelegung aller 16 Brutkästen – so genannte Inkubatoren – nennt Radke die steigende Zahl an Geburten im Klinikum. Sieben bis acht Prozent aller Neugeborenen seien Frühchen. Mit der Zahl der Geburten steige auch die Zahl der Frühgeburten. Das Haus sei für 1200 bis 1400 Geburten pro Jahr ausgelegt. Derzeit seien es über 1700 Geburten im Jahr – „Tendenz steigend“, so der Klinikchef. Wie Christoph Fehlandt, Oberarzt der Frühchenstation, ergänzte, sei das vor 20 Jahren erarbeitete Konzept nunmehr „veraltet“.
Indes reagiert die Klinik mit neuen Strukturen und neuem Personal auf die Überlastungssituation, die Fehlandt zufolge bereits seit Oktober 2010 anhält. Ein Arztzimmer werde geräumt und für die Frühchenbetreuung bereit gestellt. Ab 1. März wechselt ein Oberarzt von der Berliner Charité zum Bergmann-Klinikum, erklärte Radke. Ab 1. April sollen drei Schwestern folgen, ebenfalls von der Charité kommend. Zudem, so der Chefarzt, „werden wir bei der Technik aufrüsten“.
Zunehmend werden Chefarzt Radke zufolge auch schwangere Frauen aus dem ländlichen Bereichen Brandenburgs bei Verdacht auf die Gefahr einer Frühgeburt in das Potsdamer Zentrum für Frauen- und Kinderheilkunde des Bergmann-Klinikums gebracht. Diese Entwicklung begrüßt Radke außerordentlich und würde sie gern durch eine weitere Aufklärung bei Ärzten und Kliniken im Land befördern. „Wir wollen, dass das Risikokind noch rechtzeitig – im Bauch der Mutter – in unsere Klinik kommt“, fordert Friedrich Dreßler, Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, im Beisein der Gesundheitsministerin.
Als Beispiel schilderte Radke, Spezialist für Magen-Darm-Erkrankungen bei Kleinstkindern, den „bereits ausgewerteten Fall“ der kleinen Hanna. Noch im Bauch der Mutter wurde das Kind per Hubschrauber vom Neuruppiner Klinikum in das Klinikum der Stadt Brandenburg (Havel) geflogen, wo es mit 540 Gramm Geburtsgewicht zur Welt kam. Erst dann kam das Neugeborene – wieder per Hubschrauber – in die Neonatologie des Bergmann-Klinikums, wo es operiert werden konnte. Chefarzt Radke: „Das Kind hätte gleich zu uns kommen müssen.“
Gleichsam erkennt Radke die Kompetenz der Berliner Charité bei notwendigen Herzoperationen bei Frühchen an. Werde bereits im Mutterleib die Notwendigkeit eines Herz-Eingriffes erkannt, gehörten Mutter und Kind gleich in die Charité. Radke spricht sich ferner für eine Förderung der Medizin der Maximalversorgung in den Zentren aus. Nur in den Zentren sei es möglich, hochqualifizierte Spezialisten zu halten. Gute Medizin sei nur in guten Strukturen möglich.
Klinikchef Radke informierte Gesundheitsministerin Tack gestern zudem über ein Kind, das vor drei Wochen mit Organversagen ins Klinikum gekommen war. Ursache war eine Erkrankung an der so genannten Schweinegrippe. „Dem Kind geht es wieder gut“, so der Chefarzt. Erst vor wenigen Tagen war in der Charité eine Neunjährige aus Schwedt an der Schweinegrippe gestorben.
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