
© dpa
Homepage: Für den Fall der Fälle
Institut für Sicherheit zur Risikokommunikation
Stand:
„Solange alles gut läuft, ist die Risikokommunikation eigentlich kein Thema“, stellt Hans-Peter Weinheimer fest. An der Universität Potsdam hat der Arbeitskreis Risikokommunikation für das Brandenburgische Institut für Gesellschaft und Sicherheit (BIGS) im vergangenen Jahr unter der Leitung von Weiheimer eine Studie erarbeitet. Die möchte zunächst einmal erklären, was unter „Risikokommunikation“ zu verstehen ist und dann aufzeigen, wie Behörden, Medien und Bevölkerung im Katastrophenfall miteinander umgehen sollten, um möglichst schnell Herr der Lage zu werden.
„Die Deutschen neigen zwar generell dazu, mögliche Risiken zu dramatisieren, letztlich bekommen sie aber doch alles in den Griff“, meint Jürgen Storbeck, Abteilungsleiter für Brand- und Katastrophenschutz im Innenministerium Brandenburg. Die Katastrophe im Atomkraftwerk von Fukushima habe sich zwar in einer Entfernung von 9000 Kilometern Entfernung abgespielt. Dennoch habe sich so mancher Bürger in Deutschland mit dem Gedanken getragen, einen Geigerzähler zu kaufen und das Obst und Gemüse aus dem eigenen Garten zu vernichten. „In England haben sie mich gefragt, was da eigentlich los sei in Deutschland“, erzählt Storbeck. Nicht zuletzt aufgrund gelegentlich überzogener Reaktionen sei es notwendig, bereits im Vorfeld für den „Fall der Fälle“ vorauszuplanen.
Was dieser Fall aber nun ist, darüber sind sich die Experten nicht so ganz einig. Deutschland sei ein „vergleichsweise katastrophenarmes Land, das bisher von Naturkatastrophen, industriellen Unfällen und terroristischen Anschlägen mit sehr hohen Opferzahlen“ verschont geblieben sei, stellt der Bericht fest. Das Bewusstsein über mögliche Gefahren sei auch nicht sonderlich ausgeprägt. Institutionen, die sich mit der Kommunikation in bedrohlichen Situationen befassen würden, gebe es aber einige, wie beispielsweise Bundesinstitut für Risikobewertung oder auch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. In diese Reihe gehöre auch die Europäische Zentralbank, denn diese ermögliche es in „krisenhaften Situationen das Vertrauen von Geschäftsbanken und Finanzjournalisten bei der Bewältigung zu gewinnen“.
Globale und europäische Finanzverwerfungen würden jedoch willkürlich herbeigeführt. Deshalb seien sie nicht sonderlich tauglich als Beispiele unvorhersehbarer Katastrophen. Die Studie beschreibt noch andere Szenarios. Die „Vogelgrippe“ und auch die „Schweinegrippe“ hätten gezeigt, dass längerfristige Aufklärung unabhängig vom unmittelbaren Anlass notwendig sei. Eine weitere Bedrohung, die sich bisher glücklicherweise nicht realisiert habe, sei der Nuklearterrorismus.
Welche Schlussfolgerungen sollen aus durchaus denkbaren Katastrophenszenarios gezogen werden? Einig waren sich die eingeladenen Experten in der Einschätzung, dass es notwendig sei „mit dem Bürger auf Augenhöhe zu kommunizieren“. Dies sei zwar ein hoch gestecktes Ziel, dennoch gehe der Trend ohnehin zu immer mehr Bürgerbeteiligung. Dies sei notwendig. Auch die eher behäbigen Behördenapparate seien aufgerufen, moderne Kommunikationsstrategien wie Twitter, facebook und andere „social media“ im Krisenfall zu nutzen.
Die Kommunikation über Risikoszenarien müsse im Vorfeld, in „ruhigen Zeiten“ geschehen. Wie dies aussehen kann, hat das Bundesamt für Katastrophenschutz seit 2004 jährlich in verschiedenen Übungen unter dem Label „Lükex“ durchexerziert. Die „Länderübergreifende Katastrophenmanagement Übung“ hat in den vergangenen Jahren Trockenübungen zu den Themen „Stromausfall und Terroranschlag“, „WM 2006“, „Pandemie“ und „schmutzige Bombe durchgeführt. Es waren bis zu 3000 Personen in den entsprechenden Krisenstäben bei den Übungen involviert. Katastrophen wie die bei der Love Parade 2010 in Duisburg haben allerdings gezeigt, dass auch das schönste behördliche Planspiel scheitert, wenn Warnungen vor möglichen Risiken im Vorfeld ignoriert werden. Richard Rabensaat
Richard Rabensaat
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: