Sport: „Fußball ist 80 Prozent Kopfarbeit“ Turbine Potsdams Coach Bernd Schröder über die Spiele gegen Budapest in der Champions League und die momentane Situation in seinem Team
Herr Schröder, Turbine Potsdam kann doch schon für das Achtelfinale der UEFA Women’s Champions League planen, weil die Spiele am Donnerstag und nächsten Mittwoch gegen den MTK Hungaria FC in der Runde der besten 32 Teams nur Formsache sind. Oder?
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Herr Schröder, Turbine Potsdam kann doch schon für das Achtelfinale der UEFA Women’s Champions League planen, weil die Spiele am Donnerstag und nächsten Mittwoch gegen den MTK Hungaria FC in der Runde der besten 32 Teams nur Formsache sind. Oder?
Wir als Trainer und Funktionäre gucken schon ein bisschen auf das Achtelfinale. Unsere Mannschaft darf sich davon aber nicht beeindrucken lassen, sondern muss sich voll auf MTK Hungaria konzentrieren. Und da lassen wir auch nichts anbrennen.
Wie sind die Ungarinnen einzuschätzen, die sich in der Qualifikationsphase mit Siegen gegen Klubs aus der Ukraine, Irland und Nordirland durchsetzten?
Obwohl der ungarische Frauenfußball nicht so stark ist wie die europäische Spitze, gibt es sehr gute Spielerinnen, die teilweise auch in der deutschen Bundesliga zu erleben sind. Und Hungaria hat ebenfalls einige gute Einzelspielerinnen.
Beispielsweise Mittelfeldfrau Fanni Vago, die in der Qualifikation dreimal traf. Was wissen Sie über den Klub aus Budapest?
Er wurde 2005 und seit 2010 viermal in Folge Landesmeister und in diesem Jahr zum dritten Mal ungarischer Pokalsieger.
Haben Sie den Gegner beobachtet oder beobachten lassen?
Nein, wir kennen bisher nur die Ergebnisse aus der Qualifikationsrunde. Es war schwer, Videomaterial über diese Spiele zu bekommen, so dass uns nur Bilder von Youtube blieben. Es wäre aber nicht gut, wenn wir uns zu sehr mit dem Gegner beschäftigen. Wir müssen uns vor allem auf unser eigenes Spiel konzentrieren.
Welches Ergebnis im Budapester Hidegkuti-Stadion wäre optimal.
Zunächst erst einmal ein Sieg, und einer mit mit zwei oder drei Toren Unterschied würde uns angesichts unserer eigenen Ansprüche gut zu Gesicht stehen.
Turbine ist Favorit gegen Hungaria, in der bisherigen Saison aber trotz der momentanen Liga-Tabellenführung auch noch nicht so richtig in Schwung gekommen, oder?
Das stimmt, wir bringen noch längst nicht die Leistung, die wir uns selbst vorstellen. Bei Gegentoren ist derzeit eine kollektive Verunsicherung festzustellen, obwohl wir bis zu diesem Zeitpunkt das Spiel klar beherrschen. Das Pokal-Aus in Essen, wo wir bis zur 76. Minute 2:0 führten und dann noch 2:3 verloren, hat ein gewisses Trauma in unserer Mannschaft hervorgerufen, das wir noch nicht überwunden haben. Dass wir gegenwärtig mit Jennifer Cramer, Ada Hegerberg, Tabea Kemme, Anna Felicitas Sarholz und Stefanie Mirlach zahlreiche Verletzte haben, erschwert die Sache zusätzlich.
Es fällt auf, dass Ihre Mannschaft derzeit in der Schlussphase, die bislang als Turbines Stärke galt, Gegentore kassiert.
Man könnte annehmen, dass die Mannschaft keine 90 Minuten Tempofußball spielen könne. Aber Fußball ist 80 Prozent Kopfarbeit, und viele unserer Spielerinnen sind im Moment noch weit davon entfernt, in bestimmten Situationen eine gewisse Souveränität auszustrahlen. Wenn dann die spielerische Qualität nicht stimmt, muss dies durch Willensqualität kompensiert werden. Und das machen wir im Moment nicht. Dazu kommt, dass mittlerweile die meisten Bundesliga-Mannschaften das Tempo 90 Minuten hochhalten können.
Aufs Tempo drücken Sie in Budapest auch nach dem Hinspiel – Turbine fliegt am Donnerstagabend gleich heim. Warum?
Wir haben keine Zeit zu verlieren, denn am Sonntag steht unser schweres Bundesligaspiel bei Bayer Leverkusen auf dem Programm. Das liegt nicht um die Ecke, deshalb müssen wir am Samstag schon wieder los.
Und drei Tage nach dem Rückspiel gegen den MTK Hungaria am nächsten Mittwoch kommt am Samstag der Deutsche Meister VfL Wolfsburg ins Karl-Liebknecht-Stadion
Wenn wir in Leverkusen nicht gewinnen, wird schon ein gewisser Druck auf unserer Mannschaft lasten. Ich glaube nicht, dass Wolfsburg in den jetzigen Champions-League-Spielen gegen Pärnu JK aus Estland stärker gefordert wird als wir gegen Hungaria. Das Spiel gegen den Meister wird eine Stunde der Wahrheit für uns.
Ebenso wie in der Champions League das Achtelfinale, wenn Sie es erreichen. Dann wartet aller Voraussicht nach mit Olympique Lyon der zweifache Champions-League-Sieger, der es jetzt mit dem FC Twente zu tun hat und den Turbine 2010 im Finale knapp bezwang, ehe Lyon im Finale 2011 und im Halbfinale 2012 Potsdam schlug.
Wir treffen immer früher aufeinander und sind diesmal schon ganz zeitig dran, das Gewicht der Waage zu sehen. Lyon ist eine sehr routinierte Mannschaft mit Top-Leuten, die seit Jahren zusammenspielt und nicht schlechter geworden ist. Dass wir erst zu Hause spielen würden, müsste nicht von Nachteil sein, weil man daheim vorlegen kann. Zunächst aber müssen wir erst einmal MTK Hungaria überwinden.
Das Interview führte Michael Meyer.
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