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Homepage: Gaba, gaba im Sprachlabor
Im Baby-Lab der Universität Potsdam untersuchen Forscher den Erwerb der Muttersprache von Kindern
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„Experiment läuft“ steht an einer Bürotür auf dem Universitätscampus in Potsdam-Golm. Dahinter konzentriert sich Hermine Ebell auf die Klänge von einer CD. „Gaba, gaba, gaba“, tönt es aus dem Lautsprecher. Die Potsdamerin hilft bei der Sprachforschung. Nicht als Forscherin, sondern Studienobjekt. Denn mit ihren Reaktionen gibt die zehn Monate alte Hermine den Wissenschaftlern des Baby-Labs Hinweise zum Spracherwerb von Kindern.
1996 öffnete das Baby-Lab in Potsdam als erstes seiner Art in Deutschland, wie Professorin Barbara Höhle, die wissenschaftliche Leiterin, sagt. Heute gibt es vergleichbare Einrichtungen beispielsweise in Göttingen und Konstanz, in Spanien, Frankreich, den Niederlanden und Großbritannien. In den mittlerweile sechs Laboren in Potsdam mit 20 Mitarbeitern wird nicht nur das Sprachverständnis von Kindern erforscht, sondern auch die Informationsverarbeitung.
Hermine Ebells Testreihe ist Teil eines Studienprojektes, das die Universitäten in Potsdam und Paris seit 2010 gemeinsam durchführen. Die Wissenschaftler wollen herausfinden, wie und wann Babys Betonung, Sprachmelodie und -duktus verarbeiten. „Mehrere Hundert Kinder haben bereits daran teilgenommen“, sagt Tom Fritzsche, der Psychologisch-Technische Assistent des Labors.
Bis zu acht Minuten würden ihnen Silben oder Sätze vorgespielt und ihre Reaktionen per Kamera beobachtet. Erkennen die Babys vertraute Betonungsmuster, drehen sie in der Regel ihren Kopf zum Lautsprecher. Die Forscher messen, wie lange die Kinder dem akustischen Reiz ihre Aufmerksamkeit schenken. „Das Verfahren stammt aus den USA und wird „Head Turn Preference Procedure“ oder Kopfdreh-Methode genannt“, erklärt Barbara Höhle.
Hermine Ebell horcht immer dann auf, wenn der „Gaba“-Singsang auf der ersten Silbe betont wird. „Das entspricht der deutschen Sprachmelodie und ist Hermine vertraut“, erklärt Tom Fritzsche. Im Französischen sei es umgekehrt. Die Betonung liege meist auf der zweiten Silbe. Auf das entsprechende „Gabá“ reagiert Hermine nicht. Im Alter von sechs bis sieben Monaten beginnen Babys, den Unterschied herauszufiltern, wie Fritzsche erklärt.
Das deutsch-französische Projekt läuft drei Jahre lang bis 2013. „Wir hoffen auf eine Verlängerung“, sagt Barbara Höhle. Im Laufe der Studien seien wichtige Ansatzpunkte für weitere Forschungen aufgetaucht. Bislang seien in dem Projekt Kinder beobachtet worden, die einsprachig aufwüchsen. Die Forscher fragten sich nun, wie sich Kinder verhalten, die bilingual aufwachsen. Das Team will herausfinden, wann und wie die Babys die unterschiedlichen Betonungen und den Sprachduktus für sich verarbeiten.
Im Laufe der Studien seien auch bereits wertvolle Erkenntnisse in der Grundlagenforschung zutage getreten, sagt Höhle. Normalerweise würden Probleme beim Erlernen einer Muttersprache bei Kindern erst im Alter zwischen drei und fünf Jahren festgestellt. Die Tests zeigten jedoch, dass diese Schwächen bereits im Alter bis zu zwölf Monaten erstmals auftreten würden. „Diese Ergebnisse sind wichtig und sehr interessant“, sagt Hermines Mutter Dörte Ebell. Auch mit ihrer erstgeborenen, heute vier Jahre alten Tochter war sie bereits im Potsdamer Baby-Lab zu Gast. Beatrice George
Beatrice George
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