Landeshauptstadt: Gefährliche Blutsauger
Sieben Prozent der Potsdamer Zecken tragen Borreliose-Erreger in sich / Bereits 25 Erkrankungen gemeldet
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Zeckengefahr in der Landeshauptstadt: Nach Angaben des Gesundheitsamtes erkrankten allein in diesem Jahr bis Anfang Juli bereits 25 Potsdamer an Borreliose – einer Krankheit, die durch die Spinnentierchen übertragen wird und den gesamten menschlichen Organismus befallen kann. Im Gegensatz zu den vergangenen zehn Jahren scheint die Zahl der Borreliosefälle allerdings erstmals wieder zu sinken: 2005 infizierten sich im gleichen Zeitraum noch 27 Bewohner der Landeshauptstadt mit der in Brandenburg meldepflichtigen Krankheit.
Landesweit wird der Rückgang noch deutlicher: Während 2005 bis zum Juli 546 Borreliose-Infektionen den Gesundheitsämtern gemeldet wurden, sind es in diesem Jahr bisher lediglich 446 – also 100 Fälle weniger. Das könnte unter anderem daran liegen, dass die Sensibilität für dieses Thema gestiegen ist. Ihre Patienten interessierten sich mittlerweile sehr für die Gesundheitsrisiken durch Zeckenstiche, so die Potsdamer Hautärztin Sylvia Ludwig. Die Hinweis-Broschüren dazu, die sie in ihrer Praxis im Gesundheitszentrum in der Hebbelstraße ausgelegt hatte, seien binnen eines Monats vergriffen gewesen. Zwar übertragen die Zecken in Brandenburg und Potsdam nicht die Erreger der äußerst gefährlichen Gehirnhautentzündung FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis). Doch immerhin sieben Prozent aller Potsdamer Zecken sind mit den Borreliose-Erregern, den Borrelien Burgdorferi, verseucht, so Gudrun Hennig vom Potsdamer Gesundheitsamt. Im Süden der Bundesrepublik sei sogar jede dritte Zecke mit den Bakterien verseucht.
Sobald es wärmer wird und die Gartensaison beginnt, müsse sie die ersten Zeckenstiche behandeln, so Ärztin Ludwig. Die Einstichstellen sollten mindestens vier Wochen lang beobachtetet werden, ob Hautrötungen auftreten. Diese könnten auf eine Borreliose-Erkrankung hinweisen. Diese ist allerdings erst nach sechs bis acht Wochen im menschlichen Blut nachweisbar. Deshalb sollten sich Menschen, die im Frühjahr und Sommer von mehreren Zecken befallen waren, im Herbst oder Winter auf Borreliose untersuchen lassen, rät Sylvia Ludwig. Denn die Krankheit kann äußerst gefährlich sein. Infizierte Menschen leiden häufig zunächst unter grippeähnlichen Symptomen wie Fieber und Kopfschmerzen. Hinzu kommt, dass die Borreliose eine „Chamäleonkrankheit“ sei, so Gesundheitsamtsärztin Hennig. Sie könne viele Symptome haben: Gelenkkrankheiten wie Arthritis genauso wie Gesichtslähmungen, Störungen des Seh- und des Tastsinns oder Herzprobleme. Bleibende Folgeschäden sind auch nach der üblichen Behandlung mit einem Antibiotikum möglich. In sehr seltenen Fällen kann die Borreliose tödlich enden.
Um auf die Krankheit aufmerksam zu machen, hängen in einigen Potsdamer Kindergärten derzeit an den schwarzen Brettern Zeckenwarnungen. Auch in der Kita Fridolin in der Alleestraße. Die Leiterin Waltraud Sawade hatte sich auf dem dicht bepflanzten Spielplatz der Kita vor zwei Wochen selbst einen Holzbock „eingefangen“: „Einen ganz kleinen schwarzen, wie ein Punkt, der sich in die Haut bohrt.“ Nun fordert sie die Eltern auf, ihre Kinder jeden Abend gründlich nach Zecken zu durchsuchen und gegebenenfalls einen Arzt zu konsultieren. Denn die winzigen Blutsauger lauern meist an Sträuchern und langen Gräsern ihren künftigen Wirten, den Menschen und anderen Säugetieren, auf.
Hennig befürwortet die Warnhinweise in Kindereinrichtungen. Das zeitnahe Absuchen des Körpers sei die einzige Methode, sich vor einer Borreliose-Erkrankung zu schützen. Denn die Erreger gehen erst zwölf bis 24 Stunden nach dem Stich in den menschlichen Körper über. Darum sollte jeder, der einen Holzbock an seinem Körper entdeckt hat, diesen „so schnell wie möglich“ entfernen, empfiehlt Sylvia Ludwig. Wer eine Pinzette zur Hand habe, sollte diese ganz nah an der Haut ansetzen und ziehen – zur Not auch mit den Fingernägeln. Herausdrehen müsse man die kleinen Insekten nicht, so die Ärztin: „Zecken haben ja kein Gewinde.“ Ihre Beißwerkzeuge ähnelten eher dem Maul eines Sägefischs. Häufig müssten die Tiere „mit Gewalt“ entfernt werden, weil sie sehr fest sitzen, so Ludwig. Falls dabei Teile des Kopfes in der Haut stecken blieben, sei das nicht weiter gefährlich. Der Körper stoße die Reste ab. Die Mär vom sich weiter durch den Körper bohrenden Zeckenkopf sei „totaler“ Quatsch.
Wer sich nicht traue, nach einem Stich die Zecke selbst zu entfernen, könne sich auch an einen Arzt wenden. Auf jeden Fall sei es falsch, wie teilweise verbreitet, auf die Zecke Öl oder Schmalz zu schmieren, um sie zu ersticken. Im Todeskampf würde der Parasit seinen gesamten Magen- und Darminhalt in die menschliche Blutbahn abgeben und somit auch die Borrelien, die im Darm der Insekten sitzen.
Eine Impfung dagegen – etwa wie gegen die ebenfalls von Zecken übertragene Gehirnhautentzündung – gebe es bisher noch nicht. Und auch Zeckenschutzmittel auf die Haut aufzutragen helfe nur bedingt, so Ludwig. Denn diese wirken meist lediglich zwei Stunden. Am besten schütze man sich mit langer Kleidung. Allerdings würden die Zecken auch die Hosenbeine hochklettern. Doch „so schnell kriegt man keine Borreliose“, beruhigt Hennig. Laut Gesundheitsamt infizieren sich nur rund 20 Prozent aller Menschen, die von einem borrelienverseuchten Holzbock gestochen wurden, tatsächlich.
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