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Verantwortung lernen. Schon wenige Mengen Alkohol können zu Beeinträchtigungen der Bewegungen führen, was vor allem im Straßenverkehr gefährlich ist – auch bei Fußgängern und Radfahrern. In Ernstfällen ist vor allem schnelle Hilfe wichtig.

© Jens Büttner/dpa

Alkoholkonsum von Jugendlichen in Potsdam: Gegen den hemmungslosen Rausch

Potsdamer Schüler diskutierten mit Experten über den richtigen Umgang mit Alkohol. Sie zeigten sich dabei schon relativ abgeklärt und verantwortungsbewusst

Von Sarah Kugler

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Jugendliche von heute trinken einen Alkopop nach dem anderen, bewegen sich alkoholisiert rücksichtslos im Verkehr und suchen den Kick im Rausch. Oder vielleicht doch nicht? Potsdams Oberarzt für Kinder- und Jugendheilkunde im Klinikum „Ernst von Bergmann“ Bernhard Kosak kam am gestrigen Dienstag jedenfalls zu einem anderen Schluss.

Gemeinsam mit der Staatssekretärin des Brandenburger Verkehrsministeriums, Katrin Lange, Comedian Markus Majowski, Regisseur Simon Ostermann, DAK-Brandenburg-Leiter Ralf Seifert und einer Schülerin des Schillergymnasiums Anna* nahm er an einer Podiumsdiskussion im Thalia-Kino teil, in der es um den Umgang von Jugendlichen mit Alkohol ging. Das Gespräch, moderiert von PNN-Vize-Chefredakteur Alexander Fröhlich, fand im Rahmen der Aktion „Bunt statt blau – Kunst gegen Komasaufen“ satt, die bereits zum sechsten Mal von der Krankenkasse DAK und Brandenburgs Bauministerium organisiert wurde. Dabei entwerfen Schüler Plakate gegen Komatrinken, die von einer Jury ausgezeichnet werden. Der diesjährige Gewinner stammt aus Falkensee, den dritten Platz belegte eine Schülerin vom Evangelischen Gymnasium Hermannswerder.

Die gestrige Diskussion fand dann mit über 300 Zehntklässlern aus dem Humboldt-Gymnasium, dem Schiller-Gymnasium und dem Gymnasium Hermannswerder statt, die vor allem den Ausführungen des Potsdamer Arztes Kosak interessiert lauschten. Der kritisierte unter anderem fröhlich inszenierte Alkoholwerbungen und plädierte für einen kostenlosen Wasserausschank in Bars. „Ein Glas Wasser kostet fast so viel wie ein Bier“, so Kosak. „Dabei könnten so viele Totalausfälle verhindert werden, wenn die Jugendlichen einfach mehr Wasser zwischendurch trinken würden.“

Allein in diesem Jahr seien bereits rund 20 Jugendliche unter 18 Jahren mit einer Alkoholvergiftung auf seiner Station im Bergmann-Klinikum eingeliefert worden, sagte Kosak. Letztes Jahr waren es insgesamt etwa 40. „Hauptsächlich landen Zwölf- bis Vierzehnjährige bei uns. Das hat einfach den Grund, dass die Älteren es meistens noch alleine nach Hause schaffen.“ Kosak betonte, wie wichtig es sei, dass sich die Jugendlichen in einer Gruppe untereinander helfen und im Ernstfall auch einen Krankenwagen rufen. Gerade bei niedrigeren Temperaturen könne es schnell gefährlich werden, wenn ein Mensch alkoholisiert irgendwo zusammenbricht und liegen bleibt. „Es kommt zur drastischen Unterkühlung und im schlimmsten Fall sogar zum Tod des Betroffenen“, sagte der Oberarzt. „Deswegen helft euch gegenseitig, lasst denjenigen nicht alleine.“ Ob jemand wirklich in ärztliche Behandlung muss, erkenne man daran, dass derjenige überhaupt nicht mehr reagiert. „Drückt man beispielsweise auf den Brustknochen, tut das normalerweise sehr weh“, erklärte er. „Wenn darauf keine Reaktion mehr kommt, ruft sofort einen Krankenwagen“, riet er den Schülern.

Auf die Frage der Schüler, ab wann man von Alkoholabhängigkeit sprechen kann, sagte er, dass eine Regelmäßigkeit des Konsums dafür spreche. Außerdem spreche man von Abhängigkeit, wenn Alkohol oder Drogen dazu gebraucht würden, mit schwierigen Situationen fertig zu werden. Staatssekretärin Lange warf dabei ein, dass gerade der letzte Punkt gefährlich sei „Man muss sich immer vor Augen führen, dass die Probleme am nächsten Tag immer noch die gleichen sind“, sagte sie. „Da ist es sinnvoller, den Stressabbau im Sport zu suchen.“ Außerdem warnte sie nachdrücklich davor, sich alkoholisiert im Straßenverkehr zu bewegen. Das gelte auch für Fußgänger und Radfahrer. Die größte Gefahr gehe aber von alkoholisierten Autofahrern aus. Sie plädiere daher für die Einführung einer Null-Promille-Grenze. Im letzten Jahr seien 18- bis 24-jährige Autofahrer an insgesamt 1500 Unfällen im Land beteiligt gewesen, bei 111 davon war Alkohol der Grund.

Die Schüler zeigten sich von den Belehrungen relativ unbeeindruckt und meinten, dass die Erwachsenen ihnen auch ein wenig Vertrauen entgegenbringen müssten, schließlich seien sie durch das Internet schon sehr aufgeklärt. „Klar feiern wir am Wochenende mal und schlagen dabei vielleicht auch mal über die Stränge“, so Schülerin Anna. „Aber man lernt auch daraus und nimmt sich dann beim nächsten Mal etwas zurück.“

Kosak rate deshalb auch zu einem offenen Umgang mit dem Thema. Eltern sollen nicht mit dem erhobenen Zeigefinger alles verbieten, sondern Jugendliche auf Familienfeiern ruhig mal vom Bier oder Wein probieren lassen. „Man muss euch bei aller Vorsicht auch die Chance geben, euch auszuprobieren und auch die Erfahrung des Katers am nächsten Morgen machen lassen“, so Kosak. „Ich habe den Eindruck, dass ihr schon ganz gute Ideen habt, wie ihr euch bessere Kicks als Drogen und Alkohol holen könnt.“

* Name von der Redaktion geändert

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