
© Manfred Thomas
Potsdam: Gegenwind für Neonazis
Am Waldstadtspaziergang gegen Rechtsextremismus nahmen am Samstag rund 300 Menschen teil. Es sind weitere Aktionen im Stadtteil geplant.
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Waldstadt II - Knapp 300 Potsdamer haben am Samstag in der Waldstadt gegen die zunehmende Präsenz von Neonazis in dem Plattenbauviertel demonstriert.
Der Anlass des friedlichen Marschs: Am 9. November, dem Gedenktag der Reichspogromnacht von 1938, hatten bis zu 50 Neonazis bei einem nächtlichen Fackelzug den gescheiterten Hitler-Ludendorff-Putsch von 1923 betrauert und rechtsextreme Parolen gerufen. Zudem gab es in den vergangenen Monaten wie berichtet immer wieder Warnungen, dass die rechtsextreme Szene in der Waldstadt zunehmend auffällig wird – weniger durch Gewalttaten, dafür aber mit Propaganda und Einschüchterungsversuchen.
Das will Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) nicht dulden, erklärte er gleich zu Beginn des „Waldstadtspaziergangs“. Der Fackelzug der Rechtsextremen sei „geschmacklos“ und eine „offene Provokation“ gewesen. Mit der bunten Demonstration solle nun ein Zeichen gesetzt werden, „dass solches Verhalten in Potsdam nicht toleriert wird“. Speziell in der Waldstadt gebe es „Versuche“, rechtsradikale Propaganda zu streuen. „Die Rechten schlafen nicht in Potsdam.“ Man dürfe die Gefahr von Neonazis nicht unterschätzen. Mit Blick auf die Mordserie der Gruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) kritisierte Jakobs, dass die Strafverfolgungsbehörden in dem Fall bedauerlicherweise nicht „die nötige Aufmerksamkeit“ gezeigt hätten.
Bei dem rund halbstündigen Marsch durch die Straßen Am Kahleberg und Am Jagenstein, den die Trommlergruppe „Sexta Feira“ lautstark begleitete, waren Stadtverordnete vor allem der Linken, aber auch von SPD, den Bündnisgrünen und Die Andere dabei. Dazu kamen Sozialbeigeordnete Elona-Müller Preinesberger (parteilos) und Baudezernenet Matthias Klipp (Grüne), aber auch Pro-Potsdam-Geschäftsführer Jörn-Michael Westphal und Tierschutzvereinschef Niklas Wanke – und trotz Advent und windig-kaltem Wetter viele andere Bürger der Stadt.
Über ihre Erfahrungen in der Waldstadt sagte Wildwuchs-Streetworkerin Sabine Hildebrandt den PNN, im Vergleich zu anderen Stadtteilen seien „hier rechtsextremistische Graffiti und Aufkleber derzeit häufiger zu finden“. Sie warnte aber vor einer Stigmatisierung. Zugleich müsse fortlaufend über rechtsextreme Aktivitäten aufgeklärt werden: „Wir müssen besonders mit Jugendlichen im Gespräch zu bleiben, die häufig Ziel von Rekrutierungen sind.“ Eine Schwierigkeit im Engagement gegen Rechts lässt sich an den Zahlen der Polizei ablesen: Die in Potsdam zahlenmäßig überschaubare Szene ist anders als früher zumindest aus Sicht der Sicherheitsbehörden nicht mehr so greifbar. So hat es in Potsdam dieses Jahr laut Polizei 81 rechtsmotivierte Straftaten gegeben – eine mehr als bis Ende November 2010. Dabei zählte die Polizei 50 Propagandadelikte wie etwa Hakenkreuzschmierereien – aber keine einzige Gewalttat. 2010 gab es noch drei derartige Delikte. Laut Polizei wird speziell für die Waldstadt keine Statistik geführt.
Gerade die Waldstadt aber will das Bündnis „Potsdam bekennt Farbe“, das die Demo organisierte und in dem Politik, Behörden und Vertreter der Zivilgesellschaft sitzen, weiter in den Fokus der Bemühungen stellen. Eine Arbeitsgruppe dafür ist eingerichtet. Geplant ist bereits ein Fest für Toleranz am 15. September 2012. Weitere Aktionen im Vorfeld sollen folgen, hieß es. „Es wäre schön, wenn die Waldstädter, die jetzt aus den Fenstern oder von den Balkonen geguckt haben, beim nächsten Mal auch mitlaufen“, so eine der Organisatorinnen.
Von Rechtsexremen war bei dem Marsch nichts zu sehen. Einzig hieß es aus Antifa-Kreisen, ein Fotograf aus der Neonazi-Szene habe Bilder von Demonstranten aufgenommen. Eine weitere Neuigkeit: Die Internetseite der Alternativen Jugend Potsdam, anders als der Name vermuten lässt eine Seite der Rechtsextremen, ist abgeschaltet. Wie es auf der Seite heißt, seien Rechnungen nicht bezahlt oder andere Vertragsvereinbarungen nicht eingehalten worden.
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