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Drewitz: Platte in Privateigentum: Geliebte eigene Platte

Ausgerechnet in Drewitz wurden vor 25 Jahren die ersten Wohnungen an private Eigentümer verkauft. Die Stadtverwaltung musste sich damals zum Thema Wohnungseigentum erstmal schlau machen.

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Potsdam - Die Küche, sagt Günther Waschkuhn, die ist doch schön. Eine echte Wohnküche, kein Schlauch. „Hier passt ein Esstisch rein. Dafür gibt es keine Durchreiche.“ Durchreiche, das Wort, das in den 1970ern und 1980ern für Bequemlichkeit stand, hier hat es überlebt. Günther Waschkuhn, 66 Jahre, und sein Nachbar Ludwig Schröter, 67, sitzen in eben jener Küche, Plattenbau der Serie WBS 70. „Die gab es aber nicht nur im Osten, auch in Schweden, oder?“, sagt Schröter. Jedenfalls gab es sie vor allem im Osten, und in Drewitz hatte man sie sogar noch nach der Wende gebaut. Geplant und bestellt zu DDR-Zeiten, aber als die Wohnungen 1990/91 fertig waren, fehlte der Stadt das Geld, um das Wohnbaukombinat zu bezahlen. Und so wurden eineinhalb Wohnblöcke WBS 70 in der Friedrich-W.-Murnau-Straße und Paul-Wegener-Straße zu einer der ersten Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) auf ehemaligem DDR-Territorium. Am 15. Februar 1991 war Schlüsselübergabe an die Eigentümer der 95 Einheiten. Das wird am Montag mit einer Feierstunde zelebriert. Auch Waschkuhn und Schröter sind dabei.

Vor 25 Jahren war Waschkuhn genau zu dieser Zeit auf Hochzeitsreise in Paris. Verpasst hat er in Potsdam nicht viel, es war bitter kalt in jenem Januar, die neuen Drewitzer standen dick angemummelt vor dem Haus, die Redner hielten sich kurz. Einer, der damals sprach, war Detlef Kaminski, Baustadtrat. Kaminski hatte das Projekt gegen anfängliche Widerstände „wegen des vermeintlichen Risikos aus dem Bereich Finanzen und Recht“ durchgesetzt. „Hier existierte damals ja noch gar kein Wohnungseigentumsrecht, auch keine entsprechende Bauordnung. Ich habe meinen Leiter der Bauaufsicht zu seinem Zehlendorfer Kollegen geschickt, um die notwendigen Stempel und Schriftstücke zu kopieren. Die wir dann auf unsere Potsdamer Bedingungen angepasst hatten.“ Weil der Grund und Boden der Stadt gehörte, wurde der auf Erbpachtbasis auf die 95 Eigentümer aufgeteilt. „Das machte die gesamte Abwicklung noch komplizierter“, erinnert sich Kaminski.

Wohnungsnot in Potsdam: Deutlich mehr Bewerber als Wohnungen

Aber die Wohnungen gingen weg wie warme Semmeln, es gab fünf Mal so viele Bewerber wie Wohnungen. „Bewerbungen müssen bis zum 7. Januar 1991, 10 Uhr, eingegangen sein“, lautete die Anzeige in der Zeitung. Waschkuhn und Schröter haben alles aufgehoben. Eine kleine Chronik. „,Wessies' erhielten erstmals Zuschlag beim Kauf von Eigentumswohnungen“, heißt es an anderer Stelle. Einer dieser „Wessies“ war Waschkuhn. Er hatte Glück, eigentlich sollten nur Potsdamer mit WBS und gesicherter Finanzierung berücksichtigt werden, weil in Potsdam gravierender Wohnungsmangel herrschte. Aber Waschkuhn, Gewerkschaftsfunktionär und später Kreischef der Potsdamer Linken, arbeitete in Potsdam und passte mit zwei kleinen Kindern wohl gut ins Profil. Er kaufte eine Vier-Raum-Wohnung, 82 Quadratmeter, die Kinderzimmer „exakt 9,15 Quadratmeter“ groß. Schröter, damals Single, hatte nur Anspruch auf eine Ein-Raum-Wohnung. Undenkbar, dass man mehr gewollt hätte. Zwischen 1600 und 1800 D-Mark kostete der Quadratmeter Ostplatte mit immerhin westlichem Innenausbaustandard. Weil die Planungskosten aus DDR-Zeiten nicht in den Preis einflossen, war alles noch relativ günstig. Eine Wiederverkaufssperrfrist von fünf Jahren sollte Spekulationskäufen vorbeugen.

Aber die meisten wollten gar nicht weg. Die Platte, einst verpönt, liegt wieder im Trend. Es gibt in der WEG keinen Leerstand. „Ist doch schön hier, hat ein bisschen was von eigener Scholle“, sagt Waschkuhn, heute Vorsitzender des Verwaltungsbeirats, und schaut zum Fenster, Blick auf Drewitzer Kiefern. Das Wäldchen schrumpfte ein bisschen, als der Autobahnzubringer dahinter gebaut wurde, ist aber noch immer groß genug zum Spazieren gehen. Mit einer Bürgerinitiative setzten sie sich damals für eine Fußgängerbrücke ein, damit man nicht abgeschnitten war. Jetzt kann man bis Güterfelde wandern. In Sichtweite sind Kitas und Schule, das Havel-Nuthe-Center kam Mitte der 90er Jahre dazu, drei Minuten läuft man zur Tram-Haltestelle. Perfekte Infrastruktur für Familien mit Kindern.

"Hier wird weniger eingebrochen als anderswo"

Nur dass es davon immer weniger in ihren Häusern gibt. Die der ersten Familien sind längst ausgezogen. Erst seit ein paar Jahren kommen neue Kinder hinzu, nach Eigentümerwechsel oder Vermietung. Immerhin wird etwa die Hälfte der Wohnungen noch von den ursprünglichen Eigentümern genutzt. In manchen der neun Eingänge kennt man sich noch ganz gut. Man ist aufmerksam, wenn jemand Fremdes am Auto des Nachbarn rumfummelt. „Hier wird nachweislich weniger eingebrochen als anderswo“, sagt Waschkuhn. In Nummer 24, wo er wohnt, feiert man seit Jahren zusammen Silvester, dann wird der Trockenraum zum Partykeller. Die soziale Durchmischung stimme hier noch, kaum Arbeitslose, ansonsten alle Berufsgruppen, sofern sie noch arbeiten. Die erste Generation ist im Rentenalter angekommen. Alle zahlen pünktlich ihr Wohngeld. 2017 ist die Wärmedämmung dran. „Wir haben uns für die schlanke Sanierung entschieden, nur die Fugen“, sagt der Verwaltungsratsvorsitzende, das sei das bessere Preis-Leistungs-Verhältnis.

Ansonsten sei hier alles schick, die WEG beschäftigt einen Hausverwalter und eine Firma, die sich um den grünen Innenhof, Spielplatz und Wäschetrockenplatz kümmert und im Dezember die LED-Lichterkette an eine der drei großen Blaufichten hängt. „Es gab doch tatsächlich Nachbarn, die haben erstmal gefragt, was das wieder kostet. Aber dann haben sie gemerkt, dass es wohl doch ganz schön aussieht“, sagt Waschkuhn. Jetzt gibt es die Idee, Blumenbeete in private Hände zu geben. Beetpatenschaften. Für die mit den grünen Daumen. Das wär noch was, ein eigener kleiner Garten direkt am Haus, seufzt Schröter. Früher, sagt er, haben sie manchmal zusammen gegrillt. „Wir sollten mal wieder was auf die Beine stellen, vielleicht ein Hoffest“, sagt Schröter. Der übrigens nach einigen Jahren, als er eine Familie hatte, innerhalb der WEG in eine größere Wohnung zog. Es gab auch Eigentümer, die zwei Wohnungen zusammenlegten, wenn es möglich war. Modernisiert hat ohnehin jeder nach eigenem Geschmack. „Die Leute wollen heute eben wieder in der Stadt wohnen“, sagt Waschkuhn.

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Natürlich gab es auch Probleme, eine Zeit lang war das Wäldchen ein kleiner Drogenumschlagplatz, die Polizei war oft vor Ort. Das ist jetzt vorbei. Jetzt droht die Parkraumbewirtschaftung. Unangenehm. Parkplätze gibt es zwar genug, aber nun hat die Stadt Parkbuchten markiert und nummeriert, und wer seinen persönlichen Platz will, muss ihn anmieten. Und das in einer Nebenstraße, in der nicht mal Schnee geräumt wird, sagt Waschkuhn. Im Winter haben er und Schröter hier höchst selbst das Eis von der Fahrbahn gehackt, beim Subbotnik. Naja, sagt er, einen Vorteil haben die weißen Markierungen: „Jetzt wird hier wenigstens ordentlich eingeparkt.“

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