
© Manfred Thomas
Potsdam im Oscar-Rennen: Gestatten, Filmausstatter
Am Sonntag könnte Bernhard Henrich einen Oscar bekommen – der 63-Jährige ist als Ausstatter von Steven Spielbergs Potsdam-Film „Bridge of Spies“ nominiert.
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Manchmal wird sogar Bernhard Henrich mulmig. Nicht, wenn er auf Hollywood-Stars wie George Clooney, Tom Cruise, Tom Hanks oder Charlize Theron trifft oder mit Regie-Altmeistern wie Roman Polanski, Volker Schlöndorff oder Steven Spielberg arbeitet. Da ist der 63-Jährige nach fast 40 Jahren als Filmausstatter Profi. Aber wenn er für Recherchezwecke unterwegs ist und sich in einer Situation wiederfindet, wie sie aus einem Krimi stammen könnte. Wie bei „Operation Walküre – Das Stauffenberg-Attentat“, als er Polsterstühle auftreiben sollte, wie sie im Berghof, Hitlers Landhaus am Obersalzberg, standen.
Wie immer beim Film sollte es schnell gehen – zeittypische Möbel von Künstlern entwerfen zu lassen, wäre viel zu aufwendig gewesen. Mit ein paar Anrufen machte Henrich in Oberbayern jemanden ausfindig, der jemanden kannte, der zwei originale Berghof-Stühle besitzen sollte. Dass es sich um Originale handelt, war zumindest denkbar – das Landhaus war nach Hitlers Tod geplündert worden. „Ich bin nach Berchtesgaden gefahren“, erzählt Henrich. Dann ging es abenteuerlich weiter. Henrich wurde auf einen Parkplatz bestellt: „Wir sind in eine Privatwohnung gefahren, ich wusste nicht, wo ich bin“, erzählt er. Und so ganz genau wollte er es auch gar nicht wissen. Der entscheidende Punkt für den Filmausstatter: Bei dem Unbekannten fanden sich die Berghof-Originale. Nach deren Vorbild konnte er für den Film schnell eine ganze Garnitur fertigen lassen.
Auf einem dieser Polsterstühle mit blau-dunkelgrauem Blumenmuster sitzt Henrich beim Interviewtermin im Möbelfundus von Studio Babelsberg nun und lächelt: „Amerikanischer Nussbaum“, sagt er und klopft gegen die Lehne.
Vom Schaufensterdekorateur in der Provinz zum gefeierten Set Decorator für Hollywood
Was dieser Mann alles für Geschichten erzählen könnte. Gefragt hat ihn danach bisher kaum jemand. Seit Januar ist das anders. Der 63-Jährige wird mit den Besten seiner Zunft sogar in London und Los Angeles gefeiert wie ein Star: Henrich ist für seine Arbeit an Steven Spielbergs Agententhriller „Bridge of Spies“ gemeinsam mit seiner US-Kollegin Rena DeAngelo und dem Szenenbildner Adam Stockhausen für einen Oscar nominiert – die höchste Auszeichnung der Filmwelt. Seitdem muss der gebürtige Saarländer immer wieder erzählen, wie er sich seit den 1970er-Jahren vom Schaufensterdekorateur in der Provinz zum Ausstatter am Berliner Schillertheater bis zum Set Decorator für Hollywood hocharbeitete.
Geholfen haben ihm dabei Ideenreichtum, Stil, Organisationstalent, Zuverlässigkeit und in den entscheidenden Momenten seine beherzte Entschlossenheit. Zum Beispiel als er sich in Berlin als Mittzwanziger ohne Filmerfahrung ungefragt beim legendären Filmproduzenten Artur Brauner vorstellte. Das öffnete ihm tatsächlich die Tür in die Filmwelt. 1977 war das. Seitdem arbeitete Henrich als Filmausstatter in 23 Ländern, machte sich in Hollywood einen Namen.
Über den Erfolg von Studio Babelsberg ist er froh: "Endlich wieder zu Hause arbeiten"
Darüber, dass Studio Babelsberg heute in der internationalen Filmliga mitspielt, ist der zweifache Vater und Großvater schon aus privaten Gründen froh: „Seitdem kann ich wieder zu Hause arbeiten“, sagt er. Auf die Babelsberger Filmhandwerker und die Ausstattung des Studios lässt er nichts kommen: „Das Backup ist einfach genial: Wenn mir was fehlt, dann wird das schnell gebaut.“ Dass so viele Gewerke vor Ort vorhanden sind, das gebe es in anderen Studios nicht. „Die Franzosen haben hier gedreht, die Engländer und die Amerikaner – dieses ganze Know-how ist in Babelsberg kleben geblieben“, sagt Henrich: „Und nun sind die unschlagbar.“
Für den dritten Teil der „Unendlichen Geschichte“ war Henrich 1993 zum ersten Mal in Babelsberg. Auch im benachbarten Filmpark findet sich seine Arbeit: Von Henrich stammt die Einrichtung im Restaurant „Prinz Eisenherz“, auch die von ihm mitverantwortete U-Boot-Einrichtung aus dem Thriller „Hostile Waters“ ist dort zu besichtigen.
Auch im Filmpark Babelsberg sind Henrichs Arbeiten zu sehen
Dabei ist er ein Teamplayer, das betont er immer wieder. Den Medienrummel, der mit der Oscar-Nominierung aufkam, den mache er auch im Namen seiner Kollegen mit: „Man hält die Fahne hoch für Babelsberg, für Deutschland und für den Beruf des Set Decorators.“ Für den Spielberg-Film hatte er eine Mannschaft von bis zu 40 Leuten, die dafür sorgte, dass das Set zu einem bestimmten Drehtag genau so aussah wie abgesprochen. „Man braucht ein gutes Team – und das habe ich hier in Babelsberg.“
Die Arbeitsaufteilung ist dabei klar: Der Szenenbildner entwickelt zuerst gemeinsam mit dem Regisseur ein Grundkonzept, der Location Scout sucht Drehorte. „Und dann muss ich Ideen für die Ausstattung entwickeln: Wie könnte das aussehen?“, erklärt Henrich. Er sammelt Inspiration bei Reisen an Originalschauplätze und in Museen, schlägt zum Beispiel Grundrisse und Möbel vor, legt sogenannte Moodboards an, die mit Bildern und Skizzen einen Eindruck vom fertigen Set geben können. Das wiederum muss der Szenenbildner absegnen.
Beim Spielberg-Dreh auf der Glienicker Brücke musste es besonders schnell gehen
„Dann muss ich das Ganze budgetieren“, erklärt Henrich – also festlegen, welche Kosten für das Team vom Handwerkskoordinator über den Requisiteur bis hin zum Fahrer für Möbel veranschlagt werden. Elf Wochen Vorlauf hatte Henrich dafür beim Spielberg-Film. Die Arbeit mit dem mehrfachen Oscarpreisträger beschreibt er als sehr professionell: „Er weiß genau, was er will.“ Am Set kam es schon vor, dass Spielberg noch eine Idee hatte, die sofort umgesetzt werden musste: „Dann haben wir zum Beispiel in einer Straßenszene mit Tom Hanks alle Schilder verschoben.“ Die größte Herausforderung sei die Logistik gewesen. So war für die Umgestaltung der Glienicker Brücke wegen der notwendigen Sperrung weniger Zeit als sonst bei der Einrichtung solch großer Filmsets. Wegen Änderungen im Drehplan musste Henrich kurzfristig auch noch ein komplett neues Set – ein CIA-Büro – ausstatten. Dann musste alles noch schneller gehen.
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