Landeshauptstadt: Geste des Respekts
Wie Ministerpräsident Matthias Platzeck den Kritikern der Ausstellung begegnete
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Nauener Vorstadt - Es war eine Geste des Respekts, wie sie sich viele Zeitzeugen schon seit drei Jahren von den Verantwortlichen wünschen: Nach der Eröffnung der Dauerausstellung im ehemaligen KGB-Gefängnis in der Leistikowstraße besuchten Bundeskulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) und Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) am gestrigen Mittwochnachmittag auch die Kritiker der neuen Ausstellung – und hörten sich deren Argumente an. Am Ende stand ein Angebot: Platzeck will gemeinsam mit Bodo Platt, dem Sprecher der Zeitzeugeninitiative, die Ausstellung in Ruhe besuchen, um die Kritikpunkte vor Ort aufzunehmen.
„Ich möchte, dass sich möglichst viele wiederfinden in dem Konzept und in der Ausstellung“, erklärte Platzeck im übervollen Raum in der Villa Quandt unweit der Gedenkstätte. Das Angebot nehme er „selbstverständlich gerne“ an, erwiderte Platt. Schon die deutlichen Worte in der offiziellen Rede des Ministerpräsidenten hätten ihn „positiver gestimmt“.
Das Treffen mit den Kritikern war unter anderem nach einer Intervention von DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld zustande gekommen. Auch Kulturstaatsminister Neumann drückte im Gespräch seine Bestürzung über die verfahrene Situation aus: „Man hätte von Anfang an Methoden finden sollen, alle Betroffenen einzubeziehen.“ Er warb auch für Annäherung: „Ich finde, sie sollten aufeinander zugehen.“
Die Gegner hatten bereits am Mittag mit einer Menschenkette vis-à-vis der Gedenkstätte auf sich aufmerksam gemacht. „Ignoranz und Arroganz statt Empathie“, war da etwa auf einem Plakat zu lesen, „Morsch & Reich endlich abberufen“, auf einem anderen – gemeint sind Gedenkstättenleiterin Ines Reich und Günter Morsch, Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, unter deren Dach die Leistikowstraße betrieben wird. Gedenkstättenleitung samt Stiftung und die Zeitzeugeninitiative, der Gedenkstättenverein sowie der Verein Memorial standen sich bis zuletzt unversöhnlich gegenüber. Die Proteste der geschätzt etwa 150 Kritiker – darunter neben früheren Inhaftierten auch Stadt- und Landespolitiker – blieben ruhig.
Die Kritik wendet sich vor allem gegen die Gedenkstättenleiterin Reich. Bodo Platt, der als Vertreter der Zeitzeugen im Gedenkstättenbeirat sitzt, wirft ihr eine Strategie der Ausgrenzung vor. So sei es den Zeitzeugen unter anderem verboten worden, ihre Erlebnisberichte im Empfangsbereich auszulegen. Auch bauliche Änderungen kritisierte Platt: So seien in den Kellerzellen trotz Protest die vermauerten Fenster geöffnet worden. Zudem sei der Kellertrakt mit den „schlimmsten Zellen“ für Besucher gar nicht zugänglich, wofür die Gedenkstätte technische Gründe ins Feld führt. Außerdem hätte die Gedenkstättenleitung sich dem Wunsch der Zeitzeugen verweigert, einen Gedenkstein im Haus aufzustellen. „Das sind meiner Meinung nach die falschen Prioritäten“, sagte Platt unter Applaus.
Für viele Zeitzeugen ist die Gedenkstättenleiterin seit längerem nicht mehr tragbar – eine Unterschrifteninitiative für ihre Abberufung kommt auf 130 Unterzeichner, darunter den Angaben zufolge auch Literatur-Nobelpreisträgerin Herta Müller. Aber es gibt auch Stimmen wie die von Friedrich Klausch, der 1948 als 18-Jähriger als angeblicher Spion verhaftet wurde und unter anderem in der Leistikowstraße einsaß. Die Häftlingsschicksale seien in der Ausstellung „richtig dargestellt“, sagte er der Presse. „Eine Umgestaltung der Ausstellung kann nur gelingen, wenn Frau Dr. Reich abberufen wird“, meint dagegen Bodo Platt. Jana Haase
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