Landeshauptstadt: Gewalt-Gespräche
Konferenz der Potsdamer Partnerstädte begonnen
Stand:
Abstrakte Themen, viel politische Theorie – und eine gute Absicht. Vier der Potsdamer Partnerstädte beraten sich seit gestern mit PotsdamerVertretern darüber, wie das Bewusstsein der Bürger für Toleranz und Demokratie stärker werden könnte und womit sich Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit bekämpfen lassen. Bis morgen wird die erste Konferenz dieser Art im Alten Rathaus tagen und dazu verschiedene Sozial- und Integrationsprojekte in Potsdam besuchen. „Gewalt und Fremdenfeindlichkeit sind kein Thema für einen Staat alleine, sondern ein europäisches Phänomen“, sagte Bürgermeister Burkhard Exner (SPD) in seiner Eröffnungsrede. Die Idee zu der Konferenz war bereits vor knapp anderthalb Jahren nach dem Überfall auf den Deutsch-Äthiopier Ermyas Mulugeta entstanden.
Allerdings fehlten gestern drei der sieben Partnerstädte Potsdams. Die Vertreter aus dem französischen Bobigny konnten dabei „aus terminlichen Gründen“ kurzfristig nicht kommen; bei Sioux Falls in den Vereinigten Staaten und dem finnischen Jyväskylä sei die Absage schon länger bekannt gewesen, sagte Dieter Jetschmanegg (SPD) vom Oberbürgermeisterbüro den PNN. Er hatte die Konferenz zusammen mit der Berlin-Brandenburgischen Auslandsgesellschaft und der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung organisiert. Geld kommt von der Europäischen Kommission und der Bundeszentrale für politische Bildung. „Ich bin gespannt, welche verschiedenen Möglichkeiten wir hören, wie andere Städte mit Rechtsextremismus umgehen“, so Jetschmanegg. Morgen sollen die rund 50 Teilnehmer – die Hälfte davon aus den Partnerstädten – ein Papier mit Empfehlungen zum Thema verabschieden.
Dazu gibt es heute zwei Arbeitsgruppen. Darin stellen Städte wie Luzern oder Perugia ihre jeweiligen Strategien für mehr Demokratie und weniger Intoleranz vor. In einem zweiten Arbeitskreis werden verschiedene Konzepte für Zuwanderung und Integration diskutiert. „Bei solchen Fragen müssen die Kommunen selber Antworten finden – bei ganz unterschiedlichen Ausgangsbedingungen“, sagte Bürgermeister Exner.
Die Situation in der hiesigen Region stellten Karin Weiss als Integrationsbeauftragte des Landes sowie Thomas Weidlich vom Potsdamer Regionalbüro der Mobilen Beratungsteams für Brandenburg vor. Tenor der beiden Experten: Immer noch gibt es bei der Bevölkerung in Brandenburg ein gehöriges Maß alltäglicher Ablehnung gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund, die allerdings selbst nur eine kleine Minderheit in der Bevölkerung bilden. Zugleich verlaufe die Integration in der Region völlig anders als in den alten Bundesländern, so Weiss: „Hier haben Zuwanderer oft höhere Abschlüsse als Deutsche.“
Auch das Thema Rechtsextremismus müsse so differenziert betrachtet werden, sagte Weidlich: „Das Phänomen kann nicht auf einen Kern als Männer-, Gewalt-, Jugend- oder Ostproblem reduziert werden.“ Denn wesentlich wichtiger sei die Feststellung, „dass ,wir“ als Kommune ein Problem haben“, so Weidlich. Mit Hilfe dieses Problembewusstseins müsse vor Ort dann eine öffentliche Diskussion entstehen – durch die auch Rechtsextreme mit Gegenargumenten konfrontiert werden könnten: „Nichts fürchten sie mehr.“ Henri Kramer
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: