
© Andreas Klaer
Neuer Wochenmarkt in Potsdam-West: Greifen Sie rein, kosten Sie mal
Der neue Wochenmarkt in Potsdam-West läuft nur zögerlich an. Aber Gründerin Tabea Gutschmidt will nicht aufgeben. Sie sucht noch Bäcker und Fleischer.
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Potsdam - Das hatte sie sich anders vorgestellt. „Es muss sich noch ein bisschen beleben“, sagt die Dame angesichts der Handvoll Händler. Sie ist heute zum ersten Mal auf dem Markt am Tschäpe-Platz, vor allem, weil plötzlich der Gemüsehändler vor ihrer Haustür zugemacht hat. Nun sucht sie Ersatz. „Bis zum Bassinplatz, das wäre mir zu weit.“ Auch wenn die Straßen und Gehwege in Potsdam-West für sie im Rollstuhl „eine Katastrophe“ sind, wäre es doch schön, wenn sie künftig hier einkaufen könnte. Schmorgurken vom Obsthof Lindicke und Käse von Kochs Käsestand nimmt sie heute schon mit.
Vielen Besuchern ist das Angebot des neuen Marktes in Potsdam-West aber bisher zu klein. „Ich bin ein bisschen enttäuscht“, sagt eine Frau. „Ein Fleischer fehlt, ein Bäcker fehlt. Das erwarte ich einfach auf einem Wochenmarkt.“ Tabea Gutschmidt, die den neuen Wochenmarkt direkt vor der Erlöserkirche ins Leben gerufen hat, kennt das Problem. „Ich habe es mir einfacher vorgestellt, Händler zu finden.“
Überzeugt, dass Potsdam-West einen Markt gut gebrauchen kann
Mit viel Enthusiasmus hatte sie ihr Projekt vor gut einem Jahr begonnen. Hatte sich durch die Verwaltung gekämpft, Konzepte und Anträge geschrieben. Weil sie überzeugt war und noch immer ist, dass Potsdam-West einen Markt gut brauchen kann. Hier wohnen viele ältere Menschen, aber auch Familien mit Kindern, viele davon durchaus an gesunder Ernährung interessiert. „Das Klientel ist da“, sagte Gutschmidt. Dann endlich war das Okay aus dem Rathaus gekommen und sie begann, Händler zu rekrutieren. Am 13. Mai dieses Jahres fand der Markt zum ersten Mal statt.
Etwa zwölf Händler sind jedes Mal dabei, manche machten eine Sommerpause, andere jedoch gaben auf. Und Gutschmidt musste Ersatz finden – oder sucht ihn noch. „Es ist schwer. Die Leute haben zwar Interesse, aber oft kein Personal oder keinen zweiten Wagen. Und niemand gibt einen gut laufenden Standort auf, um hier neu anzufangen.“
Derzeit steht ein Händler vor allem aus Lokalpatriotismus hier
Immerhin, Gemüse-, Eis- und Käsemann, Blumenfrau, Imker, französisch-italienische Feinkost und Schweinefleisch aus Freilandhaltung vom Potsdamer Sauenhain sind von Anfang an dabei und geblieben. Auch wenn der Ertrag bisher eher übersichtlich ist. Clemens Stromeyer vom Sauenhain hofft, dass sich der Markt noch entwickelt. Immer freitags verkauft er hier Currywurst von glücklichen, auf einer Streuobstwiese bei Grube aufgewachsenen Schweinen. Viel springt noch nicht dabei heraus, vielleicht ein Betrag, der dem Schweinefutter für einen Tag entspricht. Derzeit stehe er vor allem aus Lokalpatriotismus hier, er wohnt selbst um die Ecke.
Es muss sich also noch rumsprechen, dass man jetzt jeden Freitag von 14 bis 20 Uhr auf dem Tschäpe-Platz einkaufen kann. Denn trotz großer Pressepräsenz haben viele Anwohner von dem Markt noch nichts gehört. „Ich habe gerade mal wieder 3000 Flyer verteilt“, sagt Gutschmidt: „Vielleicht sind auch viele einfach noch im Sommerurlaub. Im September wird es besser.“ Demnächst wird es außerdem einen Maultaschen-Imbissstand geben und das Café Rückholz will Säfte anbieten. Sie will nicht aufgeben, auch wenn sie derzeit mehr Zeit und Geld investiert als sie vorhatte. Bis auf einen Freitag war sie an Markttagen immer vor Ort, hat beim Aufbau geholfen, war als Ansprechpartner für die Händler da. Am gestrigen Freitag verteilt sie kleine Zuckertüten an Schulanfänger. Und freut sich, als ihr jemand einen Kaffee bringt.
Überrascht, wie wenig hier los ist
Den gibt es am Stand vom Café Zweitwohnsitz, außerdem Kuchen von der hauseigenen Konditormeisterin. Renata Weil bekommt dabei Unterstützung von ihrem 13-jährigen Sohn Lieve. „Ich mache das freiwillig, ist doch cool“, sagt er. Gegen 16 Uhr wird es voller, sagt Gutschmidt, dann kommen alle nach Hause.
Ein Paar aus Potsdam-West mit Besuch aus Dresden ist zwar anfänglich überrascht, dass nur wenig los ist, kauft dann aber doch bei Jürgen Deutscher Gemüse aus Werder. Der ist Marktprofi und schafft gute Laune. Die Damen, die eigentlich nur einen schönen Herbstblumenstrauß kaufen wollten, nehmen noch Zwiebeln und Himbeeren. „Greifen Sie rein, kosten Sie mal“, sagt der Gemüsemann. So geht Markt.
Auch beim Eismann ist an diesem schönen Spätsommertag ein bisschen was los. Von der Idee des großen Geldverdienens hat sich Mario Müller aber längst verabschiedet. Er ist von Hause aus Journalist und betreibt den Eisverkauf als Aussteiger-Projekt. Das Trio vom Gemüsestand kauft drei Mal Vanille-Schoko und sitzt dann auf der Rundbank unter der Blutbuche. Da gibt es nichts zu meckern.
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