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Landeshauptstadt: Griechenlands Krise mitten in Groß Glienicke

Verunsicherung im Ortsteil nach Brandanschlag auf Auto des EU-Spitzenbeamten Reichenbach / Spuren führen nach Berlin

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Groß Glienicke -  Als Horst Reichenbach am Dienstagnachmittag vor seinem Wohnhaus an der Groß Glienicker Seepromenade vorfährt, sieht er müde aus. Als hätte er in den letzten Nächten nur wenig geschlafen. Zu dem Brandanschlag auf sein Auto, das in der Nacht zum Montag vor der Haustür in Flammen aufging, will Reichenbach nichts sagen. Er bringt die zwei kleinen Mädchen, die mit ihm gekommen sind, ins Haus und fährt davon.

Seit dem gestrigen Dienstag ist klar: Der Brandanschlag auf den BMW galt Reichenbach. Es geht dabei um seinen Job in Griechenland. Reichenbach ist Leiter der „Task Force Griechenland“ der Europäischen Kommission, die in Griechenland die Sparbeschlüsse durchsetzen soll. Am Dienstag ging bei einer Berliner Tageszeitung ein Bekennerschreiben ein, unterzeichnet von den „FreundInnen von Loukanikos“ unterzeichnet. Gemeint ist einer der sogenannten „Riot Dogs“, der bei den Protesten und Ausschreitungen in Griechenland gesehen wurde und in der linksextremen Szene in Deutschland Kultstatus besitzt. Dort gelte er als Symbol für den Kampf gegen Sparauflagen von Internationalem Währungsfond und Europäischer Zentralbank.

Zwischen der griechischen Hauptstadt Athen und dem ruhigen Potsdamer Ortsteil liegen gut 2500 Kilometer. Doch nun ist die griechische Krise in Groß Glienicke ganz nah. Wo eben noch das Auto von Horst Reichenbach gehalten hat, sind die Spuren der Brandnacht zu sehen: Asche, Glasscherben, verkohlte Plastikteile, Absperrband der Polizei liegen herum. Der ausgebrannte BMW ist ein paar Stunden zuvor abtransportiert worden, sagen Anwohner. Ein zweites, beim Brand beschädigtes Auto, ein Opel, steht einige Meter weiter an der Straße. Sonst ist es ruhig in der Seepromenade. Nur wenige Menschen sind am Nachmittag unterwegs, während sich der Himmel verdunkelt. Nach dem Regen wird die Asche weggespült sein. Die roten Farbflecken am Haus und in der Einfahrt werden wohl bleiben. Die unbekannten Täter hatten das weiße Wohnhaus mit einer Farbdose beworfen. Schon vor dem Eingang des Bekennerschreibens deutete dies darauf hin, dass es sich bei dem Anschlag nicht um einen Zufall handelte.

Ein benachbartes Ehepaar hatte das auch geahnt. Allerdings vermutete es einen anderen Zusammenhang: In den letzten Jahren hatten Demonstrationen für den freien Uferweg am Groß Glienicker See mehrfach vor dem von Reichenbach und seiner Frau Dagmar Roth-Behrendt bewohnten Haus halt gemacht. Roth-Behrendt sitzt für die SPD im Europaparlament. Bis Anfang dieses Jahres war sie dessen Vizepräsidentin. In Groß Glienicke hatte für Aufruhr gesorgt, dass Roth-Behrendt im Jahr 2009 einen Teil ihres Seegrundstücks einzäunen ließ. Sie wolle die Fläche ungestört nutzen können, sagte sie damals. Den Uferbereich selbst wolle sie keinesfalls sperren, vielmehr müssten Seeufer öffentlich zugänglich sein, so Roth-Behrendt. Später wurde ein Kompromiss gefunden. Der Zaun kam wieder weg und Roth-Behrendt verhandelte mit der Stadtverwaltung über die Nutzung des Uferwegs.

Dass Horst Reichenbach eine wichtige Figur im Poker um Griechenlands Zukunft im Euro ist, war den Nachbarn ein paar Hausnummern weiter verborgen geblieben. „Hier kennt man die Zugezogenen kaum“, sagen sie. Einen Schreck haben sie in der Brandnacht bekommen, als ein paar Meter weiter die Flammen aus dem Auto loderten. Die Feuerwehr war bereits unterwegs, als sie dort anriefen.

„Das hat doch jemand angesteckt“, sei sein erster Gedanke gewesen, sagt ein junger Mann, der auch in der Nähe wohnt. In der Nacht habe er aus dem Fenster gesehen, wie der vordere Radkasten des BMW brannte. Wie in den Berichten aus Berlin im vergangenen Jahr habe das ausgesehen. Sofort habe er die Feuerwehr gerufen. An einen politischen Anschlag habe er jedoch nicht gedacht. „Das geht eindeutig zu weit“, meint ein anderer Anwohner, der auf dem Weg zur nahen Bushaltestelle ist. Er schaut sich die verkohlten Reste am Straßenrand genauer an. Ihm wird mulmig, sagt er, als er von dem Bekennerschreiben erfährt. Egal, worum es den Tätern politisch gehe, Menschen in Gefahr zu bringen sei unentschuldbar.

Während in Griechenland an diesem Nachmittag der nächste Versuch einer Regierungsbildung scheitert und Neuwahlen wahrscheinlicher werden, rückt in der Seepromenade die Potsdamer Kripo an. Zwei Zivilbeamte in karierten Hemden gehen von Haus zu Haus. „Wir befragen die Nachbarschaft“, sagen sie. Genaueres dürfen sie nicht verraten. Von einem Bekennerschreiben wissen sie noch nichts, sagen sie. Unterdessen prüft die Potsdamer Oberstaatsanwaltschaft die Echtheit des Bekennerschreibens. Spuren führten in die linksautonome Szene Berlins, hieß es.

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