zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Große Politik im kleinen Dorf Erinnerung und Zukunft in Groß Glienicke

Groß Glienicke - Mit einer Andacht in der bis auf den letzten Platz besetzten Kirche begann in Groß Glienicke der „Geschichtsnachmittag“, wie Ortsvorsteher Franz Blaser (SPD) die rasche Abfolge von Gedenkveranstaltungen zum 50. Jahrestag des Mauerbaus nannte.

Stand:

Groß Glienicke - Mit einer Andacht in der bis auf den letzten Platz besetzten Kirche begann in Groß Glienicke der „Geschichtsnachmittag“, wie Ortsvorsteher Franz Blaser (SPD) die rasche Abfolge von Gedenkveranstaltungen zum 50. Jahrestag des Mauerbaus nannte. Die kleine Gemeinde in unmittelbarer Nachbarschaft von Berlin habe die Auswirkungen großer Weltpolitik direkt zu spüren bekommen, so Winfried Sträter vom Groß Glienicker Kreis, der dazu im Anschluss eine Ausstellung in der Kirche eröffnete.

Wie sehr der 13. August 1961 das Dorf verändern sollte, hatten sich die meisten Einwohner damals gar nicht vorstellen können, war den Berichten des Zeitzeugengesprächs zu entnehmen, das am Nachmittag im Gemeindehaus stattfand. So habe man den Stacheldraht anfangs für nicht ernst genug genommen, erst die Mauer schien bedrohlich, sagte ein Dorfbewohner, dem die schnelle Flucht nach Berlin damals nicht mehr möglich war: Die Mutter lag mit einem Gips im Krankenhaus.

So mancher schaffte es aber dennoch, berichteten die Frauen, die jungen Kerle seien doch schon immer mal zum Zigarettenholen über den See geschwommen. Damit war bald Schluss, der Uferweg wurde zum Kolonnenweg, kein Baden mehr. Pfarrer Wilhelm Stintzing kam aus dem Urlaub und durfte ab sofort in seinem Haus an der Seepromenade keinen Besuch mehr empfangen. Nach der ersten Gebietsreform von 1952, die die Einstellung der letzten Westberliner Autobuslinie durch Groß Glienicke und die Schließung von Grenzübergängen zur Folge hatte, ging nun gar nichts mehr. Ein Dorf wurde zerrissen, Familien getrennt. Mitten durch den See verlief die Grenze. Wer unbequem wurde und sich nicht agitieren ließ oder ein nationalsozialistisches Erbe mit sich trug, wurde kurzerhand umgesiedelt, verlor seinen Hof.

Dass 15 Potsdamer Bürger sogar ihr Leben ließen im Zusammenhang mit der Mauer, daran erinnerte Potsdams Bürgermeister Burkhard Exner (SPD), der gemeinsam mit seinem Kollegen aus Spandau, Konrad Birkholz, und im Beisein von vielen Bürgern am Mauerdenkmal einen Kranz niederlegte. Aus Groß Glienicke sei, so Pfarrer Bernhard Schmidt, noch wenige Tage vor Maueröffnung November 1989 ein Soldat von seinem Postenführer bei einem Fluchtversuch erschossen worden. So war die Präsenz von sieben uniformierten Soldaten des Lazarettregiments 31 aus Kladow, zwischen der Gemeinde und der Blücher-Kaserne besteht eine Patenschaft, mit Kompaniechef und Kommandeur Jens-Peter Evers ein ungewohntes Bild.

Dass es heute wieder Spannungen und „Sperrungen“ gebe – Franz Blaser kann das nicht verstehen. Diejenigen, die das zu verantworten haben, mögen sich verinnerlichen, in welch unseliger Tradition sie handeln, bat er. Der Bezug zum Uferweg, der trotz Beschluss und gültigem Bebauungsplan wegen einiger weniger privater Anrainer und Uferwegssperrer nicht umgesetzt werden kann, lag nahe. Blaser hoffe, dass der niedergelegte Kranz nicht die Beerdigung der Idee eines durchgängigen Uferwegs bedeute.

In seinem Sinne trafen sich abends etwa 40 Demonstranten mit Mitgliedern des Vereins Freies Groß Glienicker Seeufer. Man freue sich über erste Erfolge, so Stadtverordneter und Vereinsmitglied Andreas Menzel. Seit vier Wochen gebe es in der Wendeschleife Am Seeblick keinen Zaun mehr, auch habe der neue Eigentümer des vorletzten Hauses am Südost-Ufer den Zaun zurückgebaut. Der Verein selbst würde gern die Grünfläche neben der Seepromenade 65 als Grundstück mit Ausblick herrichten und sammelt derzeit Gelder für Sitzbänke und das Anlegen von Wegen. Die Stadt hat zudem zuletzt angekündigt, enteignen zu wollen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })