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Manfred Kruczek.

© PNN

Vergangenheitsbewältigung: Gute Noten für Potsdam

Der Bürgerrechtler und Gutachter Manfred Kruczek stellt der brandenburgischen Landeshauptstadt Potsdam gute Noten in Sachen Stasi-Überprüfung aus

Stand:

Potsdam war beim Umgang mit Stasi-belasteten Abgeordneten und Mitarbeitern der Stadtverwaltung in Brandenburg geradezu eine Insel. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten für die Enquete-Kommission des Landtags zur Aufarbeitung der Nachwendejahre. Die Landeshauptstadt sei nicht dem Brandenburger Weg gefolgt, sondern habe vielmehr seit 1990 konsequent einen eigenen Potsdamer Weg verfolgt. Das Gutachten sieht Potsdam deshalb beim Umgang mit dem Stasi-Erbe auf einer Stufe mit den als vorbildlich geltenden Städten wie Leipzig, Dresden und Erfurt. Das hat laut Gutachten mehrere Gründe: Hier waren die Bürgerkomitees in den Wende-Monaten besonders aktiv und achteten auch in den Jahren danach auf konsequente Stasi-Aufarbeitung.

Der Verfasser des Gutachtens kennt sich mit dem Thema aus. Manfred Kruczek war während der Wendezeit im Bürgerkomitee und war bei der Sicherung der Potsdamer Stasi-Akten vor der Vernichtung im Dezember 1989 beteiligt. Er war selbst seit den 1970er Jahren als Bürgerrechtler in der DDR aktiv und verlor dadurch seinen Job als Finanzrevisor. Heute arbeitet er im Landes-Sportministerium. Er war Mitinitiator des 2005 gegründeten Vereins „Forum zur kritischen Auseinandersetzung mit DDR-Geschichte im Land Brandenburg“ und für das Bürgerbündnis Stadtverordneter. Als solcher hatte er immer wieder kritisch nachgefragt, was die Aufarbeitung in den Ämtern anging. Zudem war er Mitglied der Stasi-Untersuchungskommission im Potsdamer Stadtparlament.

Kruczek schreibt in dem Gutachten, in Potsdam sei anders als auf Landesebene die Regelüberprüfung auf eine Stasi-Mitarbeit beibehalten worden. Der Brandenburger Weg habe sich nur deshalb nicht in Potsdam etablieren können, weil sich die aus der DDR-Opposition stammenden bürgerbewegten Akteure im Stadtparlament gegen die PDS-Fraktion sowie der teils zurückhaltenden Stadtverwaltung durchsetzen konnte. Und das obwohl „die Einflussnahme aus der Landesebene zu einer Kursveränderung in Landeshauptstadt besonders ausgeprägt war“, heißt es in dem 54 Seiten umfassenden Papier. So habe SPD-Ministerpräsident Matthias Platzeck in seiner Zeit als Oberbürgermeister in Potsdam sogar auf eine Abschaffung der Regelanfrage bei der Stasi-Unterlagenbehörde gedrängt und einen Stasi-Check nur für den höheren Dienst vorgeschlagen. Die Überprüfungskommission habe Platzeck auflösen wollen, zog seinen Vorstoß nach Widerstand aus dem Stadtparlament aber zurück.

In der Stadtverwaltung habe die Beibehaltung der Stasi-Überprüfung eine präventive Wirkung auf potenzielle Bewerber ausgeübt. Bis 1998 war für 18,5 Prozent der Beschäftigten eine Stasi-Belastung festgestellt worden. Demnach war jeder sechste Mitarbeiter belastet. Von den 174 durch die Unterlagenbehörde als belastet eingestuften Mitarbeitern wurden 99 weiter beschäftigt, obwohl nur 72 Personen Kontakte zur Stasi in ihren Fragebögen angegeben hatten. Demnach habe es ein differenziertes Überprüfungsverfahren gegeben.

Im Stadtparlament führte der Potsdamer Weg dazu, dass der Sonderausschuss bis 1998 vier PDS- und zwei CDU-Stadtverordneten die Niederlegung des Mandats empfohlen hat. Zwei Politiker kamen dem nach, drei PDS-Politiker und ein CDU-Abgeordneter folgten dem nicht. Details und Namen konnte der Gutachter nicht nennen – die Unterlagen wurden nach jeder Wahlperiode vernichtet.

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