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Gesellige Insekten. Der Eichenprozessionsspinner hat sich in Brandenburg rasant verbreitet. Die Härchen der Raupen können juckende Hautausschläge und sogar Asthmaanfälle auslösen. Gegenmaßnahmen kosten die Stadt 2012 voraussichtlich 75 000 Euro.

© Andreas Klaer

Eichenprozessionsspinner: Hässliche Falter am Landtag

Die Stadt meldet erste Erfolge bei Bekämpfung des Eichenspinners, aber die Beseitigungsmaßnahmen kosten die Stadt Potsdam voraussichtlich 75 000 Euro. Bis jetzt ist der Brauhausberg teilweise noch gesperrt.

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Teltower Vorstadt - Auf dem Brauhausberg herrscht für Mitarbeiter und Abgeordnete des Landtags jetzt gewissermaßen Ausgehverbot. In einer aktuellen Hausmitteilung werden sie vor dem Eichenprozessionsspinner gewarnt: „Bitte beachten Sie die Hinweisschilder und vermeiden Sie das Betreten der bewaldeten Liegenschaft.“ Und das wird auch noch eine Weile so bleiben. Denn die Verwaltung des Landtags findet einfach keine Firma, die die Gespinstnester der Raupen mit den giftigen Härchen von den Eichen entfernt. Zwar heißt es in der Hausmitteilung, das zuständige Potsdamer Gesundheitsamt sei informiert worden. Aber anderes hat Vorrang. „Wir haben vom Gesundheitsamt eine Liste mit Firmen bekommen, die die Eichenprozessionsspinner bekämpfen“, sagt Landtagssprecherin Katrin Rautenberg. „Wir haben die Liste der Firmen abgearbeitet, aber leider immer zu hören bekommen, dass keine Kapazitäten vorhanden sind.“

Die Firmen haben in Potsdam gut zu tun. Die Stadt beordert sie aber vorrangig dorthin, wo „viele Menschen verkehren, also im Bereich von Haltestellen, an häufig benutzten Straßen und Wegen sowie auf Spielplätzen und Schulhöfen“, sagt Rathaussprecher Markus Klier auf PNN-Anfrage. Der Landtag hat da einfach nicht oberste Priorität. „Budgetbedingt“, werden die Nester in Bereichen, wo wenig Menschen unterwegs sind, etwa in Wäldchen, nicht entfernt, räumt Klier ein. Auch die Parks in Potsdam sind betroffen, große Teile des Neuen Gartens wurden für Besucher gesperrt.

Allerdings ist die Stadt in ihrem Zuständigkeitsbereich auf öffentlichen Grünflächen gut vorangekommen. Die Erledigungsrate liege bei 90 Prozent, erklärte Klier. Allerdings nur bei den Bäumen, „die die Kriterien für eine Bearbeitung erfüllen“. Gemeint sind Bäume, in deren Nähe häufiger Menschen unterwegs sind. Das Grünflächenamt hat bis heute 552 Meldungen mit etwa 1 500 betroffenen Bäumen erhalten. Die Kosten steigen, wenngleich die Summe im Gesamthaushalt der Stadt wenig ins Gewicht fällt. Bislang sind dem Bereich Grünflächen im Rathaus für die Entfernung der Gespinste 65 000 Euro in Rechnung gestellt worden. Nach der aktuellsten Prognose rechnet die Verwaltung für dieses Jahr mit Gesamtkosten von 75 000 Euro für den Kampf gegen die Insekten. Das Geld läuft zusätzlich im Etat für Baumpflege auf.

Für das nächste Jahr will sich die Stadtverwaltung besser vorbereiten. „Es gibt erste konkrete Absprachen zwischen dem Gesundheitsamt und dem Bereich Grünflächen für die Vorbereitung eines Workshops mit allen beteiligten städtischen Verwaltungen und Gesellschaften sowie den Forsten und der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten“, sagte Klier. Dabei soll spätestens im Oktober das weitere Vorgehen im nächsten Jahr abgestimmt werden.

Auch auf Ebene der Landesregierung ist mittlerweile eine Task Force installiert worden. Unter Federführung des Landwirtschaftsministeriums soll eine interministerielle Arbeitsgruppe den Befall 2012 analysieren und ab September Vorbereitungen für 2013 treffen. „Es ist dringend notwendig, dass wir das Thema institutionalisieren, eine feste Arbeitsgruppe auf möglichst hohem hierarchischen Niveau haben“, sagt Birgit Korth, die als Referatsleiterin im Agrarministerium für Wald und Forstwirtschaft zuständig und jetzt zudem die Leiterin der Arbeitsgruppe ist.

Das Ausmaß des Befalls in Brandenburg ist in diesem Jahr so hoch wie nie zuvor. Erstmals war der vor allem in Südeuropa heimische Eichenprozessionsspinner 2004 in Brandenburg aufgetaucht. Seither verbreitete er sich rasant. Seit 2008 ist auch Potsdam betroffen, 2011 meldeten die Forstexperten des Landes, dass das Insekt auf einem Viertel der Landesfläche zu finden ist. Das Landesumweltamt spricht von einer Massenvermehrung, „die es in diesem Umfang in unseren Breiten noch nie gegeben hat“. Begünstigt wurde die Entwicklung in diesem Jahr durch das warme und trockene Wetter im April und Mai. Eine Woche Regen hätte gereicht, die Probleme mit dem Eichenprozessionsspinner wären weitaus geringer.

Für dieses Jahr ist der Kampf gegen die gefräßige Raupe ohnehin verloren. Wirksam bekämpfen lassen sich Schädlinge eigentlich nur von Anfang April bis Anfang Mai, da dann die Larven aus ihren Eiern schlüpfen und besonders schutzlos sind. Später ist es schwierig, die Schädlinge von den Bäumen zu holen. Der Einsatz von Insektiziden ist streng geregelt und nur mit Ausnahmegenehmigung des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit möglich. Stattdessen gehen die Schädlingsbekämpfer mit Staubsaugern gegen die Raupen vor, häufig aber sind die haarigen Tierchen schnell dabei, ein neues Nest zu bauen.

Auf dem Brauhausberg bleiben sie dabei ungestört. Die Raupen haben inzwischen begonnen, sich zu verpuppen. Was dann im August schlüpft, sind keine schönen, bunten Schmetterlinge, sondern hässliche, dunkle Nachtfalter. Bis Herbst aber sollen zumindest die leeren Nester entfernt werden, weil die giftigen Härchen der Raupen weiter umhergewirbelt werden. Damit sinkt auch das Risiko, dass die Spinner nächstes Jahr wiederkommen.

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