Landeshauptstadt: Heroin-Fälle auch in Potsdam
Aktion für heroingestützte Behandlung / 2006 neun Drogentote in Brandenburg
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Innenstadt – Kontrollierte Heroinabgabe zur Behandlung von Heroinabhängigen: Dafür warben am Samstag Mittag Mitglieder des Chill Out e.V. und der Aids-Hilfe Potsdam auf dem Platz der Einheit. Anlass war der bundesweit neunte nationale Gedenktag für verstorbene Drogenkonsumenten. Die Aktion war Teil einer bundesweiten Unterschriftensammlung der Deutschen Aidshilfe. Mit insgesamt 30 000 Postkarten soll Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dazu aufgefordert werden, eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes zu fördern und die Heroin-Therapie zu ermöglichen.
Kann man überhaupt von „Substitution“ sprechen, wenn als „Ersatz“ Heroin verabreicht wird? Ja, findet Annett Bauer, seit zwei Monaten die neue Vorsitzende des Chill Out e.V., der sich für akzeptierende Drogenarbeit einsetzt. Denn auch wenn die Droge bei der heroingestützten Behandlung nicht ersetzt wird, ändere sich das Umfeld. Bauer: „Die Szene wird substituiert.“ Grundlage ihrer Argumentation ist das 2006 abgeschlossene Bundesmodellprojekt zur heroingestützten Behandlung (siehe Kasten). Demnach gehe nicht nur die Beschaffungskriminalität bei Heroin-Patienten zurück: Sie zeigten auch eine höhere Bereitschaft, in die Abstinenztherapie zu wechseln.
Etwa 140 Potsdamer konnten Chill out und die Aidshilfe am Samstag zu einer Unterschrift für ihre Sache bewegen: „Aus meiner Sicht ist es gut gelaufen“, resümierte Bauer. Die Aidshilfe hat die Aktion initiiert, weil Heroingebrauch auch das Infektionsrisiko mit HIV erhöht: Zwischen sechs und sieben Prozent der HIV-Neuansteckungen werden auf den Gebrauch illegaler Drogen zurückgeführt, erklärte Dirk Schäffer, Referent für Drogen und Strafvollzug bei der Deutschen Aidshilfe, am Samstag in Potsdam.
Über die Heroin-Szene in Potsdam gibt es unterdessen allerdings kaum Informationen: Unklar sei zum Beispiel, ob unter den neun Drogentoten im Land Brandenburg 2006 auch Potsdamer waren. „Es gibt keine Erfassung für Potsdam direkt“, so Bauer. Sie gehe aber auch davon aus, dass durch die Berlinnähe „die Zahlen verschwimmen“. Immerhin 173 Drogentote gab es 2006 in der Bundeshauptstadt, wie im aktuellen Drogen- und Suchtbericht der Drogenbeauftragten der Bundesregierung zu lesen ist.
Die Suchtpräventionsfachstelle des Chill Out e.V. stehe als Anlaufpunkt zur Verfügung, betonte Bauer. Sie wisse bisher nur von einem Fall in Potsdam, in dem von einem Heroinabhängigen der Kontakt aufgenommen worden sei. Auch Dieter Hermann von der Potsdamer Aidshilfe kennt einen Fall, in dem eine Substitutionsbehandlung in Potsdam erfolgreich verlief. Die Drogenbeauftragte rechnet bundesweit mit 175 000 Menschen, die von illegalen Drogen (ohne Cannabis) abhängig sind. 64 500 befanden sich 2006 in einer – meldepflichtigen – Substitutionsbehandlung mit Methadon. Mit 33 liegt die Zahl der Substitutionspatienten in Brandenburg bundesweit am niedrigsten – dafür sind es in Berlin mehr als 4000.
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