Landeshauptstadt: Hoheit gönnte sich drei Kimonos
Im Holländerviertel tauchte gestern plötzlich die niederländische Prinzessin Beatrix auf. Der Inhaber der „Kunsttruhe“ erkannte sie erst nicht – und wurde dann ein wenig nervös
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Innenstadt - Erst dachte Lothar Metzner, es handele sich um zwei ganz gewöhnliche Kundinnen, die da am Sonntagvormittag durch seinem Laden im Holländerviertel schlenderten. In aller Ruhe sahen sich die Damen in der „Kunsttruhe“ in der Benkertstraße um, begutachteten dieses und jenes, unterhielten sich leise. Erst ein Kunde machte Inhaber Metzner flüsternd darauf aufmerksam, welch hohen Besuch er in seinem Kunst- und Geschenke-Laden hatte: Beatrix, bis vor wenigen Monaten noch Königin der Niederlande, und seit der Übergabe des Thrones an ihren Sohn offiziell Prinzessin.
„Ich bin eigentlich Mathematiker, ich hab mit solchen Sachen nichts am Hut“, erzählt Metzner am Nachmittag lachend. „Auch dieser Schauspieler – Brad Pitt – war schonmal hier, das habe ich aber erst realisiert, als ich es am nächsten Tag in der Zeitung gelesen habe.“ Doch dank des Hinweises von dem Kunden wusste er, wen er vor sich hatte, und wurde auch gleich ein wenig nervös. Denn wie soll man eine Prinzessin ansprechen? „Eure Hoheit“ sei ihm zum Beispiel in den Sinn gekommen, sagt Metzner. Doch dann entschied er sich dafür, die Anrede doch lieber elegant zum umschiffen.
Der Rundgang von Beatrix und ihre Begleiterin durch die „Kunsttruhe“ endete vor dem Regal mit Bassetti-Produkten, edlen Stoffen aus Italien. Die bunten Kimonos, die an dem Regal hingen, hatten es den Damen angetan. „Ich habe sie bedient, wie jeden anderen Kunden auch“, erzählt Metzner. Auch ein Sprachproblem gab es nicht. „Sie hat Deutsch gesprochen.“ Beatrix wollte die Roben gleich vor Ort anprobieren, doch eine Umkleide gibt es in der "Kunsttruhe" nicht. „Sie hat die Kimonos hier mitten im Laden drübergezogen, da war sie eigentlich ganz unkompliziert“, findet Metzner.
Ein wenig ungeduldig wurde Beatrix allerdings, als einer der drei Kimonos noch eingepackt werden musste – die zwei anderen hatte Metzner noch in der Originalverpackung vorrätig. „Da hat man gemerkt, dass sie eigentlich weg muss“, sagt Metzner. Möglichst schnell habe er das Kleidungsstück verpackt und die Rechnung fertig gemacht.
Doch als es ans Bezahlen ging, fiel der Prinzessin plötzlich auf, dass sie kein Geld bei sich hatte. Also wurde der Bodyguard, der während des halbstündigen Besuchs vor dem Laden auf und ab gegangen war, zu einer der drei Limousinen geschickt, die an der Kreuzung warteten. Kurz darauf kam er mit Beatrix’ Handtasche zurück, und sie zahlte ihre Einkäufe – „cash auf die Hand“, sagt Metzner mit einem Augenzwinkern. In die Tüte packte er noch eine Postkarte vom Holländerviertel und seine Visitenkarte. Wer weiß, vielleicht wollen sich ja noch mehr Mitglieder des Königshauses im Holländerviertel auf die Spuren ihrer Vorfahren begeben und dabei einen Abstecher in die "Kunsttruhe" machen.
Es war nicht das erste Mal das Beatrix in Potsdam war, auch wenn der letzte offizielle Besuch schon eine Weile her ist. 1991 war sie als erstes Staatsoberhaupt zu Gast im wiedervereinten Deutschland. Sie reiste nach Berlin, und stattete auch Brandenburg einen Staatsbesuch ab – in Potsdam.
Durch das Holländerviertel hat Potsdam seit Langem eine besondere Beziehung zu den Niederlanden. Die 134 roten Backsteinhäuschen – eines davon beherbergt auch die „Kunsttruhe“ – wurden im Auftrag des „Soldatenkönigs“ Friedrich Wilhelm I. gebaut. Nach den Entwürfen des Architekten Jan Bouman entstanden die vier Karrees ab 1732, zehn Jahre später waren sie fertig. Der König wollte mit den Bauten eigentlich holländische Handwerker nach Potsdam locken. Doch die Niederländer wollten nicht recht, so wurden in dem neuen Viertel kurzerhand französische und preußische Handelsvertreter, Künstler und Soldaten einquartiert. Zu DDR–Zeiten verfiel das Viertel, das als größtes geschlossenes holländisches Bauensemble außerhalb der Niederlande gilt, mehr und mehr, bis in den 1970er-Jahren mit der Restaurierung begonnen wurde. Diese setzte sich nach der Wende 1989 fort – übrigens auch mit Unterstützung des niederländischen Königshauses. Heute ist das Holländerviertel eine der bekanntesten Sehenswürdigkeiten in der Stadt.
Da passt es natürlich, dass Beatrix sich gerade dieses Viertel für ihren Einkaufsbummel ausgesucht hat. Warum sie überhaupt in der Region war und ob sie möglicherweise einen Termin in Berlin hatte, war am Sonntag nicht mehr zu erfahren. Ein Sprecher des Königshauses in Den Haag wusste von dem Besuch nichts, bis Redaktionsschluss konnte er den Grund von Beatrix’ Reise nicht eruieren. Auch in der niederländischen Botschaft war am Sonntag niemand zu erreichen.
Lange war Beatrix aber offenbar nicht in der Stadt – oder zumindest nicht im Holländerviertel. Weder in der Boutique schräg gegenüber der „Kunsttruhe“ kreuzte sie auf, und auch ins Restaurant „Fliegender Holländer“ oder zu „Poffertjes en Pannekoeken“ kam sie nicht zum Essen. Mancher vermutete auch gleich eine Finte des Komikers Hape Kerkeling. 1991 hatte er sich bei Beatrix’ Staatsbesuch als selbige verkleidet und war so bis zum Berliner Schloss Bellevue vorgedrungen. Doch Metzner ist sich sicher: Diesmal war es die echte Beatrix.
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