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Landeshauptstadt: Hotel für Abendsegler

Das Haus der Athleten ist größtes Fledermaus-Winterquartier Potsdams

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Mancher Spaziergänger am Havelufer des Luftschiffhafens mag sich schon gefragt haben: Was haben sich die Architekten nur mit diesen orangen Quer-Streifen am Haus der Athleten gedacht? Von Weitem ist es kaum zu erkennen, doch bei den Streifen, die sich an der Südseite des 14-stöckigen Wohnheims für Schüler der Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportschule befinden, handelt es sich nicht um Wandfarbe, sondern um Winterquartiere für Fledermäuse. Erst aus der Nähe sind die winzigen Öffnungen auszumachen, hinter denen die Kleinsäuger Winterschlaf halten. Vor allem Große Abendsegler hausen an der Wand, zusammen mit der Zwergfledermaus gehören sie zu den häufigsten der elf in Potsdam vorkommenden Fledermausarten.

Rund 3000 Tieren bietet die Fassade eine Unterkunft, damit ist das Haus der Athleten Jens Teubner vom brandenburgischen Landesumweltamt zufolge das mit Abstand größte künstliche Winterquartier Potsdams und eines der größten Brandenburgs: „Zum Glück wussten wir damals, dass hier Fledermäuse hausen“, sagt Teubner mit Blick auf die Sanierung des Gebäudes im Jahr 2004, welche laut dem Fledermausexperten in „hervorragender Zusammenarbeit“ mit den Eigentümern, also der Stadt, geschehen sei. Damals hatte der Plattenbau noch seine alte Fassade. Die Abdichtung zwischen den ineinandergesteckten Betonplatten war schon seit Längerem herausgefallen, sodass zahlreiche Ritzen für die Tiere zur Verfügung gestanden hatten. „Für die Fledermäuse war das wie ein großer Felsblock in der Landschaft, der von innen beheizt wurde“, sagt Teubner.

Fledermäuse sind vom Aussterben bedroht: Insbesondere durch viele Haussanierungen und Neubauten nach 1990 waren in Brandenburg viele Quartiere vernichtet worden. Dieses Schicksal hätte auch die Fledermäuse am Haus der Athleten treffen können. Doch die Sanierung wurde in mehrere Schritte unterteilt, um den Fledermäusen ihre alten Plätze zu lassen, während an der Südseite direkt in die Dämmung des Hauses etwa 40 bis 60 Zentimeter tiefe Fledermauskästen eingebaut wurden. Diese sind schräg angerichtet und daher selbstreinigend, das heißt, der trockene Kot der Tiere krümelt von selbst aus den Behausungen.

Durch die Sanierung hat sich die Situation für die Tiere verbessert, denn in den Kästen haben sehr viel mehr Fledermäuse Platz als zuvor. Vor der Sanierung hatten manche der Tiere keine Schlafstelle gefunden und hatten sich gelegentlich in Wohnungen verirrt oder waren entkräftet zu Boden gefallen. Das passiert heute nicht mehr laut Miriam Levy, Leiterin des Wohnheims, bekämen die Schüler nichts von den Fledermäusen mit. Für ihre Bemühungen erhielt die Sportschule 2009 vom damaligen brandenburgischen Umweltminister Dietmar Woidke (SPD) die erste Ehrenplakette für fledermausfreundliches Bauen und Rekonstruieren.

Das Haus der Athleten ist nicht das einzige Winterquartier der Landeshauptstadt, laut Teubner gebe es 15 bedeutende Fledermausquartiere: In den Kellern der Schlossanlagen Sanssouci überwintern etwa 100 Fledermäuse, im Bereich des Kaiserbahnhofs etwa 150 und rund 50 auf dem Telegraphenberg. Der Fledermausexperte hat jedoch Vorbehalte, die exakten Standorte der Quartiere preiszugeben, da es in der Vergangenheit immer wieder zu Vandalismus gekommen ist, auch wenn in Potsdam selbst nur wenige Vorfälle bekannt sind. Das letzte Mal wurden 2010 in Waldstadt Fledermauskästen mit Steinwürfen zerstört.

Warum Menschen das tun, darüber kann die Fledermausexpertin Christiane Schröder vom Naturschutzbund Potsdam (NABU) nur spekulieren: „Vielleicht aus Langeweile, Unwissenheit oder auch Angst.“ Bei vielen Menschen gibt es noch immer die Vorstellung von Fledermäusen als Blutsauger. Die gibt es aber hierzulande nicht, betont Schröder, die heimischen Fledermäuse fressen ausschließlich Insekten und machen sich damit sogar nützlich: Sie vertilgen beispielsweise die Falter des Eichenprozessionsspinners – die giftigen Larven können sie leider nicht verdauen.

Auch die Angst, dass Fledermäuse in Haare fliegen, kann Schröder nicht nachvollziehen: „Ich arbeite seit zwölf Jahren mit Fledermäusen und hatte noch nie welche im Haar, obwohl ich sehr lange Haare habe.“ Diese Vorstellung sei vermutlich entstanden, als viele Hausfrauen ihre Wäsche noch auf dem Dachboden trockneten, die häufig Schlafplätze von Fledermäusen sind, so Schröder; in der Enge der Dachböden könne da schon mal eine ins Haar fliegen, wenn die Tiere beim Schlafen gestört werden.

Fledermäusen geht es in Potsdam insgesamt recht gut, sagt Schröder: „Die Stadt bietet viele Lebensräume für Fledermäuse, da sie sehr strukturiert ist: Es gibt viele Parks, Gewässer und Friedhöfe mit Altbaumbestand.“ Fressfeinde haben die Tiere bis auf Marder und Schleiereulen laut Schröder kaum: „Der größte Gefahrenfaktor ist immer noch der Mensch.“

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