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Das Kreativhaus Rechenzentrum befindet sich an der Breiten Straße, neben dem Turm der Garnisonkirche.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Hundertfache Unterstützung: Prominente Potsdamer fordern Erhalt des Rechenzentrums

Ein neuer Appell mit mehr als 1400 Erstunterzeichnern richtet sich gegen das drohende Aus für das Kreativzentrum. Unterschrieben haben bekannte Persönlichkeiten.

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Die mehr als 300 Kreativen, die womöglich im nächsten Jahr das Rechenzentrum neben dem Turm der Garnisonkirche verlassen müssen, erhalten massive Unterstützung aus der Stadtgesellschaft. Am Freitag veröffentlichte der Betreiber einen von mehr als 1400 Erstunterzeichnern getragenen Aufruf für den Erhalt des DDR-Baus.

„Potsdam braucht das Rechenzentrum als Ort für Kunst, Teilhabe und Dialog; mitten in einer Stadt, die mit ihrer Geschichte ringt“, heißt es im Appell, initiiert von den Nutzern des Hauses.

Das Rechenzentrum verkörpert die gescheiterten computergestützten Planvisionen der SED, aber auch die vielfältigen, oft schwierigen Aufbrüche nach der Einheit.

Frank Bösch, Direktor des Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF)

Zu den Unterstützern gehören zahlreiche bekannte Potsdamer Persönlichkeiten aus den Bereichen Kultur, Wissenschaft und Soziales. Dazu gehören der Chef der Schlösserstiftung, Christoph Vogtherr, die Schriftstellerin und Buchpreisträgerin Antje Rávik-Strubel und die Direktoren des Brandenburg und des Potsdam Museums, Katja Melzer und Thomas Steller. Schon 2023 hatte es einen ähnlichen Rettungsappell gegeben.

Vogtherr lässt sich in der Mitteilung zitieren, das Rechenzentrum sei ein „zentrales Zeugnis der Geschichte Potsdams“. Und: „Wichtige Gebäude aus der Zeit der Bezirkshauptstadt sind inzwischen beseitigt worden.“ Umso wichtiger sei es, neben dem Neubau des Garnisonkirchturms dieses Zeichen der vielschichtigen Geschichte Potsdams „zu bewahren“. Der Erhalt sei aber nicht nur eine Frage des gebauten Erbes. „Als Ort der künstlerischen Produktion“ sei das Rechenzentrum ein wichtiger Teil der Kulturstadt.

Das Rechenzentrum hat sich in den letzten Jahren zu einem der wichtigsten soziokreativen Orte in Potsdam entwickelt.

Impuls Brandenburg - Landesverband für Soziokultur und Popularmusik

Unterschrieben hat Benny Schurig, der Leiter der benachbarten Voltaire-Gesamtschule: „Jede Stadt braucht einen solchen Ort. Freie künstlerische Entfaltung ist gelebte Demokratie.“ Demnach dient das Haus auch als außerschulischer Lernort und Begegnungszentrum, zum Beispiel für den Migrantenbeirat. Zu den Nutzern gehört auch Evgeni Kutikow, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde: „Uns liegt sehr daran, diesen Ort zu bewahren.“

Weitere Erstunterzeichner sind die Intendantin des Hans Otto Theaters, Bettina Jahnke, Frank Bösch, der Leiter des Zentrums für Zeithistorische Forschung, und Miriam Rürup, Direktorin des Moses Mendelsohn Zentrums. Die Landesverbände für Darstellende Kunst sowie für Soziokultur und Popularmusik sind auf der Liste zu finden, ebenso die Künstlerin Florentine Joop und der Schauspieler Jörg Schüttauf. Auch in der Stadtverordnetenversammlung gibt es aktuell eine Mehrheit für den Erhalt.

Durch das Nebeneinander der architektonischen Erinnerungsanker Rechenzentrum und wiedererrichtetem Garnisonskirchenturm wird die vielschichtige Stadtgeschichte Potsdams im Stadtbild augenfällig und erlebbar.

Thomas Steller, der Leiter des Potsdam Museums, hat den Aufruf als „Kulturhistoriker und Museumsmanager“ unterzeichnet.

Warum der Bau vor dem Aus steht

Jüngst hatten sich allerdings die schlechten Nachrichten für das Rechenzentrum gehäuft. Denn der von Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) angestoßene Kompromissprozess zum Umfeld von Rechenzentrum und Garnisonkirche befindet sich derzeit in einer Sackgasse. Damit droht dem Haus schon Anfang 2026 der Leerzug und später der Abriss, weil die Stadt die Verträge mit den Nutzern nicht verlängern kann. Für eine weitere Nutzung wäre, neben der Klärung von Bedenken der Bauaufsicht, auch ein positives Votum der Stiftung Garnisonkirche nötig – der ein Teil des Grundstücks unter dem Kreativhaus gehört.

Ferner hatte ein neues Gutachten ermittelt, dass eine Sanierung erhebliche Kosten zwischen 19 und 30 Millionen Euro verschlingen würde. Selbst eine Minimalvariante ohne gesetzlich vorgeschriebene energetische Sanierung würde mit bis zu acht Millionen Euro zu Buche schlagen. Dazu hatte ein weiteres Gutachten ergeben, dass sich in dem Gebäude unter anderem auch krebserregendes Asbest befindet. Die Kosten für die Entsorgung solcher Schadstoffe würden demnach zusätzlich 2,1 Millionen Euro betragen.

Zu solchen Kostenfragen äußerte sich der Hausverein des Kreativhauses Scholle 51 in der Geschwister-Scholl-Straße, der dieses Haus weitestgehend selbstständig saniert hatte. „Unsere Erfahrung zeigt, dass es nutzenden Kulturschaffenden gelingen kann, tragfähige Strukturen zu errichten, die notwendigen Sanierungen zu stemmen und die Kredite über verträgliche Mieten zu refinanzieren.“

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