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Versteht sich als Kommunist. Linke-Politiker Norbert Müller will in den Bundestag.

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: „Ich bin kein Kandidat der Mitte“

Der 26-jährige Linken-Bundestagskandidat Norbert Müller über seine Erfolgschancen in Potsdam

Stand:

Herr Müller, Sie werden zur Bundestagswahl voraussichtlich als Direktkandidat der Linken in Potsdam antreten. Dabei sind Sie in Potsdam weitgehend unbekannt – und vor fünf Jahren hat selbst der wesentlich erfahrenere Linken-Kandidat Rolf Kutzmutz, wenn auch nur knapp, gegen Andrea Wicklein von der SPD verloren. Herr Müller, glauben Sie tatsächlich, dass Sie eine Chance haben?

Der Wahlkampf wird eine Herausforderung. 2009 hat die Linke bei der Bundestagswahl in Brandenburg noch 28 Prozent erreicht. Inzwischen kommen wir in Umfragen auf etwa 20 Prozent. Würde der Trend so anhalten, wird die Entfernung zu Andrea Wicklein größer. Und natürlich war Rolf Kutzmutz auch bekannter. Aber die Zustimmung zu uns zieht an – deswegen sind wir zuversichtlich, gerade der SPD auf Augenhöhe zu begegnen. Und ich habe ein Jahr Zeit, dass die Leute mich kennenlernen können.

Sie gelten als jemand, der zum linken Rand der Linken zählt. Gewinnt man Wahlen nicht eher in der Mitte der Gesellschaft?

Ich will kein Kandidat der Mitte sein, sondern einer der Linken. Aber dass ich in Brandenburg der stellvertretende Landesvorsitzende unserer Partei bin, zeigt, dass ich Positionen vertrete, die mehrheitsfähig sind. Meine Überzeugungen sind vom Parteiprogramm gedeckt, das auch in Potsdam von den Mitgliedern angenommen wurde.

Sie sehen sich als Kommunist und wollen den Kapitalismus abschaffen. Gewinnt man so eine Mehrheit?

Zu antikapitalistischen Reformprojekten gehören die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns von zehn Euro, die Neustrukturierung des Bankensektors und die Absenkung des Rentenalters. Das sind die Interessen der Mehrheit, die nach meiner Meinung durchgesetzt werden sollten. Gerade bei der Rente gibt es hier im Osten einen besonderen Zustand: Seit der Wende vor 20 Jahren sind die Ostrenten nicht angeglichen worden, wodurch die Rente im Osten künstlich abgesenkt wird. Das ist ein unglaublicher Zustand. Den übrigens die SPD mit ihrem neuen Rentenkonzept nicht ändern wird.

Sie sprechen die Bundespolitik an. Was ist das wichtigste Thema, mit dem sich in Potsdam nächstes Jahr die Bundestagswahl gewinnen lässt?

Ich sehe drei wichtige Themen. Einmal sind das prekäre Arbeitsverhältnisse mit schlechten Löhnen und schlechten Zeitregelungen. Das betrifft hier in Potsdam viele Menschen. Wichtig ist auch die Frage nach öffentlicher Daseinsvorsorge – etwa bei Kitas und Schulen. Auch das betrifft Potsdam: Jeder vierte Schüler geht auf eine private Schule. Auch bei dem ab nächstem Jahr geltenden Rechtsanspruch auf eine Kita bei den unter Dreijährigen wird die Stadt Probleme bekommen, weil Krippenplätze fehlen. Ein weiteres großes Thema ist die Euro-Krise und was passiert, wenn Staaten pleitegehen und die Bundesrepublik in Größenordnungen zahlen muss. Das wird auf die öffentlichen Haushalte durchschlagen – und damit auch auf Länder und Kommunen, denen es dann schlechter geht, sodass Leistungen gekürzt werden müssen.

Was sehen Sie als wichtigstes Thema für Potsdam?

Das ist eindeutig die Entwicklung der Mieten. Aber auch das ist bundespolitisch bedingt. Jahrelang sind die Mittel, die in den Stadtumbau Ost geflossen sind, ausschließlich in den Abriss geflossen. Durch Bevölkerungskonzentration in Zentren haben wir Mietenprobleme wie in Potsdam inzwischen etwa auch in Jena. Dafür muss es ein Bundesprogramm geben, um sozialen Wohnungsbau zu fördern.

Sie kündigen einen „fetzigen Wahlkampf“ an. Was meinen Sie damit?

Wir wollen keine Gesichterkampagne an Laternen machen und uns auch nicht hinter Infoständen verstecken, sondern hochflexibel auf die Leute zugehen. Dazu kommen eigene Diskussionsveranstaltungen. Ich selbst bin gerade in der Studentenschaft und bei den jüngeren politisch Aktiven in Potsdam gut verwurzelt – auch daraus will ich schöpfen.

Gibt es eigentlich einen Plan B in Richtung Bundestag, wenn es mit der Direktwahl nicht klappt?

Ich und die Potsdamer Partei werden uns zusätzlich um einen günstigen Listenplatz auf Landesebene bemühen, der für die Bundestagswahl aussichtsreich ist. Ich will nicht als Kandidat abgestempelt werden, den die Linke in Potsdam als Verlegenheitslösung aufstellt. Ich betreibe diese Kandidatur ernsthaft und will es der politischen Konkurrenz nicht zu leicht machen.

Die Fragen stellte Henri Kramer

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