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Landeshauptstadt: Ideen braucht der Mensch

Albrecht Ecke gründete die Firma „eckedesign“. Im heutigen Überfluss erschließt er Lücken für seine Kreativität

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Albrecht Ecke gründete die Firma „eckedesign“. Im heutigen Überfluss erschließt er Lücken für seine Kreativität Von Guido Berg Warum sahen Produkte aus der DDR-Produktion nur so altbacken aus, wie sie nun einmal aussahen? Warum bestand ihr Design aus der weitestmöglichen Abwesenheit von Design? Der Lebensweg von Albrecht Ecke deutet Antworten an. Dabei ist es paradox. Damals, als einem in den ostdeutschen Geschäften der Bedarf nach mehr Ästhetik wie eine Kröte entgegen sprang, da wurde Albrecht Eckes Sinn für das Praktische und Schöne zurückgewiesen. Heute dagegen, wo eigentlich schon alles da ist, wo man meinen könnte, dass alle Fahrräder schon erfunden sind, dass jede schöne Linie schon gezeichnet und die Lösung schon vor dem Problem auf dem Markt ist, da erntet Albrecht Ecke, der „Formgestalter“ aus dem Osten, Erfolg und Anerkennung. Seine Gedanken kreisen am Neuen Markt in einem sehr hohen Raum von Knobelsdorf. Auf mehreren im Raum verteilten Tischen liegen Plakate und Skizzen. Durch die offenen Fenster dringt Blätterrauschen. Es ist nicht so, dass schon alles da ist, sagt er, „es gibt eine ganze Menge Lücken“. Um in diese vorzustoßen genügen ihm Stift und Papier. Unterwegs hat er immer ein Notizbuch dabei. Mit einigen schnellen Strichen fängt er eine ihn überkommende Idee ein, „nachher ist sie weg“. Mit lockeren Erstskizzen, die aber bereits alle Grundzüge des später Erfolgreichen enthalten, wurden in Potsdam gute Erfahrungen gemacht. Die Zeichnung Friedrich des Großen für das spätere Schloss Sanssouci ist ebenso berühmt wie Mendelssohns Entwurfskizze für den Einsteinturm. Albrecht Ecke freilich wirkt zurückhaltend, beinahe bescheiden, er würde solche Vergleiche nicht mögen. Am Anfang war Tristesse. Ecke machte seinen Diplom-Ingenieur in technischer Kybernetik in Magdeburg. Nach dem Studium bekam er einer Stelle in der Wasserwirtschaft zugewiesen. Abwasserbehandlung, „das war ätzend“, erklärt er rückblickend. Seine Hauptaufgabe bestand darin, zu sitzen, und bisweilen und nicht allzu oft eine Wasserdruckmessung zu machen. Ein völlig anspruchsloser Job für einen, der Ideen hat. Ecke kündigt und beginnt ein zweites Studium an der Kunsthochschule in Berlin-Weißensee, „industrielle Formgestaltung“ nennt sich der Studiengang, Design durfte er in der DDR nicht heißen. Er findet, wie damals notwendig, einen volkseigenen Betrieb, der ihn zum Studium delegiert – unter der Bedingung, „dass Sie hier nie anfangen“. Es ist ein gutes, ein intensives Studium, Mitte der 80er Jahre beendet er es. Der VEB Messelektronik Berlin wird zu dieser Zeit von oben gezwungen, zwei Formgestalter einzustellen. Ecke und ein weiterer Absolvent bekommen eine Anstellung, ihnen wird aber gleich gesagt, „lasst euch hier nicht blicken“. Auf der Basis des monatlichen Gehaltes, für die sich der Betrieb jede Gegenleistung verbietet, gründen sie in einem Dachgeschoss am Rosenthaler Platz ein Atelier mit dem Namen „Perform“. Sie kreieren Spielgeräte für Marzahn, später gelingt es ihnen sogar, etwas für den VEB Messelektronik zu entwerfen. Im Januar 1988 werden er und seine Frau, die in der Zionskirche Prenzlauer Berg aktiv ist, ausgewiesen. Die Anstellung in einem guten Designbüro in Westberlin gibt Ecke „eineinhalb Jahre Vorsprung“, bevor der Westen auch in den Osten kommt. Er findet im geförderten Westberlin, in dem es Geld „für alles und für jeden“ gibt, gute Arbeitsbedingungen. In diesem Überfluss sind seine Ideen gefragt, er entwirft neben vielen eigenen Sachen eine der ersten Solarleuchten. Nach der Wende gewinnt er einen Design-Wettbewerb, an dem sich auch sein Chef beteiligt. Die Wege trennen sich, Ecke macht sich selbstständig. Eine Bank warb einmal mit dem Slogan „Aus Ideen werden Märkte“. Der Spruch beschreibt ziemlich genau das Erfolgsrezept des Mannes mit den weißen Locken. Da ist sein Einfall mit den gläsernen Hinweisschildern. Freilich sind sie schon da und werden massenhaft verwendet, in Museen beispielsweise. Sie weisen daraufhin, von wem das ausgestellte Gemälde gemalt wurde oder wo es zum Fahrstuhl, zur Toilette oder zum Notausgang geht. Sie werden mit vier Schrauben, an jeder Ecke des Vierecks eine, an der Wand befestigt. Vier Schrauben bedeuten vier Bohrungen, die exakt ausgeführt werden müssen. Und das genau ist das Manko, auch der beste Handwerker rutscht einmal ab. „Man muss ganz dicht dran sein, dann findet man auch einen anderen Ansatz“, sagt Ecke. Er dachte sich ein Befestigungssystem aus, mit dem man die mit dem Hinweis bedruckte Folie auch austauschen kann, ohne die Schrauben lösen zu müssen. Der Clou ist: Sein Schild wird mit nur zwei Schrauben an der Wand befestigt, wobei die zweite Schraube nicht einmal exakt sitzen muss, denn das Schild lässt sich wie ein aufgehängtes Wandbild nach links und rechts ausjustieren, damit es gerade hängt. Es ist eine dieser einfachen Lösungen, die einem hätte auch einfallen können – wenn man nur so genial gewesen wäre, eben nicht achtlos an herkömmlichen Toilettenschildern vorbei zu gehen. Ecke, der auch Potsdamer Straßenlaternen entwarf, gewann mit seinem Hinweisschild alle vier wichtigen deutschen Designpreise, darunter den „Red Dot Award“. Tja, Ideen muss man haben.

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