
© M. Thomas
Landeshauptstadt: Im Schmetterlings-Tresor
Ein Großteil der präparierten Tiere des Naturkundemuseums schlummert im Magazin
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Zu diesen Räumen haben Besucher normalerweise keinen Zutritt: Im Magazin des Potsdamer Naturkundemuseums muss Birgit Jaenicke schon ein paar Mal kräftig an der Türkurbel drehen, bis der wuchtige Archiv-Schrank langsam zur Seite gleitet und einen schmalen Korridor freigibt. Vorsichtig zieht die Volontärin des Naturkundemuseums einen schweren Schaukasten mit Schmetterlingen aus dem Regal: „Das ist ein Doppelglaskasten, dadurch kann man sich auch die Unterseite der Tiere ansehen, ohne sie herausnehmen zu müssen.“
Es ist nur ein kleiner Ausschnitt aus dem umfangreichen Fundus des Museums, dessen Bestand durch viele Neuerwerbungen und Schenkungen mittlerweile auf mehr als 300 000 Objekte angewachsen ist; allein in den vergangenen zwei Jahren sind sechs Sammlungen präparierter Tiere dazugekommen. Den Löwenanteil stellen die Winzlinge des Tierreichs: Die rund 200 000 Insekten-Exponate finden in den normalen Ausstellungsräumen schlichtweg keinen Platz. Sie werden zum Großteil im Licht- und Luftgeschützten Magazin des Naturkundemuseums aufbewahrt. Problematisch ist jedoch, dass viele der Kästen erneuert werden müssten, etwa weil die Abdichtung nicht mehr intakt ist: „Über Spenden für neue Kästen freuen wir uns daher immer“, sagt Museumsdirektor Detlef Knuth.
Um die Existenz und die wissenschaftliche Bedeutung dieser Sammlungen wieder mehr ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken, befindet sich seit dem Mai im Eingangsbereich des Museums ein Schaukasten für „Das besondere Exponat“: Hier werden halbjährlich „Kostproben“ der sonst verschlossenen Bestände präsentiert – als Erstes ein „Polia bombycina puengeleri“, eine Hauhechel-Blättereule aus Zentralasien. Dieser unscheinbare Falter ist ein sogenanntes Paratypus-Exemplar, also eines der ersten dokumentierten Tiere einer neu entdeckten Art, die für die wissenschaftliche Beschreibung der Art maßgebend ist: Mit ihm können Forscher ihre eigenen Funde vergleichen, ohne erst in fernen Ländern nach einem lebendigen Original suchen zu müssen.
Der Falter wurde vom Brandenburger Lehrer und Insektenforscher Lutz Lehmann gesammelt, dessen 55 000 Tag- und Nachtfalter umfassende Sammlung das Museum nach dessen Tod im Jahre 2011 erwarb. „Das ist eine sehr bedeutende Sammlung für uns“, sagt Museumsdirektor Detlef Knuth. „Wir brauchen diese Tiere, weil wir mit ihnen sozusagen in die Vergangenheit schauen und Veränderungen in der Gegenwart erkennen können.“ Schmetterlinge seien gute Indikatoren für Umweltveränderungen, zum Beispiel für die Schädlichkeit bestimmter Pestizide, so Knuth: „Durch einen Blick in die Sammlung lässt sich der frühere Zustand vergleichen, wenn sich etwa die Körper der Tiere verändert haben.“
Natürlich kann man sich auch an lebendigen Schmetterlingen erfreuen, was laut Knuth in Potsdam derzeit sehr gut möglich ist: „Draußen fliegt gerade richtig viel.“ Das liege auch daran, dass Städte für die Insekten oft bessere Umgebungen sind, als das Land: „Dort gibt es viele Monokulturen und es wird gespritzt, hier hingegen ist der Lebensraum viel heterogener“, sagt Knuth. „In Städten wie Berlin und New York wird sogar vermehrt auf Hausdächern Bienenzucht betreiben, weil die Tiere in der Stadt einfach mehr Nektarpflanzen finden.“ In Potsdam gebe es diesen Trend laut Knuth aber noch nicht, da hier noch genug Platz für normale Bienenzuchten am Boden vorhanden ist.
Auch die nächste Sonderausstellung des Naturkundemuseums ab dem 19. September wird sich um Insekten drehen: Unter dem Titel „Cicadas“ werden verschiedene Evolutionsstrategien mithilfe einer Klanginstallation dargestellt. Erik Wenk
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