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Auf Spurensuche: 15 Tafeln erinnern seit gestern an besondere Orte während der friedlichen Revolution 1989/90. Die Stelen mit Zeitzeugenberichten stehen unter anderem an der Glienicker Brücke, in der Friedrich-Ebert-Straße und am Holländischen Viertel.

© Andreas Klaer

Von Jana Haase: Im Spurensucher

An 15 Orten im Stadtgebiet erinnern ab sofort Gedenktafeln an die Ereignisse des Wendejahres 1989/90

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Potsdam bekommt eine neue Ausstellung – und die hat rund um die Uhr geöffnet. 15 Gedenktafeln zur Erinnerung an die Ereignisse des Wendejahres 1989/90 stellten Kuratorin Stefanie Wahl und Gestalter Albrecht Ecke gestern im Stadtgebiet auf. „Spurensuche: Ost. Revolution in Potsdam“ heißt die Openair-Dauerschau des „Erinnerungslabors“, die heute 17 Uhr am Nauener Tor feierlich eröffnet wird. Danach bleiben die etwa 2,50 Meter hohen Metalltafeln mit Betonfuß ein gutes Jahr lang, bis zum 29. Oktober 2010, an ihren Standorten. Finanziert wird das Projekt von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und der Landeszentrale für politische Bildung.

„Wir wollen damit ein Stück Atmosphäre von damals einfangen, den Aufbruch dieses Herbstes zeigen“, erklärte Kuratorin Stefanie Wahl den PNN. Die Ausstellung richte sich auch an Potsdamer und Touristen, die sonst keine Museen besuchen, sagt sie: „Die Gedenktafeln stellen sich in den Weg.“

Das tun sie seit gestern zum Beispiel an der Glienicker Brücke oder vor der Villa Kellermann in der Mangerstraße, wo im April 1989 das erste DDR-weite Umwelttreffen der Argus (Arbeitsgemeinschaft für Umweltschutz und Stadtgestaltung) stattfand, beim Belvedere auf dem Pfingstberg, oder vor der Erlöserkirche in Potsdam West, wo die Eine-Welt-Aktivisten der Gruppe „Tierra unida“ Ende Juni 1989 mit Klagetrommeln der Opfer des Massakers auf dem „Platz des Himmlischen Friedens“ in Peking erinnerten.

Durch ein kreisrundes Loch in den Aluminiumplatten können Passanten die Fotos von damals – die Ausstellungsmacher griffen etwa auf Bilder des Kleinmachnower Fotografen Bernd Blumrich zurück – mit dem Blick von heute vergleichen: „Das sind Spurensucher“, erklärt der Potsdamer Gestalter Albrecht Ecke das Konzept. Gefertigt wurden die Platten von der Potsdamer Firma Atus.

Er selbst habe die Wende in Westberlin erlebt, erzählt Albrecht Ecke: Denn im Januar 1988 waren der heute 54-Jährige und seine Frau aus der DDR ausgewiesen worden. Seine Frau habe sich zuvor in einer Menschenrechtsgruppe engagiert – „und ich war auch nicht so besonders beliebt“, sagt der Gestalter. Der Umsturz bereits im Jahr darauf sei für ihn „fantastisch“ gewesen: „Ich war ja davon ausgegangen, meine Eltern, Freunde und Kollegen nie mehr wiedersehen zu dürfen.“

Auch Stefanie Wahl erlebte die Wende nicht in Potsdam, sondern in Dresden, wo Wahl gemeinsam mit Ecke im Jahr 2006 ein Vorgängerprojekt organisierte. Auch in Bitterfeld hat das Gespann Ecke/Wahl ein ähnliches Vorhaben realisiert, momentan laufen Gespräche für eine weitere Ausstellung in Magdeburg.

Für die Texte auf den Potsdamer Gedenktafeln habe sie mit Zeitzeugen von damals gesprochen, erklärt Stefanie Wahl: Mit Bob Bahra etwa, der das Plakat für das erste Pfingstbergfest entworfen hat, oder Carola Stabe und Saskia Hüneke von der Potsdamer Argus.

Das Besondere an der Potsdamer Wendezeit ist für Stefanie Wahl der Fokus auf die Erhaltung von Baudenkmälern, etwa im Holländischen Viertel, wo Potsdamer im Dezember 1989 gemeinsam mit einer früheren „Instand-Besetzern“ aus Berlin- Kreuzberg die Häuser gegen den weiteren Verfall durch Nässe und Frost schützten.

Erste Reaktionen auf die neue Openair-Schau konnte man gestern an der Glienicker Brücke, wo mit der von Springer- Vorstand Mathias Döpfner sanierten Villa Schöningen gerade ein weiterer Erinnerungsort entsteht, schon beobachten: Ein Potsdamer Ehepaar kam mit Gästen vorbei – auf einer Tour entlang der früheren Grenze. „Hier haben wir gestanden zwei Fässer Freibier ausgeschenkt, gesungen und uns in den Armen gelegen“, erinnerte sich der pensionierte Braumeister, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte: „Das ist ’ne schöne Sache“, urteilte er: „Hier werden bestimmt viele Leute stehen bleiben.“

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