
© Manfred Thomas
Konzert am Sonntag: Immer wieder ziemlich glücklich
Konstantin Wecker landete Montagabend im Vorfeld seines Potsdam-Konzerts beim RBB auf der Zibb-Couch. Ein Garderobengespräch
Stand:
Worüber reden mit einem Mann wie Konstantin Wecker, der schon alles gemacht hat und von der Öffentlichkeit für eben das alles gelobt und zerrupft wurde, seine vielseitige und großartige musikalische und schauspielerische Karriere und immer wieder sein nicht minder aufregendes Privatleben?
Der Gesprächseinstieg in der RBB-Garderobe gelingt spontan über ein Schinkenbrötchen. Käse könne er jetzt nicht mehr essen, seitdem er kürzlich eine Laktoseintoleranz entwickelt habe. „Kennen Sie das?“, fragt der 65-Jährige. Wenn die Welt wüsste... Wecker, der Ex-Kokser, der Sportwagenfahrer, der Protestler, sinniert über Krankheiten und wird gleich auf der Zibb-Couch verraten, dass er vor Auftritten regelmäßig ein Nickerchen macht. Dabei, so sagt der Musiker, fühle er sich nicht älter und ruhiger, auch wenn es vielleicht den Anschein habe.
Heute sind ihm, und das sei definitiv anders als früher, seine Kinder, 13 und 16 Jahre alt, wichtig. Wecker ist ein später Vater. Früher hätte ihn allein die Vorstellung einer Familie mit Kindern verstört, sagt er. Jetzt sei er durch sie in eine ganz andere Welt eingetaucht. „Der Große pubertiert prächtig“, sagt Wecker mit dem Vokabular eines stolzen Familienoberhauptes, nur wolle er von seinem Vater zurzeit nicht allzu viel wissen. Aber der Kleine, der eifere ihm nach, was die Musik betrifft, wenngleich das Übungsethos heute anders sei als damals bei ihm. „Mich musste man immer vom Klavier wegziehen“, sagt er.
Wecker wurde 1947 in München geboren, mit sechs Jahren bekommt er erstmals Klavierunterricht, er erlernt weitere Instrumente, singt, wird in der Kleinkunstszene aktiv. „Ich habe jahrelang vor drei-vier Leuten gespielt“, sagt er, habe sich seinen Erfolg erkämpfen müssen. Dann macht Wecker alles, Filme unterschiedlichster Couleur, komponiert Filmmusik, wird Musical-Darsteller. Vor allem ist und bleibt er ein unbequemer Liedermacher. Dafür liebten ihn vor allem Frauen. 80 Prozent seines Publikums waren früher Frauen, sagt er, heute sei die Ratio etwas ausgeglichener, dennoch sind weibliche Fans stets in der Überzahl. Entweder weil sich Männer nicht so sehr für Kultur interessieren – „welcher Mann geht schon zu einer Lesung?“ – oder weil sie eifersüchtig seien. „Da geh ich nicht mit, sagen die dann“, meint Wecker. Es freut ihn, dass heute die Frauen von damals dann mit ihren Töchtern kommen. „Es sei denn, sie können mich nicht ausstehen, weil sie damit in ihrer Kindheit terrorisiert wurden“, sagt er.
Gespielt wurden seine Songs, mit denen er die gesellschaftlichen Verhältnisse anprangerte, rücksichtslos querbeet, von manchem Radiosender allerdings oft erst nachts um drei Uhr, „weil es hieß, sie könnten die Hausfrau beim Bügeln stören“. Er knallte dennoch Alben raus, jedes Jahr ein oder zwei, und spätestens seit seiner wütenden „Ballade vom erschlagenen Willy“, 1977, kannte ihn jeder.
Hat er nicht Angst, dass ihm eines Tages die Protest-Themen ausgehen? „Nein, man müsste blind durch diese Welt gehen“, sagt Wecker, es ist schlimmer als es früher war mit all den Privatisierungen.
Und so findet sich auf dem Album „Wut und Zärtlichkeit“ von 2011 sowie der gleichnamigen Doppel-CD, die ab 22. Februar im Handel sein wird, die gewohnte Fülle und Bandbreite an Wecker-Liedgut: von Protest bis Poesie. Manche Stücke erschlagen einen mit ihrer Dichte, jede Zeile könnte für sich stehen, Wecker schmettert sie heraus, gnadenlos, „Empört euch, es ist nie zu spät!“, und schon kommt die nächste. Er vertont Gedichte, Erich Kästners „Brief an Millionäre“ gerät zum Blues und steht neben Lyrik von Brecht und Rilke. „Ich bin Musiker mit Leib und Seele“, sagt Wecker, doch das Wort komme stets an erster Stelle. „Das gesprochene Wort, ein vor sich hin gesprochenes Gedicht, das hat Magie“, sagt er nachdrücklich.
Lustig wird es in seinen Konzerten – wie am 17. Februar im Nikolaisaal – aber auch. So singt er über das bezaubernde Lächeln seiner Kanzlerin, und ja, es werde an dieser Stelle im Publikum gelacht. „Ich habe eine CD an Frau Merkel geschickt, aber keine Antwort aus dem Kanzleramt bekommen“, sagt er, dabei hätte er gern gewusst, ob sie Humor hat.
Und er selbst, Konstantin Wecker, 65, erfolgreicher Musiker, Komponist, Autor, Familienvater, ist er glücklich? „Immer wieder darf ich ziemlich glücklich sein“, sagt er nach einer Sekunde Zögern und mit einem fast lyrischen Sprechrhythmus.
Konstantin Wecker und Band spielen am Sonntag, dem 17. Februar, um 20 Uhr im Nikolaisaal, Karten unter (0331) 28 888 28
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